Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet THOMAS
(getauft
am 21.02.2017)
Vom 20. bis zum 22. Februar zog der Tiefdruckwirbel
STEFAN von Neufundland bis zum Europäischen Nordmeer. Hinter der Kaltfront
wurde maritime Arktikluft aus Grönland und dem Norden Kanadas über den
mittleren Atlantik geführt. Dadurch bildete sich eine starke Luftmassengrenze
aus, die die maritime Arktikluft von deutlich wärmerer subtropischer Luft
trennte. In der Meteorologie werden Luftmassengrenzen mit starkem
Temperaturgradient, auch Frontalzone genannt, die dafür prädestiniert sind,
Zyklogenesen mit hohem Entwicklungspotential auszulösen. Zyklogenese bezeichnet
die Entstehung und weitere Verstärkung von Tiefdruckgebieten. Bereits am 21.
Februar war aus den Modellen ersichtlich, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit
auch an dieser Frontalzone eine neue Tiefdruckentwicklung bzw. Zyklogenese
einsetzen wird. Auf der Prognosekarte für den Folgetag wurde somit das neue
entstehende Tief auf den Namen THOMAS getauft.
In der Nacht zum 22. Februar war der Druckabfall an
einer wellenförmigen Deformation der Frontalzone stark genug, um ein
abgeschlossenes Druckminimum am Boden zu erzeugen. In der Bodenanalyse um 01
Uhr MEZ wurde das Tiefdruckgebiet THOMAS dabei erstmals dem Druckminimum über
dem mittleren Atlantik zugeordnet. In der westlichen bis südwestlichen
Höhenströmung begann sich das Tiefdruckgebiet THOMAS unter weiterer Entwicklung
in Richtung der Britischen Inseln zu verlagern, wobei der Kerndruck bis 13 Uhr
MEZ auf unter 1005 hPa sank. Des Weiteren bildeten sich Fronten aus. Bei der
Rotation einer Zyklone gegen den Uhrzeigersinn wurde Warmluft östlich vom
Tiefdruckzentrum nach Norden transportiert, wodurch eine Warmfront vom Zentrum
bis zu den Britischen Inseln entstand. Westlich vom Tiefdruckgebiet konnte
Kaltluft nach Süden voran kommen, womit hier eine Kaltfront entstand.
Auf der 01 Uhr-MEZ-Analysekarte
des Folgetages befand sich Tief THOMAS mit einem Kerndruck von ca. 990 hPa vor
der nordirischen Küste. Die Kaltfront verlief ausgehend vom Tiefdruckkern
parallel zur irischen Küste nach Südwesten und ging dann im Bogen in eine
Warmfront, die zu einem Tief über dem westlichen Atlantik gehörte, über. Die
Warmfront verlief zu diesem Zeitpunkt über Großbritannien bis nach Belgien und verband
sich dann mit der Kaltfront von Tiefdruckgebiet STEFAN. Durch das Aufgleiten von Warmluft über kältere
Luftmassen an Warmfronten wird Hebung hervorgerufen, wodurch großräumige
Niederschlagsgebiete entstehen. Die gemessenen Niederschlagssummen, hervorgerufen durch die
Warmfront, lagen innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ in der Mitte und dem
Norden Englands bei 6 bis 10 mm. In Schottland wurden teils auch
Niederschlagsmengen im gleichen Zeitraum über 10 mm gemessen, wie zum Beispiel
in Glasgow 15 mm, auf der Insel Islay 28 mm und am
Malin Head im Norden Irlands 29 mm. Bis 07 Uhr MEZ
fiel der Kerndruck auf unter 980 hPa, womit sich die Luftdruckgegensätze
südlich und westlich des Tiefdruckgebietes weiter erhöhten. Um diese
Druckunterschiede wieder auszugleichen, entwickelte sich in diesem Bereich ein
Sturmfeld. Am Vormittag traten die höchsten Windgeschwindigkeiten von Irland
über Wales bis nach London auf, wo Böen mit bis zu 96 km/h gemessen wurden. Mitunter
wurden auch orkanartige Böen registriert, wie in Dublin mit 119 km/h und an der
exponierten Station Capel Curig
in Wales auf 216 m über NN mit 152 km/h.
Im weiteren Tagesverlauf zog Tief THOMAS zur Deutschen
Bucht und beeinflusste mit seinem Frontensystem am Nachmittag auch Mitteleuropa.
Dabei holte die schneller ziehende Kaltfront die langsamere Warmfront ein,
wodurch sich eine Mischfront entwickelte, welche als Okklusionsfront bezeichnet
wird. In der Meteorologie wird die Ausbildung der Okklusion auch als
Reifestadium der Tiefdruckentwicklung bezeichnet. Am Abend reichte
diese einige Hundert Kilometer vom Tiefdruckkern bis zum Okklusionspunkt im
Norden von Deutschland. Am Okklusionspunkt holt die Kaltfront gerade die
Warmfront ein. Dieses Gebiet weist meist die stärkste Hebung auf und geht
dadurch mit den höchsten Niederschlagsummen im Reifestadium einer
Tiefdruckentwicklung einher. Zwischen 07 und 19 Uhr MEZ fielen im Bereich
Niedersachen und Schleswig-Holstein 12 bis 16 mm Niederschlag, in Beverstedt
wurden 18,6 mm Niederschlag gemessen, in Hamburg wurden 10 mm und in Bremen 13
mm verzeichnet. Die Warmfront erstreckte sich vom Osten Deutschlands über Polen
bis nach Ungarn. Hier wurden 6 bis 8 mm Niederschlag im gleichen Zeitraum
registriert. An der Kaltfront, die bis 19 Uhr MEZ bereits den Westen Deutschlands
überquert hatte, traten die Niederschläge meist als Schauer bzw. Gewitter auf,
wodurch die Niederschlagssummen lokal signifikante Unterschiede aufwiesen. So
wurden zum Beispiel im in Nordrhein-Westfalen gelegenen Ort Gevelsberg-Oberbröking,
nördlich von Wuppertal, 10,4 mm Niederschlag gemessen, während Düsseldorf nur
0,5 mm verzeichnete. Mit der Kaltfront erreichte auch das Sturmfeld das
europäische Festland. Am Nachmittag traten verbreitet Böen um 100 km/h in den
Benelux-Staaten und im Norden Frankreichs auf. Bis 19 Uhr MEZ waren die höchsten
registrierten Spitzenböen aus Boulogne im Norden
Frankreichs sowie aus Ijmuiden westlich von Amsterdam
mit 115 km/h, aus Geulhaven bei Rotterdam mit 104
km/h und aus Brüssel mit 96 km/h gemeldet worden. Am Abend und in der Nacht
schwächte sich das Sturmfeld von Tief THOMAS etwas ab. In Lüdenscheid in
Nordrhein-Westfalen wurden um 21 Uhr MEZ noch 109 km/h und in Oschatz in
Sachsen 104 km/h gemeldet.
Am 24.02.2017 befand sich die Zyklone THOMAS um 01 Uhr
MEZ über der westlichen Ostsee. Die Okklusion erstreckte sich von Hamburg in
einem Bogen über die Ostsee bis zum Okklusionspunkt über dem Osten Polens. Vom
Okklusionspunkt erstreckte sich eine Warmfront bis zur Halbinsel Krim. Die
Kaltfront verlief zunächst südlich nach Warschau und anschließend entlang des
Riesengebirges über Tschechien und den Süden Deutschlands nach Westeuropa. Bis
07 Uhr MEZ wurden innerhalb von 12 Stunden in Leba an der polnischen
Ostseeküste 15 mm, in Warschau 5 mm, in Vilnius 7 mm und in Minsk 4 mm Niederschlag
registriert. Innerhalb von 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ wurden durch das
Frontensystem des Tiefs THOMAS Niederschlagsmengen von in 5 mm in Moskau, 7 mm in
Smolensk, 1 mm in Sankt Petersburg und 3 mm in Minsk gemessen.
Bis 01 Uhr MEZ des Folgetages zog Tief THOMAS nach
Russland und legte dabei eine Strecke von über 1500 km innerhalb von 24 Stunden
zurück. Die Warmfront erstreckte sich bis zum Kaspischen Meer, während die
Kaltfront nach Südwesten nördlich des Schwarzen Meeres bis nach Bulgarien verlief.
Entlang der Kaltfront wurden innerhalb von 12 Stunden bis 06 Uhr MEZ verbreitet
1 bis 4 mm Niederschlag registriert.
Im Laufe des Tages zog Tief THOMAS nach Norden und
befand sich am 26.02.2017 östlich des Weißen Meeres. Vom Tiefdruckkern ging
eine Okklusion nach Südosten bis zum Okklusionspunkt über dem Uralgebirge ab.
Die Kaltfront verlief im großen Bogen vom Uralgebirge bis zum östlichen Schwarzen
Meer und war größtenteils nur noch im nördlichen Teil aktiv, wo die Niederschläge
überwiegend in fester Form registriert wurden. Des Weiteren wurde hinter der
Kaltfront kalte Polarluft in den europäischen Teil Russlands sowie nach
Osteuropa geführt. Dabei sanken die Tiefsttemperaturen in der Nacht in den
Frostbereich. So meldete Moskau -6°C und Sankt Petersburg -9°C. Auch an der
Warmfront, die größtenteils Gebiete östlich des Uralgebirges beeinflusste, fiel
der Niederschlag in Form von Schnee.
In den folgenden zwei Tagen verlagerte sich das Tief
THOMAS weiter nach Nordosten und wurde am 28.02.2017 um 01 Uhr MEZ mit einem
Kerndruck von 985 hPa südlich der Doppelinsel Nowaja Semlja analysiert. Im
Bereich des Tiefs fielen die Niederschläge jedoch nicht mehr so intensiv aus,
wie an den Tagen zuvor, wodurch verbreitet lediglich weniger als 1 mm innerhalb
von 12 Stunden gemessen wurde.
Bis zum 01.03.2017 lösten sich die Fronten des
Tiefdruckwirbels THOMAS auf, wobei die Zyklone unter weiterer Abschwächung nach
Norden zog.
Bis zur Bodenanalyse um 01 Uhr MEZ am 02.03.2017 löste
sich das Tiefdruckgebiet THOMAS schließlich vollständig auf und konnte somit
nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet werden.
Geschrieben am 08.05.2017 von Morten Kretschmer
Berliner Wetterkarte: 23.02.2017
Pate: Thomas Goram