Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
THILO
(getauft
am 14.10.2019)
Am 13.10.2019
bildete sich über der Labradorsee westlich von Grönland ein Tiefdruckgebiet,
welches in den folgenden Stunden unter deutlicher Verstärkung nach Südosten
weiterzog. Am 14.10.2019 wurde es dann
von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen THILO getauft. Zu
diesem Zeitpunkt war das Tief bereits in Richtung Island weitergezogen, wobei
sich im Bereich des Tiefzentrums, in dem ein Luftdruck von knapp unter 985 hPa
gemessen wurde, eine Okklusion gebildet hatte. In der Meteorologie bezeichnet
eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront,
die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die
vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront
zusammenlaufen, heißt Okklusionspunkt. Im weiteren Tagesverlauf des 14.10. zog
das Tief THILO in südöstliche Richtung weiter und verstärkte sich dabei zu
einem schweren Sturmtief. Die Niederschläge entlang der Fronten des Tiefs
traten jedoch noch ausschließlich über dem Nordatlantik auf.
Bis 01 Uhr
Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) des 15.10. hatte sich das Zentrum des Tiefs THILO
bis etwa 1000 km südwestlich von Island verlagert, der tiefste auftretende
Luftdruck betrug etwa 975 hPa. Vom Kern des Tiefs ausgehend verlief die
Okklusion im Uhrzeigersinn um diesen herum und spaltete sich über dem
Nordatlantik in die bis westlich der Azoren reichende Warmfront und die weiter
nach Westen verlaufende Kaltfront. In der zweiten Nachthälfte erreichten die
Niederschläge entlang der Okklusion die Westküste Islands, hier traten auch
schon erste Sturmböen auf, später wurden an den Küsten Böen über 100 km/h
gemessen. Die Fronten des Tiefdruckwirbels breiteten sich bis zum Mittag immer
weiter ostwärts aus, der Kern des Tiefs verblieb hingegen fast stationär, was
dazu führte, dass die räumliche Ausdehnung des Tiefs THILO zunahm. In den
Nachmittags- und Abendstunden begann es von Westen her in Irland und
Großbritannien zu regnen. Am späten Abend wurde auch der Nordwesten Frankreichs
und Spaniens erfasst. Größere Niederschlagssummen traten in diesen Regionen
aber noch nicht auf.
Zu Tagesanbruch des 16.10.2019 befand sich das
Zentrum des Tiefdruckwirbels weiterhin südwestlich von Island, wobei der
Luftdruck nochmals auf unter 970 hPa gesunken war. Die Okklusion verlief
zunächst bogenförmig nach Norden bis zur isländischen Hauptstadt Reykjavik und
von dort aus nach Südosten über Irland hinweg bis zum Ärmelkanal. Die noch
kurze Warmfront erstreckte sich über Nordfrankreich und die Biskaya, die
Kaltfront reichte nach Westen bis nördlich der Azoren. Weiterhin zogen stärkere
Niederschlagsgebiete von Süden her nach Island, und auch über Großbritannien,
dem Norden Frankreichs sowie dem Nordwesten Spaniens intensivierte sich der
Regen. So wurden um 07 Uhr MEZ im spanischen Padrón
17,0 mm innerhalb der vorangegangenen 12 Stunden gemessen, im französischen
Quimper 23,0 mm und im englischen Plymouth 12,0 mm. Auf der Vulkaninselgruppe Vestmannaeyjar an der südlichen isländischen Küste wurden in 24
Stunden sogar 37,0 mm registriert. Am Vormittag zogen die Okklusion und
Warmfront des Tiefs THILO über Großbritannien und den Norden Frankreichs
hinweg, das Zentrum des Tiefs verlagerte sich hingegen nur langsam nach Osten
weiter. Besonders von der Bretagne bis nach Belgien regnete es kräftiger, hier
traten auch einzelne Sturmböen auf, wie in St. Nazaire, wo Böen bis 83 km/h
gemessen wurden. Zum Nachmittag überquerte dann die nachfolgende Kaltfront von
West nach Ost weite Teile Frankreichs und sorgte auch für starke Niederschläge
im Norden und Westen der iberischen Halbinsel. Hier fielen innerhalb weniger
Stunden regional bis zu 50 mm Regen. Zum späteren Abend erreichten die
Niederschläge dann auch den Westen Deutschlands. Östlich von Schottland bildete
sich zudem ein weiterer Tiefdruckkern innerhalb des Tiefdruckkomplex THILO aus.
Dieser wurde nachfolgend als THILO II bezeichnet, während das weiter westlich
gelegene Tief die Bezeichnung THILO I trug.
Um 01 Uhr MEZ
des 17.10. befand sich das Zentrum von Tief THILO I westlich von Irland mit
einem wieder leicht gestiegenen Luftdruck von etwas unter 980 hPa. Das Zentrum
THILO II mit einem Druck von 997 hPa zog derweil über die Nordsee. Die
Okklusion hatte sich mittlerweile mehrfach um den Kern THILO I geschlungen und
reichte dann bis zur Nordsee, von wo aus die Warmfront
über Norddeutschland und die Kaltfront über die Beneluxstaaten, Frankreich und Nordspanien
verlief. Im weiteren Verlauf der Nacht regnete es im Norden Spaniens und
Portugals kräftig weiter und auch über Norddeutschland und dem Süden
Skandinaviens sorgte die Warmfront für einige Niederschläge. Zum frühen Morgen
erreichte die Kaltfront mit einigen stärkeren Schauern Baden-Württemberg und
das Rheinland. Bis 07 Uhr MEZ kam im portugiesischen Chafé
die unwetterartige 24-stündige Niederschlagssumme von 101,9 mm zusammen, in der
französischen Stadt Rennes wurden 28,3 mm gemessen und in Elsenborn an der
belgisch-deutschen Grenze 14,0 mm. Der Tiefdruckkomplex THILO verlagerte sich
nun immer weiter ostwärts, wobei nochmals stärkere Niederschläge über
Frankreich hinwegzogen. Da auf der Vorderseite des Tiefs im Bereich zwischen
Warm- und Kaltfront warme Subtropikluft nach Norden strömen konnte, stieg die
Tageshöchsttemperatur in Deutschland nochmal regional auf über 20°C, wie in
München und Freiburg, wo jeweils bis 20,9°C gemessen wurden. Auf der Rückseite
des Tiefs, in kühler maritimer Polarluft, hingegen entwickelten sich zahlreiche
Schauer und Gewitter, welche ab dem Mittag über Großbritannien und Frankreich
zogen. Zum Abend bildete sich im Bereich des Okklusionspunkts über dem Süden
Norwegens sogar ein drittes Tiefzentrum, welches dann den Namen THILO III trug.
Bis zum
frühen Morgen war der Kern THILO I vor die westliche irische Küste gezogen, der
Luftdruck war weiter angestiegen und betrug nun etwa 987 hPa. Von dort aus
erstreckte sich die Okklusion über Schottland und die Nordsee bis nach Spanien,
über England war zudem eine sekundäre Okklusion entstanden. Der Kern THILO II
war weiter nach Norden gezogen, von wo aus eine weitere
Okklusion über Skandinavien nach Südschweden verlief, wo sich auch der
Kern THILO III befand. Die Warmfront zog zu dieser Zeit nordwärts über die
Ostsee, die Kaltfront hatte den Osten Deutschlands erreicht. Hier und auch über
dem Süden Englands regnete es noch ergiebiger, sonst fielen die Niederschläge
meist schwach aus. Die höchste 24-stündige Niederschlagssumme wurde erneut aus
Portugal, diesmal aber aus der Stadt Viseu gemeldet
und betrug 44,6 mm. Auf Thorney Island nahe der
Hafenstadt Portsmouth wurden 22,6 mm gemessen, in Braunlage im Harz 14,2 mm.
Die Tiefdruckwirbel THILO erstreckte sich nun über weite Teile West- und
Mitteleuropas und war auch in der 500-hPa-Höhenwetterkarte als kräftiger
Tiefdrucktrog erkennbar. Im Verlauf des Vormittags des 18.10. bildete sich über
Nordfrankreich ein Schauerlinie, die zügig nach Deutschland weiterzog und sich
dabei rasch verstärkte. Schon in Paris wurden mit Durchzug der Schauer
Sturmböen bis 83 km/h gemessen, am Nachmittag bei Gewittern in Düsseldorf mit
97 km/h und in Belm mit 94 km/h auch schwere
Sturmböen. Aufgrund der schnellen Zuggeschwindigkeit der Schauer- und
Gewitterlinie fielen jedoch keine größeren Niederschlagssummen. Während der
Kern THILO I am Abend über Irland hinweg nach Großbritannien zog, lösten sich
die Kerne THILO II und THILO III wieder auf. Am späteren Abend bildete sich
jedoch an der Südspitze Norwegens abermals ein Tiefdruckkern, der dann wieder
den Namen THILO II trug.
Um 01 Uhr MEZ
des 19.10. befanden sich die beiden Tiefdruckzentren westlich und östlich der
Nordsee, in beiden herrschte ein Luftdruck von etwa 993 bis 994 hPa. Okklusion
und Warmfront verliefen von West nach Ost zunächst über die Nordsee und dann
weiter über Südschweden und die Ostsee, die Kaltfront erstreckte sich über
Polen bis zum Tatragebirge. Die stärksten
Niederschläge zogen zu diesem Zeitpunkt über Schweden und Norwegen hinweg
nordwärts. Hier fielen bis zum Morgen innerhalb von 12 Stunden meist zwischen
10 bis 20 mm Niederschlag, im Südstau des
Skandinavischen Gebirges kamen regional auch bis zu 30 mm zusammen. In
Deutschland und Frankreich waren mit den Schauern und Gewittern des Vortages
meist um 5 mm Regen gefallen, im Norden Großbritanniens hatte das Tief THILO für
um die 30 mm Niederschlag gesorgt. Im weiteren Tagesverlauf löste sich der Kern
THILO II wieder auf, der Kern THILO I zog unterdessen langsam über die Nordsee
hinweg. Dies sorgte dafür, dass es in vielen Landesteilen von Norwegen und
Schweden den ganzen Tag über kräftig weiterregnete.
Zum 20.10.
war das nun wieder alleinige Zentrum des Tiefs THILO bis vor die Südspitze
Norwegens gezogen, die Fronten erstreckten sich weiterhin über den Nordseeraum,
Südskandinavien und die Ostsee. Insgesamt hatte sich der Tiefdruckwirbel aber
schon deutlich abgeschwächt, der Luftdruck im Zentrum war auf über 1000 hPa
angestiegen. Das Tief THILO zog nun nach Osten weiter, schwächte sich aber anschließend
ab, sodass stärkere Niederschläge nur noch im unmittelbaren Umfeld des
Tiefzentrums auftraten.
Bis 07 Uhr
MEZ hatte es aber nochmals höhere Niederschlagssummen in den vom Frontensystem
beeinflussten Regionen gebracht. In den schwedischen Ortschaften Mora und Gävle wurden jeweils knapp über 25 mm Niederschlag
gemessen. Das Tiefdruckgebiet zog in den folgenden Stunden nordostwärts in
Richtung Finnland weiter und brachte damit auch hier ertragreiche
Niederschläge. Auf seiner Rückseite führte der Wirbel zudem auch viel kalte
maritime Arktikluft ostwärts über Skandinavien,
sodass es in der Mitte Schwedens auch bis in tiefere Lagen schneite. Wenige
Stunden später befand sich das Zentrum von Tief THILO mit einem nochmals
deutlich auf etwa 1009 hPa gestiegenen Luftdruck südlich von Helsinki, wobei
Warm- und Kaltfront nur noch wenige hundert Kilometer nach Osten bzw. Süden
reichten. Rückseitig des Zentrums sorgte die Okklusion weiterhin für leichten
Schneefall und Regen über den zentralen Landesteilen Schwedens. Bis zum Morgen
des 21.10. hatten die Regengebiete erneut für regional um 20 mm Niederschlag in
Schweden und Finnland gesorgt, größere Summen wurden beispielsweise mit 18,9 mm
in der Gemeinde Lumparland auf den Ålandinseln und
mit 26,9 mm im finnischen Tampere gemessen. Das sich nun wieder leicht
verstärkende Tief verlagerte sich nachfolgend weiter über den Westen Russlands
und sorgte auch hier südlich seines Kerns für leichten Regen und nördlich davon
für leichten Schneefall.
In den
Frühstunden des 22.10. hatte das Tief THILO bereits die westlichen Ausläufer
des Uralgebirges erreicht, der Luftdruck war wieder auf deutlich unter 1000 hPa
gesunken. Mit 19,0 mm wurde am Morgen des 22.10. die höchste durch das Tief
hervorgerufene Niederschlagssumme in der russischen Ortschaft Vendinga gemeldet, 5 cm Neuschnee waren über Nacht in Jemezk und Turcasovo gefallen. In
den folgenden Stunden zog das Tief THILO dann über den Ural hinweg und damit
aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte.
Das Tief
THILO hatte insgesamt über 8 Tage lang das Wetter in weiten Teilen Europas
maßgeblich mitbestimmt. Dabei war es zunächst von Island aus Richtung
Großbritannien, Frankreich und Deutschland gezogen, hatte dort für viel Regen
und Sturm gesorgt und war dann über die Nordsee und Skandinavien hinweg nach
Russland abgezogen.