Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet TINA
(getauft am 27.07.2010)
Am 26. Juli erstreckte sich ein Ausläufer des Wirbels RENATE von der Ostsee
über Südfinnland und dem Baltikum, sowie Weißrussland, der Westukraine,
Rumänien, dem Bosporus und der Ägäis bis auf das östliche Mittelmeer. Im
südlichen Teil dieses Ausläufers entstand ein neues Tief, dessen Zentrum über
Rumänien lag. Da sich dieses System zu einer eigenständigen und für Europa
wetterwirksamen Zyklone entwickelte, wurde es am 27. Juli auf den Namen TINA
getauft.
Am frühen Morgen des 27. Juli (00 Uhr UTC) befand sich der Kern von TINA
mit einem Druck von ca. 1006 hPa am Ostrand der Karpaten. Von dort aus verlief
eine kurze Okklusionsfront (Mischfront mit Warm- und Kaltfrontcharakter)
nördlich bis nach Moldawien. Dort schloss sich die Kaltfront an, die östlich in
einem großen Bogen von den Karpaten über das Schwarze Meer und die Türkei auf
das östliche Mittelmeer bis nach Sizilien reichte. Dabei kam es vor allem am
Schwarzen Meer und um Sizilien zu recht starken Schauern. In Varna am Schwarzen
Meer regnete es binnen 24 Stunden sogar 35 Liter pro Quadratmeter. Die
Warmfront des Tiefdruckgebietes lag über Nordmoldawien und der westlichen
Ukraine und reichte bis ins Südbaltikum, wo es sich an die Kaltfront von RENATE
anschloss. Entlang dieser Front kam es ebenfalls zu einigen schwachen Schauern.
Dabei entwickelten sich über Ostpolen einzelne Nebelfelder.
Im Laufe des Tages verlagerte das Tief sein Zentrum nach Norden, sodass
am Morgen des 18. Juli der Kern über
Ostpolen lag. Vom Kern aus reichte weiterhin eine Okklusion nach Norden bis
fast an die polnische Ostseeküste. Die Kaltfront erstreckte sich nun von dort
über Weißrussland, der Ukraine und das westliche Schwarze Meer, sowie den
Bosporus bis in die Ägäis und sorgte mit vielen Schauern für teils heftige
Niederschläge. In Košice in der Ostslowakei regnete es 47 l/m² in 24 Stunden.
Die Warmfront verlief über das Baltikum und
Finnland bis zum Weißen Meer und schloss sich dort einem voranlaufenden
Tief an.
Bis zur Nacht auf den 29. Juli (00 Uhr UTC) zog TINA langsam mit dem Kern
bis an die polnische Ostseeküste, wobei die Fronten zunehmend okkludierten.
Nördlich des Kerns reichte die Okklusion nun bis auf die Zentralostsee. Auch
rückläufig bildete sich eine Okklusionsfront aus, die südöstlich bis nach
Ostpolen verlief. Die Kaltfront verlief von der Ostsee über Estland und dem
Grenzgebiet zwischen Weißrussland und Russland, sowie der Zentralukraine und
der Halbinsel Krim auf das Schwarze Meer bis vor die anatolische Küste. Dabei
kam es in Südschweden durch TINA und des vor der schwedischen Westküste
liegenden Tiefs SILKE nochmals zu heftigen Niederschlägen mit teilweise mehr
als 60 l/m² binnen 24 Stunden. Außerdem wurden in Teilen Weißrusslands und der
Ukraine Gewitter vermeldet.
Am 30. Juli hatte sich die Zyklone nach Nordwesten verlagert und das
Tiefdrucksystem SILKE in sich eingeschlossen. Der Kern lag dabei östlich von
Oslo, wobei der Luftdruck im Inneren nun um mehr als 10 hPa auf ca. 995 hPa
sank. Nahe des Kerns an der schwedischen Westküste wurden dabei
Windgeschwindigkeiten von über 50 km/h gemessen. Die Okklusionsfront TINAS
verlief in einem Bogen zunächst westlich, dann nördlich des Kerns entlang der
südlichen Skanden bis in Höhe der Schwedischen Küstenstadt Sundsvall. Dort
schloss sich die Kaltfront östlich verlaufend an und erstreckte sich über die
Ostsee und Finnland, sowie dem Osten
Russlands nahe Moskau bis an den Kaukasus. Dort kam es zu einzelnen Gewittern.
Auch entlang der Warmfront, die weiter nördlich über Schweden und Nordfinnland,
dem Weißen Meer bis zum Nordural verlief kam es zu Gewittern und Regenschauern.
Bis zum Morgen des 31. Juli (00 Uhr UTC) nahm das Tiefdruckgebiet eine sehr
komplexe Gestalt an. Der Kern zog bis vor die norwegische Westküste nördlich
von Trondheim. Südlich entlang der Küste zog sich eine rücklaufende Okklusion,
die südlich bis nach Oslo reichte. Nördlich des Kerns erstreckte sich eine
voranlaufende Okklusion, die sich nahe des Nordkaps in eine Kalt- und eine
Warmfront aufspaltete. Die Kaltfront zog südlich über Finnland und das
Baltikum, sowie Ostpolen, der Slowakei und Ungarn bis zum Balkan. Dort verlief
sie dann in einem Bogen auf die Adria und dort südlich entlang der
italienischen Adriaküste auf das Ostmittelmeer, wo sie sich in einem weiteren
Bogen bis nach Tunesien erstreckte. Dabei wechselte sie mehrmals den Warm- und
Kaltfrontcharakter. Außerdem bildete sich nahe Bari ein neuer Kern aus. Sowohl
im nördlichen, als auch im südlichen Bereich der Front kam es immer wieder zu
Gewittern. Dabei regnete es in Tschechien und der Slowakei bis zu 20 l/m² binnen
24 Stunden. Die Warmfront von TINA verlief dagegen östlich auf der südlichen
Barentssee und spaltete sich nördlich der Halbinsel Kola erneut in Warm- und
Kaltfront auf. Die östlich der ersten Kaltfront verlaufende zweite Kaltfront
reichte dabei über das Weiße Meer und Zentralrussland östlich von Moskau bis in
die südliche Ukraine nahe der Halbinsel Krim. Auch diese änderte auf Höhe von
Moskau ihren Charakter in den einer Warmfront, sorgte jedoch im gesamten
Einflussgebiet für geringe Niederschlagsmengen. Die Warmfront des
Tiefdrucksystems TINA erstreckte sich weiter nach Osten bis zum Ural und
schloss sich dort an die Kaltfront eines voranlaufenden Tiefs an. Dort gewitterte
es und vereinzelt kam es zu Nebelfeldern.
Der Folgetag zeigte erneut eine starke strukturelle Änderung des
Tiefdrucksystems auf der Bodenwetterkarte. TINA hatte bis zum Morgen des 01.
August zwei Kerne ausgebildet. Der Kern TINA I lag östlich von Spitzbergen,
TINA II vor der norwegischen Westküste auf Höhe des Polarkreises. Beide hatten
einen Kerndruck von etwa 1000 hPa. Vom südlichen Kern TINA II reichte eine
Okklusionsfront nördlich über das Europäische Nordmeer bis zum Kern TINA I und
von dort aus in einem Bogen östlich über die Inselgruppe Nowaya Semlya bis nach
Workuta am Nordural. Dort spaltete sie sich auf in die östlich des Urals
verlaufende Warmfront, die großflächig für bedeckten Himmel sorgte und die
Kaltfront, die westlich des Urals nach Südwesten verlief. Sie erstreckte sich
südlich von Archangelsk und St. Petersburg bis nach Litauen, nahm dort jedoch
Warmfrontcharakter an und verlief südlich über Ostpolen und die Karpaten bis
nach Bulgarien. Dort regnete es nochmals bis zu 26 l/m² innerhalb von 24
Stunden.
Auch am 02. August änderte sich die Struktur der Zyklone. Der Kern des
Tiefdruckgebietes lag mit einem Luftdruck von etwa 1005 hPa nordwestlich der
Lofoten auf dem Europäischen Nordmeer. Südwestlich verlief eine rücklaufende
Okklusion bis auf die Höhe von Trondheim. Nordöstlich beschrieb eine
voranlaufende Okklusion einen Bogen um die Nordskanden. Am Nordkap teilte sich
diese in die südlich verlaufende Kaltfront, die sich an die Warmfront des über
Mittelschweden liegenden Tiefs USCHI anschloss und in die Kaltfront, die sich
in einem Bogen nordöstlich auf die Barentssee erstreckte.
Am Morgen des 03. August (00 Uhr UTC) lag der Kern wie am Vortag
nordwestlich der Lofoten. Die Okklusion verlief in einem Bogen bis vor die
Halbinsel Kola. Von dort reichte eine Front von Finnland über das Baltikum,
Zentralpolen und Westtschechien, entlang der Ostalpen bis nach Norditalien,
machte dort einen Bogen nach Westen und verlief dann entlang der französischen
Mittelmeerküste bis nach Spanien. Dabei wechselte diese sehr häufig zwischen
Warm- und Kaltfrontcharakter. In Polen kam es dabei zu Gewitter, in den
nördlichen Alpen zu Schauern mit bis zu 28 l/m² in 24 Stunden. Auch der Süden
Frankreichs wurde von vielen Schauern mit ähnlichen Niederschlagsmengen überzogen.
An der Warmfront, die im Norden Russlands ein ausgedehntes Hoch durchquerte kam
es dagegen meist zu leichter Bewölkung.
Am 04. August zog der Kern TINAS auf der Rückseite eines Troges nach Westen
auf das Europäische Nordmeer. Vom Kern bis zur Halbinsel Kola erstreckte sich
eine Okklusion, die allerdings nur in der Höhenkarte (850 hPa Niveau) sichtbar
war. Die sich anschließende Warmfront blieb fast ortsfest zum Vortag und sorgte
nahe des Weißen Meeres für einige schwache Schauer. Die Kaltfront lag über der
Halbinsel Kola und schloss sich weiter südlich der Warmfront eines
nachfolgenden Tiefdruckgebietes an. Die Temperaturunterschiede entlang dieser
Front lagen von rund 12°C über Skandinavien bis 22°C über Russland. Im
Tagesverlauf ließ der Wirbel jedoch an Wetterwirksamkeit nach.
Am Morgen des 05. August wurde TINA nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte
als eigenständiges Tiefdruckgebiet aufgeführt.
Geschrieben am
20.09.2010 von Benjamin Siebert
Wetterkarte:
30.07.2010
Wetterpate: Matthias Hanske