Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet THOMAS
(getauft am 15.09.2017)
Am 15. September 2017 wurde ein Tiefdruckgebiet,
das sich über Norditalien an einer verwellten Luftmassengrenze bildete, in der
Prognose der Berliner Wetterkarte für den Folgetag auf den Namen THOMAS
getauft.
Erwartungsgemäß befand sich das Tief THOMAS am 16.
September mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa etwa im Grenzgebiet zwischen
der Emilia-Romagna und Venetien. Nach Nordosten zog sich eine Warmfront über
die Ostalpen und Ungarn bis zur westlichen Ukraine und setzte sich als
Kaltfront des über dem Nordwesten Russlands liegenden Tiefdruckgebietes
SEBASTIAN I fort. Vom Zentrum des Wirbels THOMAS nach Südwesten bis Süden
ausgehend verlief eine Kaltfront östlich von Korsika bis nordöstlich von
Sardinien, wo sie in eine Warmfront eines unbenannten Tiefs vor der algerischen
Küste überging. Vormittags gab es an der nördlichen Adria einige Gewitter,
während es von Slowenien bis nach Süd- und Ostdeutschland sowie in Polen
zeitweise regnete. Auch von den Balearen bis nach Korsika fiel gelegentlich
Regen. 6-stündig kamen in Portocolom im Osten von Mallorca 8 l/m² Niederschlag
zusammen. Aus dem kroatischen Sisak wurden im gleichen Zeitraum 20 l/m²
gemeldet, genau so viel wie auf dem Berg Vogel in Slowenien. Die bis zum Abend
registrierten 12-stündigen Niederschlagsmengen verdeutlichen die Verstärkung
des Tiefdruckgebietes THOMAS, denn im kroatischen Rijeka summierte sich der
Niederschlag im Zuge kräftiger Gewitterschauer am Flughafen Omisalj auf 104 l/m²,
und auch die auf der südlich gelegenen kroatischen Insel Rab gemessene Menge
von 61 l/m² ist beachtlich. Im kroatischen Zagreb fielen abends in 6 Stunden 25
l/m² Niederschlag, und bis zum Morgen des 17. September summierte sich der
Niederschlag im ebenfalls kroatischen Zenj in 12 Stunden auf 52 l/m². Neben den
im Bereich des Tiefdruckgebietes THOMAS und seiner Fronten gefallenen
Niederschläge ist der große Temperaturunterschied bemerkenswert, der sich
anhand der Höchsttemperatur einiger Orte in der Region zeigen lässt. So gab es
im italienischen Küstenort Termoli in der Region Molise heißes Wetter mit
maximal 36°C, während von der Wetterstation Venezia-Lido 18°C gemeldet wurden.
Auch weiter westlich ließ sich ein großer Temperaturunterschied feststellen,
denn während es in Cagliari-Elmas im Süden Sardiniens 32°C heiß wurde, stieg
die Temperatur in Renno im Westen Korsikas ebenfalls
nur auf 18°C. Im algerischen Constantine war es mit 32°C nicht ganz so heiß wie
am Vortag, als noch 36°C registriert wurden.
Im Hinblick auf die 24-stündigen
Niederschlagssummen bis zum Morgen des 17. September zeigt sich der Schwerpunkt
im Bereich der nordöstlichen Adria und im kroatischen Hinterland, wo neben den
genannten Orten und Mengen gebietsweise mehr als 50 l/m² gemessen wurden.
Mittlerweile hatte sich das Zentrum des Tiefdruckgebietes THOMAS, das nunmehr
in einer Tiefdruckrinne mit einem Luftdruck von unter 1015 hPa lag, ins
zentrale Ungarn mit Kern südwestlich der Hauptstadt Budapest verlagert. Nach
Nordosten bis Osten erstreckte sich von dort eine Warmfront über die Karpaten
und den Südosten Polens bis über die Ukraine knapp nördlich der Hauptstadt
Kiew, um weiter in südöstlicher Richtung zu verlaufen und etwa zwischen den
Städten Poltawa und Dnipro, auch bekannt unter dem Namen Dnjepropetrowsk, in
eine Kaltfront eines unbenannten Tiefs überzugehen, das außerhalb des
Darstellungsbereichs der Berliner Wetterkarte lag. Vom Zentrum der Zyklone
THOMAS reichte außerdem eine Kaltfront über Kroatien und Mittelitalien, den Westen
Siziliens streifend bis über den Westen Tunesiens. Bis zum Mittag kam es vor
allem von Bosnien und Herzegowina bis nach Serbien und Ungarn, aber auch im
Westen der Ukraine, im Nordosten Italiens, in Slowenien sowie in Deutschland,
genauer gesagt an der bayerischen Wetterstation Hohenfels
in der Oberpfalz, zu Gewittern. In großen Teilen des restlichen Mittel- und
Osteuropas bis nach Weißrussland und im Westen Russlands fiel zeitweise Regen,
der teils schauerartig verstärkt war. Im bosnischen Livno kamen in 6 Stunden bis
zum Mittag 41 l/m² zusammen, während im österreichischen Graz 30 l/m² und im
ungarischen Györ 31 l/m² fielen. Nachmittags wurden in weiteren 6 Stunden in
den polnischen Städten Kattowitz 20 l/m² sowie Bielsko-Biala
22 l/m² gemessen. Am Beispiel der Höchsttemperatur im ostungarischen Poroszlo
zeigt sich der gebietsweise deutliche Temperaturrückgang, welchen der Wechsel
von kontinentaler Subtropikluft zu maritimer Subpolarluft brachte. Wurde dort
am 16. September ein Sommertag mit 26°C registriert, stieg die Temperatur am
17. September lediglich auf 18°C. In 12 Stunden wurden bei diversen, von
Italien über die Adria und den Balkan bis nach Rumänien und in die westliche
Ukraine reichenden Gewittern mehr als 186.000 Blitze verzeichnet. Im gleichen
Zeitraum wurde an der rumänischen Wetterstation Vladeasa
im Apuseni-Gebirge eine Niederschlagsmenge von 79
l/m² gemessen. Abends fielen im nordostpolnischen Ostroleka innerhalb von 6
Stunden 38 l/m², wo in der Nacht in weiteren 6 Stunden 16 l/m² folgten.
Am Morgen des 18. September wurde das Zentrum des
Tiefdruckgebietes THOMAS etwa in der Mitte zwischen den Hauptstädten Weißrusslands
und Polens, Minsk und Warschau, analysiert. Der Kerndruck lag nun bei unter
1000 hPa, womit sich das Tiefdruckgebiet THOMAS deutlich verstärkt hatte. Dies
lag auch daran, dass sich in höheren Luftschichten ein sogenannter
Kaltlufttropfen, also ein Höhentief, ausgebildet und verstärkt hatte. Nun ging
vom Zentrum des Wirbels THOMAS eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit
Warm- und Kaltfronteigenschaften, in südlicher bis südwestlicher Richtung aus
und verlief über den Osten Polens und die Karpaten bis etwa nach Budapest. Vom
Zentrum des Tiefs THOMAS gingen außerdem eine Warmfront und eine Kaltfront aus,
wobei erstere über das südliche Baltikum bis östlich der russischen Hauptstadt
Moskau reichte und letztere in einem Bogen über das südliche Weißrussland und
die westliche Ukraine bis nach Süditalien zu verfolgen war. Westlich von
Sizilien ging sie in eine Warmfront über, die bis südwestlich von Sardinien
reichte. Die Hauptaktivität der Niederschläge lag vormittags in Polen, dem
Baltikum und dem westlichen Russland. Im nordpolnischen Elblag kamen
beispielsweise in 6 Stunden 35 l/m² Niederschlag zusammen. In Estland und in der
nordwestrussischen Oblast Wologda wurden auch Gewitter beobachtet. Auch wenn
die Kaltfront des Tiefdruckgebietes THOMAS von Südwestrussland bis nach
Süditalien gebietsweise zwar einige Wolken tagsüber aber kaum Niederschlag
brachte, war sie anhand der Temperaturunterschiede doch deutlich zu sehen. So
stand der Höchsttemperatur von 19°C im westukrainischen Chmelnyzkyj ein Maximum
von 34°C in Dnipro gegenüber. Stieg die Temperatur in der serbischen Hauptstadt
Belgrad auf 23°C, gab es in der mazedonischen Hauptstadt Skopje mit 32°C einen
Heißen Tag nach meteorologischer Definition, während es im nordgriechischen Serres sogar 39,9°C gab. Abends bildeten sich unter anderem
über dem Südwesten Rumäniens einige Gewitter. Im Baltikum und dem westlichen
und nördlichen Russland fiel weiterer Regen, wobei bis zum Morgen des 19.
September 12-stündig in der Hauptstadt der zu Russland gehörenden Republik
Karelien 20 l/m² Niederschlag registriert wurden.
Bei den 24-stündigen Mengen bis zum Morgen des 19.
September machen sich beispielsweise im nordpolnischen Olsztyn die anfangs dort
aktiven Niederschlagsgebiete bemerkbar, wobei dort und in anderen Regionen des
östlichen Mitteleuropas nach Abzug des Regens nachts bei teils geringer
Bewölkung die Temperatur vielerorts in den einstelligen Bereich sank. Im
polnischen Torun etwa wurden nach einer Höchsttemperatur von 16,1°C am Vortag
nachts in 2 m Höhe über dem Boden 4,5°C und in 5 cm über dem Boden sogar nur
1,0°C gemessen. Die im Nordosten Sachsens gelegene Wetterstation Bad Muskau
sowie die Wetterstation im südbrandenburgischen Klettwitz verzeichneten mit
-0,2°C beziehungsweise -0,1°C sogar leichten Bodenfrost. Mittlerweile hatte
sich das Tiefdruckgebiet THOMAS mit seinem Zentrum bis knapp südöstlich der
russischen Stadt Sankt Petersburg verlagert und auf einen Kerndruck von unter
995 hPa verstärkt. Von dort ging eine Okklusionsfront bis etwa 500 km
nordöstlich von Moskau aus, wo sich der Okklusionspunkt befand. An ihm zogen
sich eine Warmfront und eine Kaltfront wie bei einem Reißverschluss zusammen.
Die Warmfront verlief in östlicher bis südöstlicher Richtung zum südlichen Ural
und über den Rand des von der Berliner Wetterkarte abgedeckten Gebietes hinaus,
während die westlich folgende Kaltfront über den zentralen und südlichen Teil
des europäischen Russlands und weiter bis zur südlichen Ukraine reichte, wo sie
in eine Warmfront überging, die bis über das rumänisch-bulgarische Grenzgebiet
führte. Im nördlichen Teil des europäischen Russlands, mit Ausnahme der
Nordmeerküste sowie in Finnland und einigen angrenzenden Regionen, regnete es
zeitweise, teils schauerartig verstärkt und mit Gewittern durchsetzt und auch
in Südosteuropa brachten die beschriebenen Fronten des Tiefs THOMAS mitunter
schauerartige und gewittrige Niederschläge. In Njandoma in der russischen
Oblast Archangelsk kamen 12-stündig bis zum Abend 20 l/m² und in Bolshelug in der ebenfalls zu Russland gehörenden Republik
Komi 22 l/m² zusammen. In Menselinsk in der russischen Republik Tatarstan stieg die Temperatur auf 29°C, während es im etwa
800 km weiter nördlich gelegenen Ust-Kulom in der Republik Komi mit 5°C eher
kalt war.
Bis zum Morgen des 20. September fielen in Yaksha
in der Republik Komi 14 l/m² und in Uchta, ebenfalls in der Republik Komi, 15
l/m² Niederschlag. Am 20. September war das Tiefdruckgebiet THOMAS zum letzten
Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Es
befand sich etwa zwischen den russischen Städten Archangelsk und Perm und damit
ziemlich genau in dem zuvor im Hinblick auf die Niederschläge und
Temperaturunterschiede beschriebenen Gebiet. Der Kerndruck lag bei unter 1010
hPa. Vom Zentrum des Tiefs THOMAS ging in westlicher bis südwestlicher Richtung
eine Okklusionsfront aus, die knapp nordwestlich von Sankt Petersburg in eine
Kaltfront überging, welche über dem äußersten Süden Schwedens in eine zu einem
unbenannten südnorwegischen Tiefdruckgebiet gehörende Warmfront überging. Vom
Zentrum des Tiefdruckgebietes THOMAS ging außerdem eine Okklusionsfront in
östlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt über dem mittleren Ural aus. Die
dort auf eine Kaltfront treffende Warmfront führte nach Osten bis Südosten über
das Westsibirische Tiefland über den von der Berliner Wetterkarte abgedeckten
Bereich hinaus, während die Kaltfront einen Bogen beschrieb, der über das
Westsibirische Tiefland und zurück über den südlichen Ural über den
europäischen Teil Russlands verlief. Etwa 250 km nördlich von Wolgograd ging
sie in eine Warmfront eines unbenannten Tiefs über Bulgarien über. Besonders im
Bereich des Kerns des Tiefdruckgebietes THOMAS kam es zu weiterem Regen, in der
westsibirischen Stadt Surgut in der Nacht zum Folgetag sogar zu Schneefall.
Auch die zuvor beschriebenen Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd hielten
an. So gab es am 20. September in der russischen Stadt Troizk in der Oblast
Tscheljabinsk nahe der Grenze zu Kasachstan einen Heißen Tag mit 31°C, wogegen
knapp 700 km weiter nördlich im westsibirischen Serow in der Oblast Swerdlowsk
gerade einmal knapp 10°C erreicht wurden. Nachfolgend verlagerte sich die
Tiefdruckaktivität nach Sibirien und im Bereich des Urals sowie weiter westlich
folgte das Hochdruckgebiet ROSI. Daher war der 20. September 2017 der letzte
Tag, an welchem die Zyklone THOMAS auf der Berliner Wetterkarte zu finden war.
Geschrieben
am 09.11.2017 von Heiko Wiese
Berliner
Wetterkarte: 16.09.2017
Pate:
Thomas Jurisch