Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet THORUN
(getauft am 04.05.2018)
Am
03.05.2018 dehnte sich in etwa 5,5 km Höhe ein kräftiger Kaltluftvorstoß,
welcher auch als Trog bezeichnet wird, von Grönland über die Nordsee bis zum
Mittelmeer aus. Im Bodenniveau befanden sich mit den Wirbeln SOLVEIG nahe
Sizilien, QUITTA östlich von Moskau und RENATE über dem Nordmeer gleich mehrere
Tiefdrucksysteme im Bereich des Troges bzw. an dessen Vorderseite und
profitierten aufgrund ihrer Lage teils unterschiedlich stark von dessen
Unterstützung. Das Frontensystem der Zyklone RENATE, welche bis zum Folgetag
von einem anderen System aufgenommen werden sollte, verlagerte sich im Laufe
des Tages über das Skandinavische Gebirge, wodurch sich aufgrund der dabei
angehobenen Luftmassen und dem daraus resultierenden Druckabfall über dem Süden
der Halbinsel ein neues Tiefdruckgebiet bilden konnte. Dieses schloss sich dabei
bis zum Abend mit einem weiteren kleinen Tiefdruckgebiet zusammen, welches über
der polnischen Ostseeküste entlang einer wellenförmig deformierten Front
entstand, die die Wirbel QUITTA und SOLVEIG miteinander verband. Das sich so
neu entwickelte Tiefdruckgebiet wurde schließlich am 04.05. um 01 Uhr MEZ
östlich von Oslo mit einem Kerndruck von ca. 1010 hPa analysiert und folglich
auf den Namen THORUN getauft.
Das
Tief THORUN wies zu diesem Zeitpunkt zwei Okklusionsfronten auf, die sich
einerseits nach Nordwesten über Norwegen und die Grönlandsee bis nach
Ostgrönland und andererseits nach Südosten über Stockholm bis zur Ostseeinsel
Gotland erstreckten. Eine Okklusionsfront stellt dabei eine Mischform aus Warm-
und Kaltfront dar, die entsteht, wenn die schneller ziehende Kaltfront die
vorlaufende Warmfront am sogenannten Okklusionspunkt einholt und die warme Luft
anhebt. Die daraus resultierende Luftmassengrenze besitzt Eigenschaften beider
Frontentypen und wird, je nachdem ob relativ kältere oder wärmere Luft ihr
folgt, als Kalt- bzw. Warmfrontokklusion spezifiziert. Vom Okklusionspunkt bei
Gotland führte anschließend eine Warmfront über Litauen und Weißrussland, bis
sie über dem Westen Russlands in die Kaltfront des ehemaligen Wirbels QUITTA
überging. Des Weiteren verlief eine Kaltfront über die polnische Ostseeküste,
Tschechien und Bayern, bevor sie sich südwestlich von München mit der Warmfront
des Mittelmeertiefs SOLVEIG verband.
Der
meiste Niederschlag, welcher dem Tief THORUN zuzuordnenden ist, fiel in der
Nähe des sich über die Ostsee nach Finnland verlagernden Tiefdruckzentrums. Der
mitunter schauerartig verstärkte Niederschlag trat dabei überwiegend als Regen,
weiter nördlich jedoch auch mit Schnee vermischt oder gänzlich als Schnee auf.
In einem Beobachtungszeitraum von 12 Stunden konnten dadurch bis 07 Uhr MEZ 7
l/m² in Võru im Süden Estlands, 11 l/m² im
mittelschwedischen Järnäsklubb und 14 l/m² auf der
ebenfalls schwedischen Ostseeinsel Brämön registriert
werden. Außerdem wurden noch jeweils 9 l/m² an den finnischen Stationen in
Kuopio, Kankaanpää und Kokkola
gemessen. Entlang des Frontensystems konnten nur vereinzelt ähnlich hohe
Niederschlagsmengen verzeichnet werden, wie beispielsweise 6 l/m² im russischen
Demjansk und 7 l/m² in Katowice westlich von Krakau. Mit
dem heranziehenden Tiefdruckzentrum intensivierte sich der Niederschlag über
der Mitte und dem Norden Finnlands sowie über Karelien. Bis 19 Uhr MEZ fielen
dabei nochmals je 10 l/m² in Kemijärvi und Pudasjärvi, 11 l/m² in Vieremä
sowie 14 l/m² in Ruukki.
Während
das Hoch QUINLAN Deutschland mit reichlich Sonnenschein zu Höchsttemperaturen
um 20°C verhalf, sorgte die Kaltfront des Tiefs THORUN über Ost- und
Nordosteuropa für eine Abkühlung. Die hinter der Front einfließenden subpolaren
Luftmassen verdrängten die wärmere Subtropikluft und führten vielerorts zu
deutlich niedrigeren Temperaturen als noch tags zuvor. So sank das Tagesmaximum
in der litauischen Küstenstadt Klaipeda von 23,0°C am
Vortag auf 11,0°C herab. Vor der Kaltfront strömten hingegen weiterhin trockene
subtropische Luftmassen ein, die vor allem in Weißrussland mit Ausnahme des äußersten
Westens und Nordens des Landes sowie im Westen Russlands in Höchstwerten um
30°C resultierten. Dadurch stellte sich ein markanter Temperaturgradient
zwischen der Region Polen-Baltikum und Weißrussland ein. Beispielsweise wurde
an diesem Tag an der lettischen Station Zilani nur
ein Maximum von 14,9°C erreicht, während rund 240 km weiter südöstlich im
weißrussischen Polazk 29,5°C gemessen werden konnten.
Selbst innerhalb Weißrusslands traten große Temperaturunterschiede auf. So
betrug die Differenz zwischen dem Höchstwert von 20,0°C der Station in Hrodna im Westen des Landes insgesamt 9 Grad im Vergleich
zur ca. 180 km weiter südöstlich gelegenen Stadt Baranawitschy,
die sich noch immer im Bereich der heißen Subtropikluft befand.
Um
01 Uhr MEZ am 05.05. wurde das Tief THORUN schließlich über dem Norden
Finnlands analysiert. Der Kerndruck hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt jedoch
abgeschwächt und betrug nur noch etwa 1018 hPa. Vom Kern verlief eine Okklusion
über den Norden Russlands nach Süden und teilte sich auf Länge von Moskau und
Breite von Sankt Petersburg in eine nach Südosten bis nördlich von Wolgograd
reichende Warmfront und eine über Weißrussland und Südostpolen führende
Kaltfront auf. Letztere verband sich südlich von Warschau mit einer eher der
Zyklone SOLVEIG zuzuordnenden Warmfront, welche deren Frontensystem vorlief.
Vor allem in der Nähe des Tiefdruckkerns, entlang der Kaltfront sowie im
Bereich des Okklusionspunktes des Wirbels THORUN traten erneut zweistellige
Niederschlagssummen auf. Die höchsten 12-stündigen Mengen konnten dabei bis zum
Morgen in Kovda in der Oblast Murmansk und in Babajewo mit jeweils 10 l/m² sowie in Konoscha
und Njandoma, wo an beiden Stationen 13 l/m² fielen,
registriert werden.
Mit
der ostwärtigen Verlagerung der Kaltfront verschob sich auch der
Hitzeschwerpunkt weiter nach Osten. Als Folge sank die Temperatur nun auch in
Weißrussland signifikant herab, wobei Unterschiede von 10 Grad im Vergleich zum
Vortag keine Seltenheit waren. Besonders markant stellte sich dieser
Temperaturfall in der westrussischen Stadt Welikije Luki nördlich von Smolensk
und nahe dem Grenzbereich von Weißrussland, Lettland und Russland dar. Tags
zuvor konnte hier noch ein Maximum von 30,3°C verzeichnet werden. Im Laufe des
Folgetages erwärmte sich die Luft jedoch nur noch auf maximal 15,2°C.
Währenddessen
hielt der Niederschlag in Form von einzelnen Schauern und Gewittern vor allem
in der nordwestrussischen Oblast Wologda weiter an. Bis 16 Uhr MEZ wurden dabei
nochmals 9 l/m² in Ustjuschna, 11 l/m² in Woschega und 12 l/m² in Belosersk
am Weißen See gemessen.
Das
Tiefdruckzentrum des Wirbels THORUN zog bis zum Nachttermin des Folgetages
weiter nach Norden über die Halbinsel Kola zur Barentssee, wo es sich infolge
der schwachen Luftdruckgegensätze auflöste und nicht mehr namentlich auf der
Berliner Wetterkarte verzeichnet wurde. Das Frontensystem blieb jedoch bestehen
und wurde von einem am Okklusionspunkt neu entstanden Tiefdruckgebiet
übernommen. Dabei verlagerte es sich weiter nach Osten und sorgte im Westen Russlands
nochmals für Schauer und Gewitter sowie in Richtung des Uralgebirges für länger
anhaltenden Regen, wobei zum Beispiel 12 l/m² in Klin
bei Moskau oder 10 l/m² in Tscherdyn in der Region
Perm zusammenkamen. Die Kaltfront überquerte währenddessen den Westen Russlands
und führte abermals zu niedrigeren Temperaturen mit bis zu 15 Grad geringeren
Maxima als noch tags zuvor. Das Tief verließ schließlich im Laufe des 07.05.
den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte und konnte somit nicht weiter
analysiert werden.