Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
TIBA
(getauft
am 07.07.2016)
Am Morgen des 06.07.2016 entwickelte sich
vor der Küste Nordamerikas ein kleines Tiefdruckgebiet, welches zügig ostwärts
weiter zog. Dieses verstärkte sich rasch über dem warmen Atlantikwasser und
bildete ein eigenständiges Frontensystem aus. In den Frühstunden des 07.07.
erreichte das Tief den Analysebereich der Berliner Wetterkarte und wurde
daraufhin auf den Namen TIBA getauft. Zu dieser Zeit war der Luftdruck im
Zentrum des Tiefs TIBA auf unter 995 hPa gefallen. Zudem führte vom
Tiefdruckzentrum eine Okklusion ein kurzes Stück nach Südosten und teilte sich
dort in eine bis nördlich der Azoren reichende Warmfront und eine nach
Südwesten reichende Kaltfront auf. Als Okklusion oder Okklusionsfront wird eine
Mischfront aus Kalt- und Warmfront bezeichnet, die entsteht, wenn die
nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront
einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront zusammenlaufen heißt
Okklusionspunkt. In den darauffolgenden Stunden zog das Tiefdruckgebiet TIBA
weiter ostwärts in Richtung des europäischen Kontinents und verstärkte sich
dabei nochmals deutlich.
Am 08.07.2016 01 Uhr MEZ befand sich das
Tief TIBA mitten über dem nördlichen Atlantik. Der Luftdruck im Kern war auf
deutlich unter 985 hPa gesunken und der Wirbel war zudem weiter okkludiert. Die
Okklusion reichte vom Kern ca. 300 km ostwärts, von wo aus sie sich in eine langsam
in Richtung Großbritannien und Irland ziehende Warmfront und die quer über dem
Atlantik liegende Kaltfront aufspaltete. Das Frontensystem des Tiefs TIBA zog im
Tagesverlauf nach Osten weiter, die Warmfront erreichte zum Abend die Westküste
Irlands. Dort begann es zu regnen und der Wind frischte merklich auf. Der Regen
breitete sich bis Mitternacht über ganz Irland bis in den Südwesten Englands
und nach Wales aus. Der Okklusionspunkt befand sich knapp westlich von Dublin,
von wo aus die Warmfront bis zum Golf von Biskaya reichte, die Okklusion nach
Westen bis zum Tiefzentrum, in dem unverändert ein Luftdruck von unter 985 hPa
herrschte. An der Kaltfront bildete sich eine leichte Störung, was bedeutet,
dass ein Teil der Front zu wellen anfing, weshalb dieser Bereich
Warmfrontcharakter annahm. Diese Störung, an welcher sich durch starke
Hebungsprozesse kräftige Niederschläge entwickeln konnten, befand sich zunächst
südwestlich von Irland, zog aber in den darauffolgenden Stunden entlang der
südirischen Küste weiter. Dort kam es infolgedessen innerhalb weniger Stunden
zu hohen Regensummen, wie beispielsweise auf Sherkin Island, wo bis 07 Uhr MEZ
in 12 Stunden 29,0 mm Niederschlag gemessen wurden oder in Roches Point südlich
der irischen Stadt Cork mit 28,0 mm. Am Vormittag zogen die kräftigsten
Niederschläge zur Irischen See und nach Wales sowie zur Mitte Englands. An den
Küsten und im walisischen Hochland traten außerdem stürmische Böen und
Sturmböen auf, die stärksten in Capel Curig mit 79,7 km/h. Die Fronten des Tiefs TIBA zogen nun
immer weiter über Großbritannien hinweg und sorgten damit für einen verregneten
und windigen Tag in weiten Teilen des Vereinigten Königreichs. Bis zum Abend
waren so nochmal 50,0 mm Regen in Capel
Curig gefallen, sonst verbreitet zwischen 10 und 20
mm. Im Bereich der Störung bildete sich zu dieser Zeit auch ein zweites
Tiefdruckzentrum über Schottland aus, in dem der Druck rasch sank und welches
nachfolgend als TIBA II bezeichnet wurde. In der ersten Nachthälfte verlagerten
sich die Niederschläge an der Warmfront über die Nordsee hinweg bis in die
Benelux-Staaten und nach Norddeutschland, wo diese jedoch meist als leichter
Regen auftraten.
Um 01 Uhr MEZ des 10.07. lag der Kern des
Tiefs TIBA I westlich der irischen Küste, in ihm war der Luftdruck auf ca. 992
hPa angestiegen. Der Kern des Wirbels TIBA II hingegen verlagerte sich vom
schottischen Hochland in Richtung Nordsee, dort wurde ein minimaler Luftdruck
von knapp 997 hPa gemessen. Zwischen den beiden Zentren befand sich die
Okklusion, welche sich entgegen dem Uhrzeigersinn um das erste Tiefdruckzentrum
eindrehte. Von dem knapp östlich des zweiten Tiefdruckzentrums gelegenen Okklusionspunkt
reichte die Warmfront über die Nordsee und Norddeutschland bis zum Erzgebirge
und die Kaltfront über Großbritannien bis zu den Azoren. Im Warmluftsektor,
also dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, wurde in einer Südwestströmung
warme Subtropikluft nach Mitteleuropa transportiert. In der zweiten Nachthälfte
zogen die leichten Niederschläge über Norddeutschland und Dänemark nach Osten
hin ab, während sich das Zentrum des Tiefs TIBA weiter in Richtung Irland
verlagerte. Über dem Norden Irlands sowie über Schottland und Nordengland
regnete es bis zum Morgen kräftig. Dort wurden bis 07 Uhr MEZ in Capel Curig nochmals 62,6 mm
innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden gemessen, im schottischen Dundrennan 20,6 mm und im Wetterzentrum von Nottingham 16,2
mm. In Deutschland wurde die höchste Summe mit 5,6 mm in List auf Sylt
registriert, an der Station Emden-Königspolder waren es 3,4 mm. Auch der Tag
blieb in Großbritannien weiterhin sehr trüb und regnerisch, im Tagesverlauf
frischte zudem der Wind über dem Süden Englands nochmals auf. Dort wurden im
Flachland stürmische Böen zwischen 50 und 60 km/h gemessen, an den Küsten sogar
Sturmböen bis 80 km/h. Dahingegen stiegen in Deutschland in der subtropischen
Luft des Warmluftsektors die Temperaturen stark an, unterstützt von viel
Sonnenschein, sodass Höchstwerte von 33,2°C in München bzw. 32,7°C an der
Station Stuttgart/Schnarrenberg erreicht wurden. Am späten Abend sorgte jedoch
die von Westen heranziehende Kaltfront für Abkühlung. An dieser entwickelten
sich über dem Norden Deutschlands und über Dänemark einige kräftige Gewitter.
Knapp 300 km östlich der Kaltfront bildete sich zudem eine Konvergenz aus, an
welcher über dem äußersten Süden Bayerns und im Alpenraum auch einige Gewitter
entstanden. Unter einer Konvergenz wird das horizontale Zusammenfließen von
Luft in Bodennähe verstanden, welches zu einem Aufsteigen der Luft und zur
Wolken- und Niederschlagsbildung führt. Der Kern des Tiefs TIBA I zog
unterdessen weiter nordwestwärts und war bis 01 Uhr MEZ des 11.07. wieder mit
dem Tiefzentrum TIBA II verbunden, so dass der Tiefdruckwirbel nachfolgend
wieder nur den Namen TIBA trug. Der Luftdruck war leicht auf 994 hPa
angestiegen. Rückseitig des Kerns führte die Okklusion mit östlicher
Zugrichtung über Großbritannien und den Süden Irlands auf den Atlantik, im
Zentrum kehrte sich deren Zugrichtung nach Norden um und reichte bis nach
Norwegen. Von dort aus reichte die Warmfront bis zum Baltikum und die Kaltfront
quer über Mitteleuropa bis zur Atlantikküste Frankreichs. Das Tief TIBA zog
über die Nordsee hinweg, und das Frontensystem konnte sich weiter nach Osten
ausbreiten. Die Gewitter über Norddeutschland zogen auf die Ostsee hinaus und
in Richtung Südschweden, zusätzlich bildeten sich über der Mitte Frankreichs
neue Gewitterkomplexe. Diese Gewitter und die des Vorabends hatten regional auch
für viel Niederschlag gesorgt. So wurden bis 07 Uhr MEZ 24-stündig in Pau in Südfrankreich 42,1 mm, am Flughafen von Innsbruck
29,4 mm und im dänischen Brandelev 38,8 mm gemessen.
Im Osten Dänemarks und im Süden Schwedens wurden generell flächendeckend
Niederschlagsmengen zwischen 20 und 40 mm gemeldet. Doch auch im norddeutschen Elpersbüttel wurden 12,5 mm Niederschlag registriert. Im
Dauerregen des Vortags kamen über weiten Teilen Großbritanniens bis 10 mm
zusammen, in Spitzen sogar über 20 mm. Am 11.07. zog die Kaltfront weiter über
Deutschland hinweg und sorgte für zunehmend wechselhaftes Wetter, präfrontal stellte sich jedoch im Osten Deutschlands nochmal heißes Sommerwetter ein. So wurden in Ostfriesland
unter vielen Wolken kaum Höchsttemperaturen von 20°C erreicht, in Regensburg
hingegen stiegen die Temperaturen bei viel Sonnenschein auf 33,5°C an. Auch im
sächsischen Oschatz wurde es mit 32,8°C und in Cottbus mit 32,5°C ein heißer
Sommertag. Die Kaltfront kam bis zum Mittag in den Süden Deutschlands voran,
dort bildeten sich infolgedessen auch erneut zahlreiche Gewitterzellen. Eine
besonders kräftige Zelle zog am frühen Abend auch über Regensburg hinweg, dort
kam es zu schweren Sturmböen bis 97,3 km/h und 18,0 mm Niederschlag in
kürzester Zeit. Jedoch waren die Gewitter über den übrigen Regionen Bayerns
auch sehr stark ausgeprägt. Zudem traten auch intensive Gewitter im gesamten
Umfeld der Alpen, über Polen und bis ins Baltikum auf. Entlang der Okklusionen
über dem Süden Skandinaviens regnete es hingegen bei kühlen Temperaturen
anhaltend. Auch am Abend und in der ersten Nachthälfte gewitterte es in diesen
Gebieten weiter, da die Kaltfront sich nur sehr langsam verlagerte.
Das Zentrum des Tiefs TIBA war indes über
die Nordsee hinweggezogen und hatte sich dabei weiter leicht abgeschwächt. Zu
Beginn des 12.07. war der minimale Luftdruck auf 997 hPa angestiegen, das
Zentrum lag nun vor der norwegischen Küste. In der zweiten Nachthälfte nahm die
Gewitteraktivität deutlich ab und auch der Regen über Skandinavien verlor an
Intensität. Besonders im Alpenraum war aber sehr viel Niederschlag gefallen, in
weiten Teilen der Schweiz und Österreichs sowie Oberbayerns summierte sich
dieser bis zum Morgen um 07 Uhr MEZ auf über 30 mm, die höchste Summe wurde mit
45,5 mm in Zürich registriert. In Regensburg hatte sich der Niederschlag auf
35,5 mm aufsummiert, im polnischen Bialystok wurden 29,0 mm gemessen. Doch auch
der Dauerregen über Skandinavien brachte in der Summe hohe Niederschlagsmengen,
so fielen im norwegischen Drammen Berskog
47,6 mm oder in der schwedischen Hafenstadt Bramon
36,0 mm. Das Tief TIBA zog in den darauffolgenden Stunden in den Norden
Skandinaviens, schwächte sich aber dabei immer stärker ab. Auch die Intensität
der Wetteraktivität entlang der Fronten wurde immer geringer, lediglich über
dem Süden Weißrusslands konnten sich in den Nachmittagsstunden an der voran
gezogenen Kaltfront noch stärkere Gewitter ausbilden.
Um 01 Uhr MEZ des 13.07. befand sich das
Tief TIBA am nördlichsten Punkt der Ostsee, der Druck im Kern war dabei
nochmals leicht auf 998 hPa angestiegen. Die sich immer weiter abschwächende
Okklusion reichte von dort bis in den Nordwesten Russlands, von wo aus eine nur
noch kurze und schwach ausgeprägte Warmfront nach Süden und eine ebenfalls
deutlich abgeschwächte Kaltfront nach Südwesten führten. Die Gewitter des
Vortags hatten im weißrussischen Mogilev für 31,0 mm
Niederschlag gesorgt, im russischen Ivanovo für 26,4
mm und der Regen im Bereich der Okklusion hatte im finnischen Viitasaari 21,0 mm Niederschlag gebracht. Im Verlauf des
13.07. lösten sich die Fronten des Tiefdruckgebiets TIBA langsam auf, der
Tiefdruckwirbel war bis zur Nacht auf den 14.07. soweit abgeschwächt, dass er
auf den Wetterkarten nicht mehr zu erkennen war.
Insgesamt hatte das Tief TIBA über sechs
Tage lang das Wettergeschehen über weiten Teilen Europas maßgeblich mitbestimmt
und hatte neben viel Regen und Wind über Großbritannien und Skandinavien auch
für Hitze und kräftige Gewitter über Mitteleuropa gesorgt.
Geschrieben
am 05.10.2016 von Maximilian Steinbach
Wetterkarte:
11.07.2016
Pate:
Hanyo Lochau