Lebensgeschichte

 

 Tiefdruckgebiet THANANONT

(getauft am 16.06.2021)

 

Mitte Juni dominierte in der mittleren Troposphäre, also der Schicht der Atmosphäre, die für unser Wettergeschehen relevant ist, ein sogenannter Keil (Warmluftvorstoß nach Norden) mit hohem Luftdruck über Westeuropa, während sich über dem Nordatlantik ein sogenannter Trog (Kaltluftvorstoß nach Süden) mit tiefem Luftdruck befand. Vorderseitig dieses Trogs wurde warme Luft aus Südwest nach Nordost transportiert und füllte dort die beiden vom Keil gestützten bodennahen Hochdruckgebiete ZOE und YONA, welche sich zu einer Hochdruckbrücke über Deutschland und dem Alpenraum zusammengeschlossen hatten. Der Trog hingegen stützte ein namenloses Tief nördlich der Britischen Inseln und das Tief STEFAN, welches sich zentriert über der Iberischen Halbinsel befand. Zu diesem Zeitpunkt besaß STEFAN noch nicht das für ein Tief übliche Frontensystem, bestehend aus Warm- und Kaltfront sowie zum fortgeschrittenen Zeitpunkt eine Okklusion, also ein Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront.

 

Da sich abzeichnete, dass sich ab dem 17.06.2021 eine ausgedehnte Luftmassengrenze von Norwegen über Frankreich bis nach Portugal erstrecken sollte, an welcher das Tief STEFAN nordostwärts wandern, sich über Frankreich als eine Wellenstörung bemerkbar machen und sich an einer weiteren Wellenstörung über der Iberischen Halbinsel ein neues Tief bilden würde, wurde dieses neue Tief in Prognose auf den Folgetag auf dem Namen THANANONT getauft.

Wie von den Meteorologen prognostiziert erschien Tief THANANONT erstmals am 17.06. auf der Berliner Wetterkarte. Dabei lag der Kerndruck bei etwa 1010 hPa, also nur minimal unterhalb des Normaldrucks von ca. 1013 hPa. Der bereits angesprochene Trog verlagerte sich unter Amplifizierung leicht nach Osten. Vorderseitig steilte die Strömung weiter auf, sodass nun direkt aus Süden kontinentale tropische Luftmassen nach Europa geführt wurden. Diese Luftmassen zeichnen sich besonders durch Trockenheit und hohe Temperaturen aus. Ersteres ist auf dem Satellitenbild gut zu erkennen: Über Deutschland und Italien zeigten sich nahezu keine Wolken, während sich an kräftiges Wolkenband an der Luftmassengrenze entwickelt hat. Die Wetterlage führte außerdem zu einer Hitzewelle, welche sich in Maximaltemperaturen von 34,7°C in Berlin-Tempelhof und von 34,8°C in Königs-Wusterhausen äußerte. Sogar bis in den äußersten Norden Deutschlands wurde ein Heißer Tag, also eine Maximaltemperatur von mindestens 30°C erreicht. Diese Wetterlage dauerte so noch ein paar Tage an, da sie relativ stabil war. Das Hoch über Mitteleuropa wurde nicht nur von den Tiefs THANANONT und STEFAN im Südwesten flankiert, sondern auch von einem über dem Schwarzen Meer. Solche Luftdruckkonstellationen werden als Omega-Wetterlagen bezeichnet, da sie dem griechischen Buchstaben Omega ähneln. Sie zeichnen sich eben genau durch Stationarität aus. In diesem Fall allerdings überwog die Kraft der westlich gelegenen Tiefs, sodass diese Asymmetrie zu einer wenn auch langsamen Verlagerung des Systems gen Osten führte.

 

Abb. 1: Satellitenbild von der NASA, 17.06.2021 tagsüber, Quelle: https://worldview.earthdata.nasa.gov

 

 

Zum Folgetag, dem 18.06.2021, verlagerte sich das Tief THANANONT nordostwärts und nahm etwa die Position von STEFAN am Vortag um 00 UTC (02 Uhr MESZ) ein. Die Luftmassengrenze erstreckte sich weiterhin von Norwegen über Frankreich bis nach Spanien und bewegte sich nur leicht ostwärts. Diese Luftmassengrenze ist gut an den Maximaltemperaturen erkennbar. So wurden östlich der Luftmassengrenze in Lyon 32°C, in Ettelbréck 31,7°C und in Waghäusel-Kirrlach 36,2°C als Höchsttemperatur erreicht. Im Westen Frankreichs hingegen lag die Höchsttemperatur im Rennes bei 18°C und in Nantes bei 22°C, also um mehr als 10 Kelvin niedriger. Die Luftmassengrenze war auch für reges Wettergeschehen verantwortlich. Postfrontal kam es zu teils heftigen Gewittern und Schauern, welche sich vereinzelt zu organisierten Systemen, s.g. MCSs, vereinigten. In Interlaken in der Schweiz wurden dabei orographisch bedingt zwischen 19 und 20 Uhr MESZ 44,1 mm Niederschlag, in Dünkirchen an französisch-belgischen Grenze immerhin 35 mm gemessen.

 

Zum 19.06. verlagerte sich das Tief THANANONT weiter nordostwärts. Dabei bildete es nun ein wirklich eigenständiges Frontensystem aus, welches weiterhin mit der nun mehr und mehr verwellenden Luftmassengrenze verknüpft war. Das Tiefdruckzentrum lag mit einem Kerndruck von weiterhin um 1010 hPa über der Nordsee, von wo aus sich die Warmfront nach Nordosten bis nach Schweden erstreckte, die Kaltfront in einem Bogen über die Niederlande, Teile Westdeutschlands bis nach Frankreich reichte und die Okklusionsfront nach Südwesten verlief und den Nordwesten Frankreichs im Griff hatte. Die Okklusionsfront brachte dabei Châteaudun 24 mm und Paris Orly 20 mm Niederschlag. An der immer noch bis nach Spanien reichenden Luftmassengrenze hatte sich derweil ein weiteres Tief namens ULFERT gebildet, was sich am 19.06. um 00 UTC über den Pyrenäen befand und zugleich vorderseitig eines abgetropften Höhentiefs, welches sich westlich der portugiesischen Atlantikküste aufhielt, während sich der Trog bis nach Irland zurückgezogen hatte.

 

Am 20.06. um 00 UTC lag der Kern von Tief THANANONT über Südnorwegen. Von dort aus erstreckte sich die Warmfront über Finnland nach Russland, wo sie westlich von Perm in die Kaltfront des Tiefs STEFAN überging. Die Kaltfront von Tief THANANONT verlief über Schweden bis nach Polen, wo sie an der Grenze zu Deutschland in die Warmfront des nachfolgenden Tiefs ULFERT überlief. Die Okklusionsfront erstreckte sich über Südnorwegen bis zur Nordsee. Entlang der Kaltfront bildeten sich dabei Schauer, die in Gorzów Wielkopolski zwischen 18 und 19 Uhr MESZ 10 mm Niederschlag verursachten. Die Kaltfront des nachfolgenden Tiefs ULFERT brachte Südwestdeutschland und der Schweiz noch höhere Regenmengen. In Bonndorf im Schwarzwald wurden bspw. zwischen 18 und 19 Uhr MESZ 46,8 mm Niederschlag registriert und in Würenlingen eine Stunde zuvor 35,8 mm. Dabei gab es auch einige starke Windböen, so wurden bspw. in Colmar-Meyenheim 26,8 m/s um 20 Uhr MESZ gemessen. Das Frontensystem der Zyklone THANANONT wirkte sich auch stark auf die Temperaturen in Südskandinavien aus. Im Süden Finnlands wurde verbreitet ein Heißer Tag erreicht, z.B. am Flughafen Helsinki-Vantaa 30,7°C und in Tampere 30,2°C. In Zentralschweden hingegen wurden überwiegend nicht mal 15°C als Maximaltemperatur gemessen, Östersund meldete z.B. 13°C als Höchstwert.

 

Zum 21.06. folgte das Tief THANANONT weiter seinem Vorgänger STEFAN und erreichte um 00 UTC etwa Archangelsk. Von dort aus erstreckte sich die Warmfront nun südostwärts und die Kaltfront westwärts, wo sie über Finnland bereits in die  Warmfront von Tief ULFERT überging, welches sich nun seinerseits über Südnorwegen befand. Hinter Tief ULFERT befanden sich noch zwei weitere Tiefs, nämlich VOLKER und WOLFGANG, welche sich ebenfalls an der Luftmassengrenze vorderseitig des Höhentrogs gebildet hatten. An deren Frontensystem kam es in Südwestdeutschland erneut zu starken Niederschlägen. Aber auch die Kaltfront von Tief THANANONT bescherte dem Norden Finnlands ordentlich Niederschlag. Am Flughafen von Rovaniemi wurden innerhalb von 12 Stunden 65 mm und im benachbarten Rovaniemi Apukka 51,3 mm gemessen.

Am 22.06. um 00 UTC befand sich das Tief THANANONT nun kurz vor dem Ural. Auch die gesamte Luftmassengrenze, die noch immer das Wettergeschehen über Mitteleuropa bestimmte, verlagerte sich ostwärts angetrieben durch den ebenfalls nach Osten wandernden Trog. Im Warmsektor, also hinter der Warmfront von Tief THANANONT, befand sich das langlebige Hoch ZOE, welches nun auch Weißrussland, dem Baltikum und Südfinnland Hitzetage bescherte. So wurden in Gomel bspw. 35°C und in Schlobin 35,7°C als Maximaltemperatur gemessen. Da sich der Trog nun immer weiter nach Osten verlagerte, konnte das Tief THANANONT ab dem 23.06. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.