Lebensgeschichte

 

 Tiefdruckgebiet SUSANNA

(getauft am 08.02.2016)

 

Am 7. Februar befanden sich große Teile Europas in einem westlichen Strömungsmuster mit einer sehr stark ausgeprägten Höhenströmung. Am Rand des relativ weit im Süden befindlichen Azorenhochs konnten Tiefdrucksysteme von Neufundland aus rasch nach Osten ziehen. So befand sich das ausgeprägte Orkantief RUZICA um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von etwas unter 960 hPa über den zentralen Nordatlantik. Im Laufe des Tages entstand an der Kaltfront des Tiefs eine neue Zyklone. Diese befand sich am 8. Februar um 01Uhr MEZ etwa auf derselben Position wie Tief RUZICA am Vortag, ca. 1500 km südlich von Grönland und 2000 km westlich der Iberischen Halbinsel. Dieses Tief wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen SUSANNA getauft. Der Orkanwirbel RUZICA überquerte zu diesem Zeitpunkt bereits das nördliche Irland. Tief SUSANNA wies eine ca. 1000 km lange Kalt- und Warmfront auf. Diese waren mit dem Frontensystem von RUZICA und einem Tief bei Neufundland verbunden. Das Tief SUSANNA war nur im Bodenniveau ausgeprägt und wies noch keinen zyklonal rotierenden Kern auf. Ein solches Drucksystem bezeichnet man als Wellentief. Der Druck im Kern betrug ca. 1017 hPa und lag damit 4 hPa über den Normaldruck von 1013 hPa.

Die Wetteraktivität blieb am 8. Februar gering. Die Warmfront erreichte am späten Abend den Nordwesten von Portugal und brachte dort geringe Niederschläge. Bis 01 Uhr MEZ am 9. Februar konnten in 6 Stunden in Cabo Vilan 0,4 mm und in Fisterra 0,6 mm registriert werden. Das Wellentief SUSANNA konnte sich im Verlauf etwas vertiefen, wobei sich ein Trog in der Höhe ausbildete, welcher einen Kaltluftvorstoß nach Süden in 5,5 km darstellt. Der Kern mit einem Druck von ca. 998 hPa befand sich über der nördlichen Biskaya. Die Warmfront reichte bis zu den Pyrenäen, die Kaltfront verlief weiterhin über dem Atlantik. Bis zum Tagesende des 9. Februar zog die Zyklone als sogenannter Schnellläufer unter rascher Verstärkung nach Nordosten und bildete eine rotierende Zirkulation um den Kern aus. Dieser befand sich am 10. Februar um 01 Uhr MEZ mit einem Druck von 973 hPa über Mecklenburg-Vorpommern. Ein zweiter Kern konnte sich über den Alpen ausbilden und einen Druck von ca. 993 hPa aufweisen. Die nun relativ kurze Warmfront überquerte am 9. Februar tagsüber Frankreich, die Benelux-Staaten und den Osten Deutschlands. Die Kaltfront reichte im weiteren Verlauf vom Kern über Westpolen, Österreich, Norditalien, Sardinien bis in den Süden Spaniens. Das Einflussgebiet der Zyklone SUSANNA reichte am 9. Februar somit von Deutschland bis Spanien. Besonders entlang der Kaltfront fanden starke Hebungsprozesse statt mit dementsprechenden hohen Niederschlagssummen und starken Windböen. Der Jetstream, ein Starkwindband in der oberen Troposphäre, verlief knapp südlich des Tiefs SUSANNA und reichte von Spanien bis Ostdeutschland. Mit starken konvektiven Umlagerungsprozessen wurden örtlich kräftige Windböen bis in tiefere Lagen gemischt. In Spanien konnten mit dem Kaltfrontdurchgang verbreitet Sturmböen verzeichnet werden. Madrid vermeldete 72 km/h, Barcelona 67 km/h, Fisterra konnte sogar eine orkanartige Böe von 115 km/h registrieren. In der Stadt Estaca de Bares an der spanischen Nordwestküste wurde mit 135 km/h sogar volle Orkanstärke erreicht. Verbunden mit dem Frontendurchgang waren gebietsweise mäßige Regenfälle von 2 bis 20 mm zu beobachten. Besonders in Portugal sowie an der Nordküste von Spanien konnten Starkregenfälle mit 20 bis 50 mm in 24 Stunden gemessen werden. Spitzenreiter war Gueñes in Nordspanien mit 53 mm. Mit Einfließen polarer Luftmassen sank die Temperatur hinter der Kaltfront stark ab. Am Vormittag konnten an der Nordküste von Spanien noch 14 bis 19°C gemessen werden, nach Durchgang der Kaltfront nur noch 8 bis 11°C. Noch markanter verlief der Frontendurchgang in Frankreich. Vorderseitig der Kaltfront wurden 10 bis 13°C gemessen, wie beispielsweise 13°C in Paris. Am Abend konnten dort bei 2°C leichte Schneeschauer gemeldet werden. Verbreitet wurden hohe Windspitzen von 80 bis 126 km/h registriert. In der Bretagne konnten gebietsweise 100 bis 120 km/h erreicht werden, aber auch in Paris wurde es mit Spitzenböen bis 94 km/h sehr stürmisch. Alle Stationen in Frankreich konnten an diesem Tag Niederschlag registrieren, diese lagen meist im 2-stelligen Bereich von 10 bis 35 mm. Paris vermeldete 11 mm, Brest 29 mm und Lannion 34 mm. In Deutschland griffen die Regenfälle am Morgen aus Südwesten über und verlagerten sich weiter nach Nordosten. Über der Eifel und dem Sauerland sowie von Baden-Württemberg bis nach Thüringen konnten sich Gewitter ausbilden, welche hohe Regenmengen brachten. Im Saarland brachten diese bis 16 Uhr MEZ 3-stündig 15 bis 25 mm und sorgten für lokale Überflutungen. Allgemein konnten von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg sowie westlich davon 10 bis 30 mm in 24 Stunden registriert werden. Spitzenreiter war das saarländische Tholey mit 36,7 mm. Mit der Winddrehung auf Nordwest sank die Temperatur teilweise in einer Stunde um 5 Grad ab. Im westlichen Nordrhein-Westfalen setzten bei Werten um den Gefrierpunkt am Abend starke Schneefälle ein, welche sich nach Nordosten verlagerten. Hamburg und Münster konnten eine Schneedecke von 1 cm melden, Bremen sogar 2 cm. In nahezu ganz Deutschland wurden Sturmböen von 65 bis 106 km/h verzeichnet. Potsdam registrierte 97 km/h, Trier 101 km/h, Ingolstadt 106 km/h, der Brocken 143 km/h und die Zugspitze 145 km/h.

Bis zum Tagesende am 10. Februar zog das Tief SUSANNA weiter nach Nordosten. Erneut kam es entlang der Luftmassengrenze in großen Gebieten zu ergiebigen Regenfällen. In einem breiten Streifen von Ostpolen über Tschechien, Österreich, Ungarn bis Albanien fielen 5 bis 25 mm. So konnte in Warschau 10 mm, in Linz 16 mm, in Budapest 19 mm, in Sarajevo 11 mm und in Split ebenfalls 16 mm gemessen werden. Besonders im Stau von Gebirgen und in der Slowakei sowie in Montenegro fielen 24-stündig stellenweise über 30 mm. Spitzenreiter waren Niksic in Montenegro mit 56 mm und Kaschau in der Slowakei mit 76 mm. In den Morgenstunden konnte es im Osten von Polen bei 0°C kurzzeitig schneien. Krakau konnte 1 cm, Warschau sogar 4 cm Neuschnee vermelden. Tagsüber wurden in der eingeflossenen Polarluft dort 2 bis 5°C erreicht, am Vortag lagen die Höchstwerte noch bei 7 bis 11°C. In den anderen Gebieten mit Regenfällen wurden meist 6 bis 12°C gemessen, mit den milderen Temperaturen im Süden. Dort konnten am Vortag Spitzenwerte von 18°C nahe Belgrad verzeichnet werden. Vorderseitig von Tief SUSANNA wurde milde Luft weit nach Norden geführt. Selbst an der russischen Eismeerküste konnten Plusgrade gemessen werden, wie in Murmansk mit 2°C. Erneut wurden gebietsweise Sturmböen gemessen, wenn auch nicht mehr so verbreitet wie am Vortag. Spitzenreiter war die rumänische Stadt Vrsac mit 108 km/h, ansonsten blieb es meist unter 85 km/h.

Bis zum 11. Februar teilte sich das Tief SUSANNA in zwei Kerne auf. Um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief SUSANNA I zwischen Stockholm und Helsinki über der Ostsee. Der Wirbel SUSANNA II wurde hingegen über dem westlichen Weißrussland und der westlichen Ukraine analysiert. Beide Kerne wiesen einen Druck von ca. 988 hPa auf. Jeweils nördlich der Kerne wurde eine Warmfront analysiert und südlich davon eine Kaltfront. Damit erstreckte sich das recht komplexe Frontensystem von Tief SUSANNA vom Nordkap bis Athen über knapp 3800 km. Erneut wurden teils ergiebige stratiforme Niederschläge ausgelöst. Dieser niederschlagsreiche Streifen entlang der Fronten reichte von Finnland über die baltischen Staaten, Weißrussland, die Ukraine bis über die westliche Türkei. Meist wurden 5 bis 15 mm, stellenweise knapp über 20 mm registriert. Dabei fiel der Niederschlag in Finnland als Schnee, in den baltischen Staaten, in Weißrussland und im Norden der Ukraine am Morgen ebenfalls als Schnee, später meist als Regen oder Schneeregen. Tallinn konnte um 07 Uhr MEZ 6 cm, Wilna 7 cm, Minsk 6 cm und Kiew 8 cm als Schneedecke vermelden. Die Höchstwerte der Temperatur erreichten in Finnland meist 0°C, sonst lagen sie im positiven Bereich von 1 bis 4°C, wodurch sich leichtes Tauwetter einstellte. Westlich des Frontensystems konnte sich die Luft wieder auf 5 bis 8°C erwärmen. Stärkere Windböen blieben aus, nur im westlichen Russland baute sich ein Druckgradient zu einem Hoch über Sibirien auf, sodass dort verbreitet Windböen von 50 bis 65 km/h auftraten.

In der Folge vereinigten sich die beiden Tiefdruckkerne erneut. Am 12. Februar um 01 Uhr MEZ befand sich der Hauptkern von Tief SUSANNA nahezu unverändert knapp südlich von Helsinki mit einem Druck von ca. 993 hPa. Die Warmfront reichte dabei bis zum Nordkap, die Okklusion von Tallinn über Westrussland bis zum Schwarzen Meer. Da die Kaltfront eine höhere Zuggeschwindigkeit als die Warmfront aufweist, entsteht bei der Vereinigung jener eine Mischfront, welche man als Okklusion bezeichnet. Das Wetter präsentierte sich damit ähnlich wie am Vortag, der Niederschlagsschwerpunkt verschob sich dabei nach Norden. Von Finnland bis zu den baltischen Staaten konnten 5 bis knapp 20 mm gemessen werden, sonst meist 0,1 bis 4 mm. In Finnland fiel erneut Schnee, in Estland zeitweise Schnee, sonst meist Regen oder Schneeregen. Dabei kam es in Finnland zu einem erheblichen Neuschneezuwachs. So meldete das nordfinnische Sodankylä 96 cm Schnee und damit 15 cm mehr als am Vortag. Auch in Helsinki konnte sich eine Schneedecke von 10 cm ausbilden. Die Höchstwerte erreichten ähnliche Werte wie am Vortag. Leichter Dauerfrost stellte sich teilweise östlich von Moskau sowie in Schweden und Norwegen mit einer nun nördlichen Strömung ein. Ungewöhnlich mild blieb es an der Küste der Barentssee. In Narjan-Mar wurden ein Minimum von 1°C und ein Maximum von 2°C gemessen. Die durchschnittliche Tiefsttemperatur in dieser Region liegt normalerweise im Februar bei -22°C. Grund dafür war der ausgeprägte Trog von Tief SUSANNA, der vorderseitig Mittelmeerluft bis an das Eismeer transportieren konnte. Indirekt beeinflusste das Tief SUSANNA weite Teile Europas mit der eingeflossenen feuchten Polarluft. In Deutschland stellte sich bei 3 bis 7°C leicht wechselhaftes Schauerwetter ein. In der Nacht konnte verbreitet leichter Frost auftreten, der erste Frosttag im bis dahin sehr milden Februar.

Am 13. Februar um 01 Uhr MEZ befand sich die Zyklone SUSANNA mit unverändertem Druck knapp westlich von Helsinki. Eine neue schwache Kaltfront bildete sich aus und erstreckte sich entlang der Ostseeküste Polens und Deutschlands. Diese brachte aber nur geringe Niederschläge mit sich. Die Warmfront befand sich weiterhin über Finnland bis zur Insel Nowaja Semlja, die Okklusion bogenförmig über Westrussland bis zum Schwarzen Meer. Erneut konnten in Finnland und dem östlichen Norwegen 5 bis 20 mm 24-stündig gemessen werden. 72-stündig wurden in Finnland sogar 20 bis 40 mm registriert, wovon nahezu alles in fester Form fiel. In den baltischen Staaten, Westrussland, Weißrussland und in der Ukraine wurden 1 bis 5 mm gemessen. Westlich des Kerns floss mit nördlichen Komponenten Kaltluft ein, sodass sich in Norwegen, Schweden und dem westlichen Finnland Dauerfrost von -5 bis ‑1°C einstellte. Erneut konnte die Schneedecke wachsen, Helsinki vermeldete beispielsweise 16 cm. Östlich des Kerns stellte sich dagegen eine Südströmung ein, sodass es in Polen, Westrussland, den baltischen Staaten, Weißrussland und der Ukraine Höchstwerte von 1 bis 5°C gab.

Im Tagesverlauf bildete sich über der Südspitze Norwegens ein schwaches Hochdruckgebiet aus. Dadurch füllte sich das Tief SUSANNA rasch auf und löste sich mit all seinen Fronten bis zum Abend komplett auf, sodass der Wirbel SUSANNA nicht weiter auf den Karten analysiert werden konnte.

 

 

Geschrieben am 12.05.2016 von Dennis Schneider

Berliner Wetterkarte: 09.02.2016

Pate: Susanna Ebner