Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet TOMRIS

(getauft am 10.02.2020)

 

Am 10.02.2020 wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte ein Tiefdruckgebiet in der Prognose auf den Namen TOMRIS getauft. Dieses entwickelte sich in den Abendstunden des 10.02. vor der Küste Neufundlands und zog von dort aus im Verlauf des 11.02. zügig ostwärts auf den Atlantik weiter, wobei der Luftdruck im Zentrum des Tiefs rasch sank. Zum Nachmittag begann das Tief zu okkludieren, was bedeutet, dass sich im Bereich des Tiefzentrums eine Okklusionsfront bildete. In der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront zusammenlaufen, heißt Okklusionspunkt.

Um 01 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) des 12.02. befand sich der Kern des Tiefs TOMRIS ca. 2000 km südlich der Südspitze Grönlands. Die kurze Okklusion verlief im Uhrzeigersinn um das Zentrum herum und dann nach Süden weiter, wo sie sich in den ebenfalls kurze, nach Südosten verlaufende Warmfront und die nach Südwesten reichende Kaltfront aufspaltete. Der Luftdruck im Zentrum war derweil auf unter 995 hPa gefallen. Auch am 12.02. zog der Tiefdruckwirbel TOMRIS ostwärts über den Nordatlantik hinweg, die Niederschläge entlang seiner Fronten konnten aber zu diesem Zeitpunkt noch von keiner Wetterstation aufgezeichnet werden. Erst zum Abend erreichten die Frontausläufer die Westküste Irlands, wo es kräftig zu regnen begann.

Bis in die Frühstunden des 13.02. war das Zentrum des Tief TOMRIS vor die irische Küste gezogen, wobei der minimale Druck im Kern des Tiefs weiter auf unter 980 hPa gesunken war. Die Okklusion hatte das Tiefzentrum nun einmal komplett umschlungen und reichte über Irland hinweg auf die Keltische See, die Meerenge zwischen Irland und Wales. Von dort aus verlief die Warmfront über den Südwesten Englands und den Nordwesten Frankreichs bis zur Biskaya und die Kaltfront über den Atlantik nach Südwesten bis knapp nördlich der Azoren. In der zweiten Nachthälfte breiteten sich die Niederschläge weiter über die gesamten Britischen Inseln und den Nordwesten Frankreichs aus, zudem wurden der Süden Englands und der Norden Frankreichs von einem Sturmfeld erfasst, welches sich auf der Südseite des Tiefs TOMRIS gebildet hatte. In diesem wurden im englischen Cardinham dabei Böen bis 104 km/h gemessen, in französischen Cherbourg bis 101 km/h. Entlang der Kaltfront traten auch einzelne Gewitter auf. Bis 07 Uhr MEZ waren im Zusammenhang mit dem Tief TOMRIS im walisischen Sennybridge 17,6 mm Niederschlag gefallen und im französischen Landivisiau 11,0 mm. Die Niederschläge entlang des Frontensystems des Tiefs breiteten sich in den folgenden Stunden immer weiter ostwärts aus und erreichten am Vormittag auch den Westen Deutschlands. Besonders in den westdeutschen Mittelgebirgen oberhalb von 500 m fiel der Niederschlag dabei als Schnee. Das Zentrum des Tiefs, in dem der Luftdruck wieder leicht zu steigen begann, zog über die Britischen Inseln hinweg, die Kaltfront überquerte bis zum Nachmittag weite Teile Frankreichs, wobei weitere, teils kräftige Gewitter auftraten. Diese sorgten wie beispielsweise in der Gemeinde Avord auch für schwere Sturmböen bis 108 km/h. Diese hohen Windgeschwindigkeiten kamen vor allem durch die starke Höhenströmung, besonders auf der Südseite des Tiefs TOMRIS zustande. Diese führte am Abend und in der Nacht auch zum Auftreten von Orkanböen auf den Gipfeln der Alpen, zudem schneite es dort sehr kräftig. Auf dem 1607 m hohen Chasseral im Schweizer Jura wurden Böen bis 154 km/h gemessen, die Wetterstation auf der Zugspitze registrierte ebenfalls Orkanböen bis 144 km/h.

 

Um 01 Uhr MEZ des 14.02. befand sich der Kern des Tiefs TOMRIS mit einem auf etwa 1003 hPa gestiegenen Druck über der Deutschen Bucht, von wo aus die Okklusion über den Nordosten Deutschlands und Polen bis nach Ungarn reichte. Von dort aus verlief die Warmfront über den Balkan bis in den Süden Italiens, die Kaltfront war über die Alpen nach Norditalien gezogen. Auf der Rückseite des Tiefs hatte sich zudem eine weitere Okklusionsfront gebildet, an der von Westen her starke Schauer über Deutschland hinwegzogen. Das Tiefdruckgebiet TOMRIS hatte insgesamt in den 24 Stunden bis 07 Uhr MEZ, in denen es über Mitteleuropa hinweggezogen war, für einiges an Niederschlag gesorgt. Im französischen Bourges wurden 15,7 mm gemessen, in Meppen 11,8 mm und auf dem Säntis in der Schweiz sogar 53,0 mm. In den folgenden Stunden zog das Zentrum des Tiefs über Polen hinweg und schwächte sich dabei noch weiter ab. Im Bereich der Kaltfront regnete es jedoch nach wie vor stark, über Italien entwickelten sich sogar zahlreiche Gewitter, die zum Abend auch Albanien und den Westen Griechenlands erreichten. Weiter nördlich, im Umfeld des Tiefzentrums, regnete es nur noch schwach. Dies machte sich auch in den 12-stündigen Niederschlagssummen bis zum Abend bemerkbar. Dort fielen verbreitet nicht mehr als 1-2 mm Niederschlag. Ganz anders bedingt durch die Kaltfront des Tiefs im Mittelmeerraum: am Flughafen der griechischen Stadt Ioannina waren 19,0 mm gefallen, im italienischen Brindisi 34,2 mm und auf der Insel Sazan vor der albanischen Küste sogar 52,5 mm.

Bis zu den frühen Morgenstunden des 15.02. war das Tief TOMRIS in die Ukraine weitergezogen, der zentrumsnahe Luftdruck betrug nun jedoch schon mehr als 1020 hPa. Die noch verbliebene, schwache Okklusion verlief über Rumänien und Bulgarien hinweg in den Norden von Griechenland, sorgte im Allgemeinen aber nicht mehr für viel Niederschlag. Im weiteren Verlauf des 15.02. löste sich das Tiefdruckgebiet dann vollständig auf.

Insgesamt hatte das Tief TOMRIS über 4 Tage lang das europäische Wettergeschehen mitbeeinflusst, war dabei über Großbritannien und Mitteleuropa mit Sturm und viel Regen hinweggezogen und hatte später über Südeuropa für zahlreiche Gewitter gesorgt.