Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet TIMONA

(getauft am 14.09.2020)

 

Am 14.09.2020 erkannten die Meteorologen der Berliner Wetterkarte (BWK), dass sich an einer Wellenstörung am folgenden Tag ein Tief über dem südlichen norwegisch-schwedischen Grenzgebiet bilden würde, welches auf das Wettergeschehen in Europa Einfluss nehmen sollte. Diese Ausgangssituation nahm die BWK zum Anlass dieses Tiefdruckgebiet noch am selbigen Tag für den Folgetag, also in der Prognose, auf den Namen TIMONA zu taufen.

 

Ausgehend von einem Tiefdruckgebiet westlich der Biskaya erstreckte sich um 00 Uhr UTC am 15.09. eine Warmfront von dessen Kern aus bis zur norwegischen Südwestküste. Diese Warmfront trennte arktische Luftmassen von subtropischer Luft. Aufgrund einer weiteren Zyklone, nahe Stockholm, strömte die Luft über Südskandinavien nach Süden, während die Luft über der Nordsee sich nach Norden verlagerte. Durch diese entgegengesetzten Luftbewegungen bildete sich am Mittag des 15.09. über dem südnorwegischen Bergland ein Wellentief, also das Anfangsstadium eines jungen Tiefs, aus. Tiefdruckgebiete drehen sich aufgrund der Corioliskraft (auf der Nordhalbkugel) entgegen des Uhrzeigersinns, wobei sich die Warmfront vor der nachziehenden, aber dafür schneller drehenden Kaltfront befindet.

Somit tauchte Tief TIMONA erstmals am 16.09. um 00 Uhr UTC in dem Analysebereich der BWK auf. Aufgrund der großen thermischen Unterschiede setzte ein rapider Druckabfall ein. So lag am 15.09. um 12 Uhr UTC der Luftdruck mit ca. 1017 hPa noch über dem atmosphärischen Normaldruck von 1013 hPa. 12 Stunden später fiel der Luftdruck um fast 10 hPa. Der Juvvasshøi, ein Berg im südnorwegischen Oppland, vermeldete den niedrigsten Luftdruck von 1007,5 hPa. Das Druckgebilde besaß nun eine abgeschlossene Isobare, weshalb TIMONA nun kein Wellentief mehr, sondern ein eigenständiges Tiefdruckgebiet darstellte. Als Isobare versteht man in der Meteorologie eine Linie gleichen Luftdrucks. Die Kaltfront der Zyklone erstreckte sich südwestlich vom Kern abgehend über die Nordsee bis etwa Nordirland, von dort aus ging sie in die Warmfront des Tiefs westlich der Biskaya über. Östlich des Tiefdruckkerns von Tief TIMONA positionierte sich die Warmfront über der Ostsee, Estland bis in die nördliche Ukraine.

Nahe des Okklusionspunktes, also der Punkt an dem sich Warm- und Kaltfront vereinigen, kamen in Mittelschweden und Mittelfinnland hohe Niederschlagsmengen zusammen. In der finnischen Stadt Oulu, fielen in 12 Stunden bis 18 Uhr UTC 35 l/m², das etwas östlicher gelegene Pelso vermeldete im selben Zeitraum 38 l/m². Zahlreiche Wetterstationen verzeichneten zeitweise starken Regen, zum Teil fielen innerhalb einer Stunde bis zu 9 l/m². Die Niederschläge verlagerten sich im Tagesverlauf weiter nach Osten in Richtung Russland. 24-stündig summierte liegen die Regenmenge in Kajaani in Mittelfinnland bei 62 l/m².

Deutschland erreichte an diesem Tag die kaum wetteraktive Kaltfront von Tief TIMONA. So befand sich am Mittag eine gut ausgeprägte Luftmassengrenze über dem Nordwesten von Deutschland. Dies spiegelte sich deutlich an den Höchstwerten wieder. So wurden vor der Kaltfront vom Saarland bis Brandenburg und Berlin hochsommerliche Höchstwerte von 30 bis 34°C erreicht. Potsdam erreichte 30,0°C und Saarbrücken 33,5°C. Zwischen Emsland und Rügen lagen die Höchstwerte im Bereich der Kaltfront unter 25°C. Am kühlsten war es rückseitig der Kaltfront an der Nordsee mit Werten unter 20°C, wie in Bremerhaven mit 18,7°C. Eindrucksvoll war auch die Temperaturverteilung in Europa. So lagen die Höchstwerte im Warmluftsektor von Tief TIMONA, also der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, auch in Südschweden und den Baltischen Staaten über 25°C, wie in Riga mit 26,8°C. Ganz anders waren die Temperaturverhältnisse nördlich der Luftmassengrenze im Bereich der arktischen Kaltluft. Lagen die Höchstwerte in Mittelschweden und Mittelfinnland am Vortag noch zwischen 12 und 16°C, so wurden am 16.09. nur noch 5 bis 10°C gemessen.

 

Am 17.09. um 00 Uhr UTC befand sich auf der Analysekarte der BWK der Kern des Tiefs TIMONA über Südostfinnland mit einem Druck von 996 hPa. Die Warmfront erstreckte sich über dem Westen Russlands nach Süden und die Kaltfront reichte vom Kern aus über die Baltischen Staaten bis Süddeutschland. Die Okklusion, welche eine Mischfront in Folge der Vereinigung von Kalt- und Warmfront darstellt, drehte sich um den Kern ein und reichte bis Helsinki. Der große Kontrast der Luftmassen zeigte sich in der Nacht in Deutschland deutlich. So waren die Tiefstwerte im Süden bei spätsommerlichem Niveau zwischen 18 und 14°C, wie beispielsweise in Karlsruhe mit 17°C. Im Nordwesten sank rückseitig der Kaltfront die Temperatur unter 10°C, in Quickborn nördlich von Hamburg auf 4,7°C. Auf Bodenniveau, also in 5 cm Höhe gab es sogar nur 2°C. Von Schwaben bis Oberfranken wurde die bis dahin kaum wetterwirksame Front wieder aktiviert, sodass in der Nacht einzelne Schauer und Gewitter auftraten, die maximal 5 l/m² bis zum Morgen brachten.

Am 17.09. tagsüber befand sich Deutschland zwischen Hoch MANFRED über der Nordsee und Tief TIMONA über Finnland in einer nördlichen Strömung. Die Höchsttemperatur lag am Oberrhein nochmals im spätsommerlichen Bereich von 25 bis 28°C. Im Norden wurden meist nur noch 15 bis 20°C vermeldet, Barth schaffte mit 14,7°C nicht einmal die 15°C-Marke. Die Kaltfront von Tief TIMONA löste am Vormittag über dem südlichen Bayern einzelne Schauer und Gewitter aus (0,1 bis 3, vereinzelt 10 mm), sonst blieb es trocken. Der Luftdruck von Tief TIMONA lag am Vormittag bei 995 hPa. Aufgrund des starken Gradienten durch das nachrückende Hoch MANFRED (etwas über 1030 hPa) traten entlang der finnischen Ostseeküste verbreitet orkanartige Böen und Orkanböen auf. Die Insel Kylmäpihlaja (10 km westlich von Rauma) verzeichnete über 7 Stunden Böen von 120 bis 125 km/h. In Riga und Helsinki gab es mit 78 bzw. 87 km/h Sturmböen. Es kam rückseitig der Kaltfront zu einem kräftigen Temperaturrückgang. Wurden am 16.09. in Riga wie oben erwähnt 26,8°C erreicht, so lag die Höchsttemperatur einen Tag später bei nur 13,5°C. In Tallinn ging die Temperatur von 22,4°C auf nur 11,1°C zurück. Entlang der Kaltfront bildeten sich am Nachmittag vor allem über Russland und der Ukraine starke Schauer und Gewitter aus. In Moskau fielen dabei bis zum Folgetag 38 l/m². Mit Durchgang der Kaltfront sank die Temperatur am späten Nachmittag in Moskau von 22°C auf 15°C. In der Nacht zum 18.09. hielt sich die Luftmassengrenze von Tief TIMONA stationär noch am Alpenraum, sodass an der Schweizer Grenze die Tiefstwerte um 18°C lagen. Rückseitig der Kaltfront kühlte es sich besonders im Nordosten gebietsweise unter 5°C ab, teils auch nahe 0°C. Baruth vermeldete 0,4°C, Gardelegen 0,3°C und Quickborn sogar -0,3°C. In Berlin-Dahlem wurden 4,7°C registriert. An den Berliner Stationen Schönefeld, Tegel und Tempelhof gab es den ersten Bodenfrost des Herbstes (Tempelhof sogar -2,4°C).

 

Am 18.09. befand sich Tief TIMONA nördlich von Moskau mit einem Luftdruck von unter 995 hPa. Das Frontensystem lag über dem Westen Russlands, wobei die Kaltfront bis zur nördlichen Küste des Schwarzen Meeres reichte. Die Niederschläge im Bereich der Fronten lagen meist unter 5 l/m². Es kam aber auch im Osten Europas wie schon zuvor in großen Teilen Europas zu einem markanten Temperaturrückgang. In Moskau gab es am 17.09. 22,0°C, am 18.09. dann nur noch 13,5°C als Höchstwert. Noch extremer waren die Unterschiede in Kiew. So ging hier die Maximaltemperatur von 30,3°C auf 12,5°C zurück. Größere Temperaturschwankungen kann es zu dieser Jahreszeit kaum geben. Vom 19.09. bis 21.09. zog die Zyklone weiter nach Nordosten und befand sich am 21.09. über der Barentssee. Auf der Vorderseite eines Troges konnte sich das Tief nochmals verstärken, sodass der Druck im Kern unter 990 hPa sank. Die Niederschläge im Bereich der Fronten beliefen sich auf 1 bis 5, örtlich bis 10 l/m². So erreichte die Kaltfront am 21.09. Workuta. Die russische Stadt liegt nördlich des Polarkreises. Es fielen insgesamt in dem Ort 6,8 l/m². Die Niederschläge gingen mit Einfließen der Kaltluft in Schnee über, sodass am Morgen des 22. Septembers eine Schneedecke unter 1 cm vermeldet wurde. Es war der erste Schnee in Workuta in diesem Herbst. Wurden am 21.09. vor der Kaltfront noch 7,8°C gemessen, so lag der Höchstwert am 22.09. nur bei 1,7°C, in der Nacht gab es leichten Frost.

 

In der Folge zog das Tief weiter nach Norden, sodass es keinen Einfluss mehr auf das europäische Festland hatte. Somit wurde Tief TIMONA am 22. September nicht mehr in dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte verzeichnet.