Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet STINA
(getauft am 19.12.2018)
Am 18.12.2018 befand sich ein Tiefdruckgebiet mit einem
Kerndruck von unter 985 hPa südlich von Nova Scotia.
Dieses verlagerte sich bis zum nächsten Tag Richtung Nordosten und lag nun über
Neufundland. Entlang seiner Okklusionsfront, an der sich kalte und warme
Luftmassen bereits vermischt hatten, bildete sich am 19.12. ein eigenständiges
Tiefdruckgebiet, das demzufolge auf den Namen STINA getauft wurde. Tief STINA
entstand an einer Wellenstörung, einer beginnenden Verwirbelung an einer
Luftmassengrenze. In diesem Fall war es die Grenze zwischen maritimer
Subtropikluft im Süden und maritimer Polarluft im Norden. Etwas nördlich des
Okklusionspunkts, der wie bei einem Reißverschluss die Verbindung zwischen
Kalt- und Warmfront darstellt, lag der Tiefdruckkern mit einem Kerndruck von
ungefähr 1010 hPa. Die Warmfront reichte um 00 Uhr UTC bzw. 01 Uhr MEZ vom
Okklusionspunkt aus nach Südosten und die Kaltfront in südwestliche Richtung,
wobei letztere zeitweise den Charakter einer Warmfront annahm. Das Tief STINA
zog in der Folge über den Nordatlantik, bis am Abend des 20.12. die ersten
Fronten das europäische Festland erreichten. Auf der Vorderseite von Tief STINA
wurde an diesem Tag bereits milde Luft nach Mitteleuropa gelenkt, die
10°C-Marke wurde aber nur ganz vereinzelt überschritten, wie beispielsweise in
Köln.
Anschließend zog die Zyklone STINA weiter in östliche
Richtung, bis sie am 21.12 um 00 Uhr UTC über der Südwestküste Irlands mit
einem Kerndruck von unter 995 hPa verortet wurde. Ihre Kaltfront reichte vom
Tiefdruckkern aus nach Südwesten und setzte sich als Wellenfront über dem
Atlantik fort. Die Warmfront verlief nach Südosten bis zur Bretagne und von
dort südwestlich über Galizien bis vor die portugiesische Küste. Eine weitere,
vorgelagerte Warmfront verlief in einem Bogen über London und Paris bis nach
Bordeaux. Zudem verband eine Okklusion die Zyklone STINA mit einem unbenannten
Tief über dem Nordatlantik. Im Süden wurde Tief STINA durch ein unbenanntes
Hoch über der Iberischen Halbinsel begrenzt. Als die Warmfronten von Tief STINA
das europäische Festland erreichten, konnten Niederschläge, meist in Form von
mäßigem Regen oder Sprühregen, beobachtet werden. Diese Niederschläge fielen
über dem Süden der Britischen Inseln teils schauerartig aus, da sich dort das
Zentrum des Tiefs befand. 24-stündig bist 00 Uhr UTC des Folgetages fielen in
Nantes an der französischen Westküste 33,4 l/m2 und im 50 km
entfernten Saint-Nazaire immerhin 26,0 l/m2. In Großbritannien
fielen die Niederschlagsmengen meist einstellig aus, nur dort wo der Kern die
Inselgruppe überquert hatte wurden höhere Regensummen gemessen. Aus Gurteen, im Zentrum Irlands wurden 15,3 l/m2
gemeldet, in Wales regnete es in Trawscoed mit 17,4 l/m2
am meisten und in England wurde die höchste Regenmenge von 26,0 l/m2
in Marham in East Anglia festgestellt.
Durch die herangeführte Warmluft konnten an diesem Tag in Westeuropa
erstaunlich hohe Temperaturen erreicht werden: In Paris Le Bourget wurden
maximale 15,6°C und in Bordeaux 16,2°C gemessen. Im äußersten Norden Spaniens
war es sogar noch wärmer: in San Sebastián und in Zumaya
im Baskenland stiegen die Temperaturen knapp über 20°C. In Gijón und Mieres-Baíña in Asturien wurden jeweils fast 21°C erreicht.
An der Südseite des Tiefdruckwirbels STINA wurden sehr milde Meeresluftmassen
subtropischen Ursprungs auch nach Deutschland gelenkt. Deshalb lagen mit
Ausnahme des Nordostteils die Höchsttemperaturen meist im zweistelligen
Bereich. So wurden im Raum Köln/Bonn Maxima von fast 15°C und in Hannover
12,6°C erreicht; in Putbus auf Rügen dagegen nur 4,9°C. Im Berliner Raum stieg
die Temperatur erst im Laufe des Abends an, wobei der Höchstwert von 10,7°C in
Dahlem um 23 Uhr erreicht wurde. Die
Fronten des Tiefs erreichten den Westen Deutschland um die Mittagszeit. Jedoch
kam es schon auf der Vorderseite des Tiefs, also noch bevor sie Deutschland
überquerten, verbreitet zu Niederschlägen. Diese waren vor allem in Luv der Mittelgebirge
besonders intensiv und gingen auch in den Gipfellagen als Regen nieder. So
fielen auf dem Brocken innerhalb von 24 Stunden bis 00 Uhr UTC 42 l/m2
und auf dem Feldberg 55 l/m2. Im Bereich des Harzes machten sich
Lee- und Luv-Effekte bemerkbar: So wurde in Braunlage eine 24-stündige
Niederschlagsmenge von 46 l/m2 gemessen, in Harzgerode
dagegen nur rund 10 l/m2. In Erfurt wurden zeitgleich lediglich 0,9 l/m2
gemessen. Weiter im Osten gingen die Niederschläge dann in Schnee über. So
fielen etwa in Warschau 3 cm Neuschnee und in Suwałki
im äußersten Nordosten Polens sogar 7 cm. Die höchsten Windgeschwindigkeiten
des Tages wurden mit über 100 km/h in Deutschland gemessen. Auf dem Feldberg im
Schwarzwald wurden Orkanböen von 137 km/h registriert, auf dem Brocken und der
Zugspitze sogar über 150 km/h. Auch in den Mittelgebirgen gab es häufig
Windspitzen von rund 100 km/h, wie z.B. auf dem Kahlen Asten im Rothaargebirge
oder dem Weinbiet in Rheinland-Pfalz.
Am 22.12. um 00 Uhr UTC lag das Tief STINA über der südlichen
Ostsee mit einem unveränderten Druck von knapp 995 hPa. Aufgrund der kräftigen
Westwindströmung hatte es das Tief PIA quasi überholt, denn dieses lag nun
nordwestlich von ihm, fast unverändert über dem Norden Schottlands. Östlich des
Zentrums von Tief STINA verlief die Okklusionsfront fast halbkreisförmig über
Frankfurt bis nach München, wo sich nun der Okklusionspunkt befand. Von dort
aus reichte eine kurze Warmfront in südwestliche Richtung bis nach Genua und die
Kaltfront verlief nach Westen quer über Süddeutschland, Nordfrankreich und die
Bretagne bis zur Biskaya. Eine weitere Okklusion reichte nach Nordwesten zum
Kern der Zyklone PIA. Entlang beider Okklusionen fielen bis 06 Uhr UTC des
23.12. 24-stündige Niederschlagsmengen von 5 bis 15 l/m2, im Stau
der Karpaten auch 30 bis 50 l/m2. Auffällig in Deutschland sind die
hohen Regenmengen nordwestlich von Harz und Erzgebirge. Die höchsten
24-stündigen Regenmengen registrierten Kühnheide im
Erzgebirge mit 26,8 l/m2 und der Brocken mit 27,2 l/m2. Ein
zweiter Niederschlagsschwerpunkt erstrecke sich vom nördlichen
Baden-Württemberg bis zum Bayerischen Wald. Hier fielen gebietsweise 15 bis 30 l/m2,
während es etwas weiter nördlich, in Teilen von Rheinland-Pfalz, sogar trocken
blieb. Im Stau des Alpenhauptkamms gab es zeitgleich sogar Niederschlagssummen
bis 117,4 l/m2 auf dem Säntis. Die Okklusionsfront nahm eher den
Charakter einer Kaltfront an: So sank die Temperatur am Abend im Nordosten
Brandenburgs sowie in Mecklenburg-Vorpommern auf Werte von 3 bis 4°C, während
im restlichen Deutschland unter Einfluss milder Meeresluft meist Temperaturen
zwischen 5 und 11°C herrschten. Außerdem blieb es recht windig: Auf dem Brocken
und dem Feldberg wurden jeweils Windspitzen von über 120 km/h gemessen und auch
auf einigen Berggipfeln der südlichen Mittelgebirge erreichten die Böen Geschwindigkeiten
von rund 100 km/h.
Am 23.12. befand sich die Zyklone STINA über Weißrussland,
mit ihrem Zentrum über Minsk und einem Kerndruck von ca. 1000 hPa. Die Fronten
waren nun vollständig okkludiert, d.h. vermischt und die Okklusionsfront
reichte vom Kern des Tiefs in Richtung Südwesten bis zur Slowakei. Von dort aus
verlief sie in nordwestliche Richtung über Tschechien bis Berlin, wo sie in die
Warmfront des Tiefs PIA überging. Des Weiteren verlief eine vorgelagerte Okklusion
mit Warmfrontcharakter von Südfinnland aus in einem Bogen östlich an St.
Petersburg und Moskau vorbei nach Süden und über Wolgograd bis zum Westende des
Kaukasus. Mit Aufzug von Tief STINA kam es in Nordosteuropa zu einer leichten
Frostabschwächung. Bei Temperaturen von 0 bis -5°C traten dafür teils kräftige
Schneefälle auf, so dass 5 bis 15 cm Neuschnee gemessen wurden. In Minsk stieg
die Schneehöhe, welche international einheitlich um 06 UTC bestimmt wird, von 8
auf 16 cm. In Mahiljou, im Osten Weißrusslands, gab
es sogar 11 cm Neuschnee.
Bis Heiligabend hatte sich das Tief weiter südöstlich
verlagert; der Tiefkern konnte um 00 Uhr UTC über dem
Südwesten Russlands, nordwestlich von Wolgograd, verortet werden, wobei er
einen Druck von etwa 1005 hPa aufwies. Die vorgelagerte Front des
Tiefdrucksystems hatte sich aufgelöst und an seinen Kern schloss sich eine kurze
Okklusionsfront in östliche Richtung an. Die Kaltfront reichte nun von dort aus
nach Süden bis zum Schwarzen Meer und die Warmfront in südöstliche Richtung bis
zum äußersten Westen Kasachstans. In der Nacht zu Heiligabend fielen die
Niederschläge entlang der Kaltfront des Tiefs südlich der Don-Ebene meist in
flüssiger Form. Im übrigen Westen Russland schneite es dagegen verbreitet. Im
westgeorgischen Kutaisi wurden 13 l/m2
Regen in 12 Stunden bis 18 Uhr UTC gemessen. Am 1. Weihnachtsfeiertag lag das
Tief STINA nicht mehr im Analysebereich der Berliner Wetterkarte und hatte
deshalb auch keinen Einfluss mehr auf das Wettergeschehen in Europa. Es ist
davon auszugehen, dass sich das Tiefdruckgebiet in den Folgetagen allmählich
auflöste.