Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet TINA

(getauft am 23.10.2018)

 

Am 22.10.2018 wurde das Wettergeschehen in Europa maßgeblich durch eine weitreichende Zone hohen Luftdrucks bestimmt. Diese erstreckte sich von Westsibirien bis zum Hoch WOLFGANG nahe den Karpaten und weiter nach Westen bis zum Einflussbereich des kräftig ausgeprägten und umfangreichen Hochs XERXES, welcher nahezu den gesamten Nordatlantik umfasste. Unterstützt wurde das Hoch XERXES durch einen Vorstoß warmer Luftmassen in ca. 5,5 km Höhe, der auch als Keil bezeichnet wird. Dennoch konnte sich über dem Nordmeer ein schwacher Kaltluftvorstoß in der Höhe, auch Trog genannt, nach Süden ausbreiten, wodurch die Strömung von Nordwest nach Südost verlief und es somit den heranziehenden Tiefdruckgebieten ermöglichte auf Südskandinavien sowie Mittel- und Osteuropa überzugreifen. An der Nordflanke des Hochs XERXES im Bodenniveau befand sich derweil das Tief SIGLINDE östlich der Südspitze Grönlands. An dessen nach Südwesten weisender Kaltfront hatte sich bereits aus einer wellenförmigen Störung südlich von Neufundland ein neues Tiefdruckgebiet entwickelt. Da dieses neu entstandene Tief in den folgenden Tagen auch das Wetter Mitteleuropas beeinflussen sollte, wurde es am 23.10. in der Analyse auf den Namen TINA getauft.

An ihrem Tauftag befand sich die Zyklone TINA um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von knapp unter 1000 hPa rund 300 km südlich von Grönland. Vom Zentrum des Tiefs führte einerseits eine Warmfront nach Osten über den Nordatlantik, bevor sie nordwestlich der Britischen Inseln in die Kaltfront des mittlerweile über Südskandinavien liegenden Wirbels SIGLINDE überging. Andererseits verlief eine Kaltfront nach Südwesten in Richtung der Karibik. An der Südspitze Grönlands sorgte die Nähe zum Kern für meist leichten Niederschlag, überwiegend in Form von Schnee. In 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ wurden dabei in Ikerassuaq, auch Prins Christian Sund genannt, insgesamt 14,5 l/m² gemessen. Im Laufe des Tages trat der Schneefall auch schauerartig verstärkt oder mit Regen vermischt auf, wobei bis 19 Uhr MEZ nochmals 2,7 l/m² in Ikerassuaq sowie 10 l/m² in Qaqortoq registriert werden konnten.

In der Folge verlagerte sich das Tief TINA mit nun rund 1005 hPa weiter nach Osten bis über die Dänemarkstraße zwischen Grönland und Island.  Dabei holte die schneller ziehende Kaltfront Teile der vorlaufenden Warmfront ein und hob die Warmluft an. Dadurch entstand am sogenannten Okklusionspunkt, wo Warm- und Kaltfront aufeinandertreffen, ein neuer Frontentyp, welcher als Okklusion bezeichnet wird. Je nachdem ob hinter der Okklusion relativ warme oder kalte Luftmassen einfließen, kann sie auch als Kalt- oder Warmfrontokklusion spezifiziert werden. Die Okklusion reichte um 01 Uhr MEZ vom Kern nach Südosten bis westlich von Island. Von dort erstreckte sich die Warmfront nach Südosten bis zur Nordsee, wo sie sich weiterhin mit der Kaltfront des Tiefs SIGLINDE verband. Die Kaltfront führte hingegen vom Okklusionspunkt nach Südwesten über den Atlantik. Auch in Island resultierte der zunehmende Tiefdruckeinfluss in leichtem Schnee und Regen. In Dalatangi fielen hierbei innerhalb von 15 Stunden bis 10 Uhr MEZ 6 l/m², am Flughafen von Keflavík 7 l/m² und in Reykjavik 12 l/m².

Der Höhenströmung folgend zog das Tief TINA bis zum Abend nach Südosten an die Küste Norwegens nahe Ålesund. Vor allem auf den Shetland-Inseln und im Südwesten Norwegens führte dies zu Niederschlägen. Während in Baltasound eine 12-stündige Regenmenge von 5 l/m² verzeichnet wurde, konnten an den norwegischen Stationen in Furuneset und Tagdalen 7 bzw. 12 l/m² Niederschlag registriert werden. In Deutschland sorgte vor allem die Luftmassengrenze, welche die Tiefs TINA und SIGLINDE verband, für Niederschläge, welche zwar meist unter 10 l/m² blieben, jedoch besonders in hohen Lagen auch vereinzelt zweistellige Werte aufwiesen. So wurden bis 19 Uhr MEZ beispielsweise 12 l/m² auf der Wasserkuppe, 13 l/m² auf dem Brocken und 19 l/m² in Carlsfeld gemessen. Gleichzeitig wurden mit der Warmfront des Tiefs TINA etwas wärmere Luftmassen in den Westen und Süden Deutschlands transportiert. Dies resultierte in einem Anstieg der Höchsttemperaturen um wenige Grad, wie zum Beispiel in Würzburg wo mit 15,5°C insgesamt 3,3 Grad mehr als tags zuvor registriert wurden. In der anschließenden Nacht sorgten die wärmeren Luftmassen in Verbindung mit dichter Bewölkung vor allem im Westen des Landes für eine geringere Auskühlung und dementsprechend höhere Tiefsttemperaturen. Während im nordrhein-westfälischen Werl in der Nacht zuvor noch ein Minimum von 3,1°C verzeichnet wurde, lag die tiefste Temperatur nun bei 11,7°C.

Am 24.10. traten in Deutschland aufgrund der Druckunterschiede zwischen Tief SIGLINDE und Hoch XERXES vor allem in hohen Lagen und im Norden schwere Sturmböen, auf den Berggipfeln mitunter auch Orkanböen auf. Mit der Verlagerung des Tiefs TINA nach Südskandinavien, wo es mit ca. 1000 hPa um 01 Uhr MEZ am 25.10. nahe Oslo analysiert wurde, blieb dieser Druckgradient bestehen und intensivierte in einigen Regionen Norddeutschlands die Böen nochmals. Schwere Sturmböen konnten dabei aus Glücksburg mit 90,1 km/h oder von der Greifswalder Oie mit 100,9 km/h gemeldet werden.

Zu diesem Zeitpunkt verlief die zum Tief TINA zugehörige Okklusion von dessen Zentrum aus nach Nordwesten in Richtung Island. Eine weitere, jedoch nur kurze Okklusion führte nach Süden über den Kattegat, wo sich ihr Okklusionspunkt befand. Die sich abzweigende Warmfront reichte über Ostdeutschland, Tschechien und Österreich bis nach Slowenien, während sich die Kaltfront nach Westen über die Nordsee und Schottland bis über den zentralen Nordatlantik zog. Die ergiebigsten Niederschläge konnten in der Nacht und am frühen Morgen vor allem im Bereich des von Südnorwegen bis zur Ostsee ziehenden Tiefdruckkerns sowie des nahegelegenen Okklusionspunktes als Ort der stärksten Hebung beobachtet werden. Bis 07 Uhr MEZ wurden dabei innerhalb von 12 Stunden in Norwegen 18 l/m² in Innerdalen sowie in Liarvatn und Nedre Vats je 20 l/m² registriert. In Schweden konnten hingegen meist nur geringe Niederschlagsmengen von wenigen Litern pro Quadratmeter gemessen werden. Lokal sorgten Schauer jedoch für mitunter kräftige Niederschläge in lediglich kurzen Zeiträumen. So wurden auf der Ostseeinsel Hanö in nur einer Stunde 58 l/m² Regen verzeichnet. Im Bereich der Fronten fielen die Niederschläge geringer aus, wobei in Carlsfeld und auf dem Brocken noch jeweils 7 l/m² und im polnischen Darlowek 9 l/m² Regen zusammenkamen. Von der Station in rund 2600 m Höhe auf dem Lomnicky Stit in der Slowakei wurden 8 l/m² in Form von Schnee gemeldet. Mit der Warmfront wurde im Tagesverlauf die über Ost- und Teilen Zentraleuropas vorherrschende kühle Subpolar- bzw. Arktikluft durch gemäßigte und subtropische Luftmassen verdrängt. Dadurch kam es im Osten Deutschlands, Teilen Polens sowie in Tschechien, der Slowakei und Österreich zu Temperaturanstiegen von verbreitet 2 bis 4 Grad. Mancherorts lag die Temperaturdifferenz auch darüber, wie an der Station Wien/City, wo mit einem Maximum von nun 18,3°C insgesamt 5,8 Grad mehr als am Vortag registriert werden konnten. Da sich das Zentrum des Wirbels TINA mittlerweile nach Osteuropa verlagert hatte, konzentrierten sich die Niederschläge bis zum Abend vor allem auf den Norden und die Osthälfte Polens. Bis 19 Uhr MEZ fielen dabei in Kielce 11 l/m², in Olsztyn im Nordosten des Landes 15 l/m² und in Elblag östlich von Gdansk 25 l/m².

Um 01 Uhr MEZ des 26.10. wurde das Tief TINA schließlich über dem Südosten Weißrussland analysiert. Der Kerndruck betrug ca. 999 hPa. Vom Zentrum verlief eine kurze Okklusion nach Süden und teilte sich über dem Raum Kiew in eine nach Bulgarien reichende Warmfront und eine nach Westen über die Nordkarpaten bis nach Prag führende Kaltfront auf, welche sich dort mit der Warmfront des nachfolgenden Wirbels UTA verband.

Auf der Rückseite des Tiefs wurden im Norden und Osten Polens bis 07 Uhr MEZ nochmals 9 l/m² in Elblag und 15 l/m² in Olsztyn gemessen. Ansonsten konnten oftmals nur wenige Zehntel Liter pro Quadratmeter, an den Fronten überwiegend auch gar kein Niederschlag registriert werden. Die nach Osten voranschreitenden gemäßigten Luftmassen ließen die Tagesmaxima der Temperatur in Teilen Südosteuropas mitunter deutlich ansteigen. Im serbischen Banatski Karlovac nordöstlich von Belgrad wurde an diesem Tag ein Höchstwert von 19,5°C verzeichnet, während es tags zuvor noch 12,1°C waren.

Im Bereich schwacher Luftdruckgegensätze verlagerte sich das Tief TINA im weiteren Verlauf nach Osten über die Ukraine. Dabei schwächte sich die Zyklone soweit ab, dass es zur Auflösung kam und sie am Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.