Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet THEKLA

(getauft am 29.06.2020)

 

Ende Juni 2020 verlagerte sich ein Tiefdruckgebiet vom Nordosten Nordamerikas über den Atlantik in Richtung Europa. Am 29.06. befand es sich auf der Berliner Wetterkarte um 02 Uhr MESZ mit einem Kerndruck von knapp unter 1010 hPa etwa 2000 km östlich von Neufundland auf dem gleichen Breitengrad wie Dublin. Da dem Tief sowohl eine rapide Entwicklung als auch eine rasche Verlagerung aufgrund der ausgeprägten Westwinddrift prognostiziert wurde, wodurch das Wettergeschehen in Europa maßgeblich beeinflusst werden sollte, erhielt die Zyklone von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte in der Analysekarte den Namen THEKLA. Das Frontensystem bestand dabei zu diesem Zeitpunkt aus einer kurzen, nach Westen reichenden Okklusion. Bereits am Nachmittag des vorherigen Tages hatte die schneller ziehende Kaltfront begonnen, die vorlaufende Warmfront am sogenannten Okklusionspunkt einzuholen, wobei mit der sogenannten Okklusion eine Mischfront mit Eigenschaften beider Frontentypen entstand. Von dem Okklusionspunkt verlief die übrige Warmfront nach Südosten und endete 1000 km westlich der Iberischen Halbinsel in der Kaltfront von Tief SYLVIA über Nordwestschottland. Die zum Tief THEKLA dazugehörige Kaltfront erstreckte sich von deren Okklusionspunkt nach Südwesten und ging vor der nordamerikanischen Küste in die Warmfront eines unbenannten Tiefs über der Halbinsel Nova Scotia über. Am Abend und in der Nacht zum 30.06. erreichten bereits die ersten Ausläufer der Okklusion den Südwesten Irlands und von der Warmfront Westfrankreich. In einigen Orten Südirlands wurde daher innerhalb von 12 Stunden etwas Regen registriert wie in der Universitätsstadt Cork mit 0,9 l/m² oder auf der Sherkin Island mit 2,0 l/m². Auch weiter im Norden fielen geringe Niederschlagsmengen, welche jedoch nicht dem Frontensystem von Tief THEKLA, sondern der über Schottland liegenden Zyklone SILVIA I zugeordnet werden konnten. Zudem frischte bei Nachttemperaturen zwischen 9 und 11°C der Wind böig auf.

Am Tag nach der Taufe lag das Tief THEKLA mit einem Kerndruck von weiterhin unter 1010 hPa 700 km westlich der irischen Küste. Die Okklusion hatte sich erheblich ausgeweitet. Im Tagesverlauf überquerte das Tiefdruckzentrum sowohl Irland als auch Wales.  Zeitgleich war die Warmfront für die Beneluxländer und Westdeutschland wetterbstimmend, wohingegen die Kaltfront Nordfrankreich beeinflusste. Insbesondere an den Küsten rund um den Ärmelkanal sowie an der Nordseeküste Deutschlands fielen im Tagesverlauf an mehreren Stationen meistens einstellige Niederschlagssummen. In Amsterdam und Umgebung betrug die Regenmenge bis zum Abend 12-stündig 10,0 l/m². Am späten Abend und in der Nacht intensivierte sich der Niederschlag in den Beneluxländern und Westdeutschland, sodass am frühen Morgen des 01.07. in direkter Nähe zu Brüssel um 08 Uhr MESZ 31,0 l/m² vermerkt wurden. Des Weiteren wurden in der Region um Wuppertal bei Tiefstwerten von 12 bis 15°C 18,9 l/m² gemessen. Der Wind blieb vergleichsweise ruhig, lediglich an der Küste wehte der Wind immer wieder mit 6 bis maximal 7 Beaufort. Die höchste Windböe wurde auf dem exponierten Brocken im Harz mit knapp 90 km/h verortet.

Am Julianfang erstreckte sich das Tief THEKLA mit einem Druck von unter 1005 hPa über Wales. Nachdem die Luft aufgrund der zunehmenden Bewölkung über Nacht kaum abgekühlt war, herrschten in den Beneluxländer Minimumtemperaturen von ca. 17°C. An diesem Tag gab es zwei Regionen, welche besonders durch signifikante Wetterzustände hervorstachen. In Nordwestdeutschland zog sich ein Niederschlagsband vom Ruhrgebiet um Essen und Düsseldorf bis nach Magdeburg.  Hierbei handelte es sich vor allem um konvektive Schauer- und Gewitterniederschläge, welche am Mittag und Nachmittag auftraten und meist auf einen kleinen Zeitraum begrenzt waren. Allerdings war insbesondere der südliche Teil des Niederschlagsbands auch durch anhaltende advektive Niederschläge gekennzeichnet, sodass beide Niederschlagstypen vorhanden waren. Die größte 12-stündige Niederschlagssumme war in Borken in Westfalen verortet mit 39,1 l/m², wobei zwischen 12 und 13 Uhr MESZ alleine 18 l/m² registriert wurden. Das andere Gebiet, auf welches sich fokussiert wird, erstreckt sich von Südbayern bis nach Österreich. Dort waren die Niederschlagsarten eindeutiger rekonstruierbar, da es sich oftmals um kurze und starke Gewitterschauer handelte. In Murau, welches in der Steiermark liegt, registrierte die Station 41 l/m² innerhalb einer Stunde durch ein starkes Gewitter, welches den Ort überquerte. Ähnliches galt auch für den Achensee, wo über 90 Minuten verteilt 43 l/m² fielen. Des Weiteren sorgte die kühle Westströmung in Norddeutschland dafür, dass es ein starkes Temperaturgefälle zwischen der Nord- und Südhälfte gab. Während in der Südhälfte verbreitet bis zu 30°C erreicht wurden, stiegen die Temperaturen zum Teil in Norddeutschland gerade mal nur auf knapp 20°C, teilweise auch darunter.

Bis zum 02.07. verlagerte sich die Zyklone THEKLA bis zum südlichen Grenzgebiet zwischen Schweden und Norwegen mit einem Druck von unter 1000 hPa. Das Frontensystem hatte sich mit dem Tief ULRIKE über dem Norden Norwegens verknüpft und nahm außerdem ein wellendes, unbenanntes Tief südlich davon im Tagesverlauf mit in ihr System auf, sodass am Vor- und Nachmittag dessen Kaltfront über der Südhälfte Deutschlands, Frankreich sowie der Iberischen Halbinsel analysiert werden konnte. In Folge dessen registrierten zahlreiche Stationen entlang der Kaltfront diverse Niederschlagsmeldungen. Im bayerischen Steingaden-Lauterbach verursachte ein starkes Gewitter lokal 72,9 l/m² innerhalb von 90 Minuten. An den umliegenden Stationen wie Holzkirchen, Schlehdorf und Ottobeuren, welche ebenfalls in der Zugrichtung des Gewitters lagen, fielen über 30 l/m². Weitere Starkniederschläge wurden am Lac d'Émosson, einem Stausee auf 1900 m Höhe im Westen des Kantons Wallis in der Schweiz, verortet. Dort vermerkte die Station auf Grund der orographisch bedingten Hebung 54,6 l/m² zwischen 16 und 18 Uhr MESZ, wobei an den Nachbarstationen nur wenige Liter gemessen wurden, was einmal mehr zeigt wie kleinräumig Gewittersysteme auftreten können und wie sich die orographische Lage auf diese auswirkt. Das gleiche Phänomen mit den größeren Niederschlägen im Gebirgsraum trat auch in den östlichen Pyrenäen auf, wo 25 l/m² auf den Bergen bzw. Gletschern Ulldeter und MollóFabert vermerkt wurden. Der größte Niederschlagswert trat allerdings etwas südlicher in der katalanischen Stadt Girona mit 58 l/m² innerhalb einer Stunde auf. Des Weiteren sorgte die kühle atlantische Luft für eine deutliche Abkühlung bis nach Südfrankreich, sodass dort nur noch 20°C erreicht wurden. Im Vergleich zum Vortag sank die Temperatur um verbreitet 5 Kelvin. Dazu frischte der Wind auf einigen Erhebungen Südfrankreichs, in den Pyrenäen und den südlichen Alpen auf. Auf dem Mont Aigoual in Südfrankreich wehte der Wind mit 96,3 km/h. Zeitgleich wurden am spanischen Küstenort Portbou 93 km/h gemessen.

Am nächsten Tag befand sich der Wirbel THEKLA mit gleichbleibendem Kerndruck über dem Bottnischen Meerbusen. Hierbei hatte sich ein Teil der Kaltfront weiter nach Osten verlagert und überquerte die osteuropäischen Länder und war wie an den Vortagen für diese Gegenden wetterbestimmend in Form von einigen Schauern und Gewittern. In der rumänischen Stadt Rădăuți verursachte ein Gewitter am Nachmittag 69 l/m² innerhalb von 2 Stunden. Weiter nördlich in Slawgorod und Słowin sowie weiter westlich im slowakischen Ort Košice und in der Hauptstadt der ungarischen nördlichen Großen Tiefebene Debrecen wurden 35 bis 40 l/m² gemessen. Zusätzlich erstreckte sich der südliche Teil der Kaltfront horizontal über die Südalpen, wobei dort mehrere kleinräumige Tiefdruckgebiete durch Störungen entstanden sind. Da sich dieser Teil der Kaltfront nur langsam fortbewegte, waren einige Regionen dort durch anhaltendende Starkniederschläge geprägt. Am Nachmittag und Abend bildeten sich zahlreiche Gewitter über Norditalien, welche beispielsweise in Asti 57 l/m² innerhalb eines kurzen Zeitraums produzierten. In der Nacht verlagerten sich die Gewitter weiter nach Süden unter stetiger Verstärkung, was in der Provinz Reggio Emilia unwetterartige Niederschläge mit über 100 l/m² brachte. In Castelnovo di Sotto, eine italienische Gemeinde in jener Provinz, betrug die Niederschlagsintensität zwischen 1 und 2 Uhr MESZ beispielsweise 70 l/m².

An den nachfolgenden zwei Tagen verlagerte sich das Tief THEKLA über Norwegen hinweg bis zum Nordmeer. Gleichzeitig bewegte sich die Kaltfront immer weiter nach Osten, sodass diese nicht mehr wetterbestimmend für den mitteleuropäischen Raum war. Im Tagesverlauf des 05.07. schwächte sich der Wirbel THEKLA schließlich stetig ab und löste sich letztendlich vollständig auf, weshalb es auf der Analysekarte des 06.07. nicht mehr benannt werden konnte.