Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet THOMPSON

(getauft am 05.07.2015)

 

In der Nacht vom 03.07. zum 04.07.2015 kam es an der Südflanke eines über der kanadischen Provinz Labrador liegenden Tiefdruckgebietes vor der Küste Neufundlands zur Ausbildung einer Tiefdruckwelle mit einer kurzen, nach Osten reichenden Warmfront und einer, nach Südwesten reichenden Kaltfront. Diese Tiefdruckwelle zog im Tagesverlauf des 04.07. über den nördlichen Atlantik und verstärkte sich bis zum 05.07. zu einem Tiefdruckgebiet mit einem zentrumsnahen Luftdruck von knapp unter    1000 hPa. Vom Tiefzentrum aus führte eine Okklusion südostwärts und spaltete sich ca. 300 km entfernt in eine nach Süden gerichtete Warmfront und eine sich nach Südwesten erstreckende Kaltfront aus. Als Okklusion wird eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront bezeichnet, die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront aufeinander treffen, heißt Okklusionspunkt.

Am 05.07.2015 wurde das Tiefdruckgebiet auf den Namen THOMPSON getauft. Auf seiner weiteren Zugbahn in Richtung Europa gelangte das Tief THOMPSON zunächst zunehmend in den Einflussbereich des südlich von Island liegenden Wirbels SIEGFRIED, weshalb auch erst einmal keine Verstärkung des Tiefs stattfand. Am Abend des 05.07. zog das Tief THOMPSON südlich am Tief SIEGFRIED vorbei und lag am 06.07. um 01 Uhr MEZ ca. 1500 km westlich der irischen Küste. Die vom Tiefzentrum, in dem immer noch ein Luftdruck von knapp unter 1000 hPa herrschte, ausgehende Okklusion spaltete sich nach kurzem südöstlichen Verlauf in eine bis zur spanischen Region Galicien reichende Warm- und eine bis auf Höhe der Azoren endende Kaltfront auf. In den darauffolgenden Stunden okkludierte das Frontensystem des Tiefs THOMPSON weiter und verschob sich in Richtung Großbritannien. Die Okklusion erreichte in den Morgenstunden des 06.07. schließlich die irische Westküste und sorgte dort für einsetzende, starke Regenfälle, welche den gesamten Tag über anhielten. Mit der weiteren Verlagerung der Fronten ostwärts breiteten sich auch die Niederschläge bis zum Nachmittag und Abend über die gesamten britischen Inseln aus. Im weiteren Verlauf verlangsamte sich die Zuggeschwindigkeit des Tiefdruckwirbels THOMPSON, weshalb die Fronten nur langsam über Großbritannien hinweggezogen und insgesamt hohe Niederschlagssummen brachten.

Bis zum 07.07. um 01 Uhr MEZ hatte sich der Kerndruck des nun nordwestlich von Irland liegenden Zentrums wie schon am Vortag kaum verändert. Der Okklusionspunkt, bis zu dem die vom Zentrum ausgehende Okklusion verlief, befand sich an der schottischen Westküste. Von dort gingen eine kurze sich bis zur Nordsee erstreckende Warmfront und eine nach Südwesten, über England bis über den Atlantik reichende Kaltfront aus. Bis 07 Uhr MEZ wurden an der irischen Station Johnstown Castle     24-stündig summiert 36,0 mm und in der schottischen Ortschaft Eskdalemuir 29,0 mm Niederschlag gemessen.

Die Niederschläge breiteten sich weiter ost- und südwärts aus und erreichten nun auch die französische Bretagne. Im Verlauf des 07.07. zog das Tiefdruckgebiet THOMPSON über Großbritannien hinweg und über die Nordsee in Richtung Südnorwegen. Dabei verstärkte sich der Wirbel THOMPSON über dem warmen Nordseewasser, denn bis 01 Uhr MEZ des 08.07. war der zentrumsnahe Luftdruck auf unter 995 hPa gefallen. Die Niederschlagsgebiete hatten sich bis nach Norwegen verlagert, zudem traten entlang der norwegischen Atlantikküste, in Wales und den schottischen Highlands starke Windböen von 70 bis 90 km/h auf. Die Okklusion war bis zu diesem Zeitpunkt entgegen dem Uhrzeigersinn um das Tiefzentrum herumgezogen und befand sich nun rückseitig mit südlicher Zugrichtung zwischen Norwegen und Schottland. Die Warmfront reichte von der norwegischen Atlantikküste bis nördlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm und die Kaltfront verlief quer über Dänemark, Deutschland und Frankreich hinweg bis zum Golf von Biskaya. Diese Kaltfront war jedoch nur wenig wetteraktiv, da wenige Stunden zuvor die Fronten eines kleinen Randtiefs über Mitteleuropa gezogen waren und für starke Gewitter gesorgt hatten. Die höchsten Niederschlagssummen wurden im Nordseeumfeld zwischen Schottland und Norwegen gemessen, so registrierte die norwegische Station Lista Fyr 34,0 mm und die Wetterstation in der schottischen Hafenstadt Aberdeen sogar 37,6 mm innerhalb von 24 Stunden bis zum 08.07. 07 Uhr MEZ. Die Kaltfront hatte über Deutschland im Schnitt Summen zwischen 2 und 5 mm an Niederschlag gebracht. Auf der Rückseite des Tiefdruckkomplexes traten im Umfeld von Schauern vor allem von Norwegen bis Norddeutschland Sturmböen um 80 bis 90 km/h auf.

Das Tiefdruckgebiet THOMPSON zog langsam weiter über Norwegen hinweg und lag mit seinem Zentrum am 09.07. 01  Uhr MEZ mit einem Kerndruck von ca. 992 hPa über dem südlichen Schweden. Im gesamten Bereich des Tiefdruckkomplexes regnete es verbreitet über mehrere Stunden anhaltend von Schweden und Finnland bis Deutschland und Großbritannien. Zudem hatte sich über der nördlichen Ostsee ein zweites Tiefdruckzentrum gebildet, in dem der Druck ungefähr 993 hPa betrug. Von diesem Zentrum reichte eine Okklusion bis St. Petersburg, von dort aus führte eine Warmfront nordöstlich von Moskau vorbei in Richtung Süden und eine Kaltfront nach Südwesten bis zur Slowakei. Eine zweite Kaltfront hatte sich zudem im Kaltluftsektor vom weiter westlich liegenden Tiefzentrum bis zur Bretagne gebildet. Die höchste Niederschlagssumme wurde an der südlich von Oslo gelegenen Station Ås mit 76,4 mm gemessen. In der Mitte Schwedens traten verbreitet Summen von 30 bis über 40 mm auf wie an der Station Edsbyn mit 41,4. Doch auch im südlichen Norwegen, dem Süden und der Mitte Finnlands und den Beneluxländern traten         24-stündige Niederschlagsmengen zwischen 15 bis 30 mm auf. In Deutschland befand sich der Niederschlagsschwerpunkt über Nordrhein-Westfalen und den Mittelgebirgen, wo 10 bis 15 mm, auf dem Kahlen Asten sogar 18,3 mm registriert wurden. Auf der Rückseite von Tief THOMPSON hatte sich das Feld starker Windböen zu einem Sturmfeld verstärkt, an der norwegischen Station Utsira Fyr und auf dem Brocken im Harz wurden sogar Böen über 100 km/h gemessen. Am Abend kam es entlang der weiter gezogenen Kaltfront im östlichen Polen und dem westlichen Weißrussland zu stärkeren Gewittern.

Im weiteren Verlauf zog der Tiefdruckwirbel THOMPSON langsam weiter in Richtung Russland. Die Okklusion reichte nun bis weit nach Russland, die Kaltfront lag quer über Osteuropa und reichte bis nach Italien, die Warmfront führte in Richtung Südrussland. Die zweite Kaltfront hatte sich ebenfalls weiter ostwärts verlagert und verlief über das Baltikum nach Süden. Die stärksten Niederschläge waren im Ostseeumfeld zwischen Schweden und Finnland und im westlichen Russland aufgetreten. So fielen in              24 Stunden in Rjazan südlich von Moskau 32,0 mm Niederschlag, im schwedischen Krangede 32,8 mm und im finnischen Halsua Kanala Purola 36,0 mm.

Der Wirbel THOMPSON zog im Folgenden weiter nach Russland über den eurasischen Kontinent. Die Kaltfront hatte sich über Südeuropa bis nach Griechenland und die östliche Türkei verlagert, die Warmfront reichte über den Ural hinaus nach Sibirien. Während die Niederschläge über Skandinavien langsam nachließen, breiteten sich die Niederschläge entlang der Warmfront weiter bis zum Ural aus.  Zusätzlich enstanden über dem Westen und Südwesten Russlands am Nachmittag des 10.07. kräftige Schauer und Gewitter, welche lokal hohe Niederschlagssummen brachten. In Lodejnoe Pole, eine Ortschaft östlich von St. Petersburg wurden bis        07 Uhr MEZ 54,0 mm Niederschlag gemessen sowie in Ohansk am Südende des Urals 32,0 mm. Zudem kam es im Südwesten Russlands wie beispielsweise an der Station Kamennaja Step mit 104,5 km/h zu schweren Sturmböen.

In der Folgezeit schwächte sich das Tief THOMPSON zunehmend ab und der zentrumsnahe Luftdruck stieg wieder auf ca. 998 hPa an.

Im weiteren Verlauf kam es auf der Rückseite des Tiefs THOMPSON zu einem Einstrom maritimer Arktikluft vom Norden Skandinaviens her. Da im Gegenzug trocken-warme, kontinentale Subtropikluft auf der Vorderseite des Tiefs THOMPSON nordwärts geführt wurde, sorgte dies für eine erneute Verstärkung des Wirbels. Am Nachmittag und Abend traten im Bereich zwischen der russischen Westgrenze und dem Ural verbreitet erneut starke Gewitter mit hohen Niederschlagsmengen auf. Mit 52,0 mm in Joskar-Ola und 56,0 mm in Rybinsk fielen dabei sogar stellenweise über 50 mm Niederschlag. Doch auch sonst kam es in diesem Bereich häufig zu Niederschlagssummen von 20 bis 30 mm.

Bis zum 13.07. war der Luftdruck im Zentrum des Tiefs THOMPSON auf unter 990 hPa gefallen und das Frontensystem hatte sich weiter in Richtung Ural und Sibirien verschoben. Im Tagesverlauf des 12.07. kam es unter weiterer Verstärkung zu einer erneuten Teilung des Tiefzentrums, in denen der Druck auf ca. 981 hPa gesunken war. Die Gewitter am Nachmittag und Abend traten im Vergleich zum Vortrag weiter östlich von der Südseite des Urals bis zur kasachischen Grenze auf. Der Wirbel THOMPSON hatte sich wieder so weit verstärkt, dass im Bereich des südlichen Urals und im Bereich der Gewitter für Russland ungewöhnlich starke Sturmböen bis       80 km/h auftraten, in Cernuska traten sogar Böen bis 100,9 km/h auf. Die Okklusion reichte am 13.07. durch die beiden Tiefzentren hindurch bis zum Ural, die daraus hervorgehende Warm- und Kaltfront führten nach Sibirien mit einer nördlichen Zugrichtung. Bis 07 Uhr MEZ summierte sich der Niederschlag in Vetluga auf unwetterartige 74,0 mm, in Krasnye Baki auf 70,0 mm.

Das Tief THOMPSON zog weiter nordostwärts, okkludierte dabei stark und schwächte sich wieder ab. Bis zum 14.07. um 01 MEZ hatte das Tiefzentrum den Ural überquert und der Kerndruck war auf knapp 985 hPa gestiegen. Die ans Zentrum gebundene Okklusion führte nach Norden bis zum Nordpolarmeer, an der bis 07 Uhr MEZ im Umfeld des Urals 20 bis 30 mm Niederschlag fielen.

In den darauffolgenden Tagen verlagerte sich der Tiefdruckwirbel THOMPSON langsam in Richtung Nordpolarmeer, die Niederschläge und Windböen ließen dabei immer mehr nach. Zwischen der russischen Stadt Vorkuta und der Insel Nowaja Semlja blieb der Wirbel THOMPSON quasistationär die darauffolgenden drei Tage, ehe er sich bis zum 18.07. immer weiter abschwächte und schließlich auflöste. 

Das Tief THOMPSON besaß mit ca. 14 Tagen eine für ein Tiefdruckgebiet lange Lebensdauer und sorgte dabei in einem Streifen von den Britischen Inseln über Skandinavien bis weit nach Russland hinein für lang anhaltende Regenfälle, Schauer und Gewitter mit schweren Sturmböen und hohe Niederschlagssummen.

 

Geschrieben am 28.08.2015 von Maximilian Steinbach

Berliner Wetterkarte: 09.07.2015

Pate: Christioph Hinder (www.tessamino.de)