Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
TONI
(getauft
am 10.12.2019)
Zu Beginn der 2. Dezemberdekade
veränderten sich die Luftströmungen über dem Nordatlantik. Der Jetstream, ein
Starkwindband in 8-10km Höhe, zugleich Steuerungszentrale der Atlantischen Tiefdruckgebiete
der mittleren Breiten, veränderte hierbei sein Zirkulationsmuster von einer
mäandrierenden zu einer zonal orientierten Strömung. In der Folge sollten
wiederholt Tiefdruckgebiete vom Atlantik rasch auf West- und Mitteleuropa
übergreifen und für einen unbeständigen, wechselhaften, nasskalten
Wetterabschnitt sorgen.
Ein eben solches Atlantiktief bildete
sich im Laufe des 10.12. über dem Nordosten Kanadas. Es erhielt den Namen TONI
und tauchte erstmals am 11. Dezember im Ausschnitt der Berliner Wetterkarte
auf. Um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, befand es sich mit seinem
Zentrum bereits im Seegebiet zwischen Neufundland und Grönland über der
Labradorsee, wobei der Luftdruck hier etwas weniger als 985 hPa betrug. Die für
ein Tief typischen Fronten reichten als Warmfront südostwärts
bis in den Bereich des mittleren Atlantiks, sowie als Kaltfront südwestwärts entlang von Neuschottland und den
Neuenglandstaaten bis an die amerikanische Ostküste.
In den folgenden 48 Stunden
verlagerte sich der Wirbel mit seinem Kern rasch entlang der Südspitze
Grönlands, südlich an Island vorbei in Richtung Britischer Inseln, wobei der
Luftdruck auf unter 970 hPa sank.
Über dem Europäischen Kontinent
machte sich die Zyklone erstmals in der Nacht zum 12. Dezember bemerkbar, als
vom Atlantik Regenwolken die Küsten Irlands, Frankreichs, sowie Nordspaniens
erreichten. Tagsüber breitete sich der Regen rasch weiter ins Landesinnere aus,
dabei fielen innerhalb eines 12-stündigen Messintervalls meist mehrere Liter
bis hin zu Dutzenden Liter pro Quadratmeter. Die Wetterstationen registrierten wie
im englischen Nottingham 15 l/qm, in Paris 6 l/qm, im baskischen Bilbao 12 l/qm
und in Bordeaux gar 23 l/qm. Vor allem über Nordwestspanien waren die
Niederschläge schauerartig verstärkt, stellenweise regnete es 30 l/qm oder
mehr, zwischen 06 Uhr und 18 Uhr UTC.
In der folgenden Nacht setzten sich
die Niederschläge fort und erreichten bald schon die Benelux-Staaten, den Osten
Frankreichs, sowie die Westalpen. Dabei regnete es bis zum darauf folgenden
Morgen meist 5-10 l/qm in 12 Stunden, in den Westalpen auch bis zu 20 l/qm und
in den Pyrenäen, sowie dem Baskenland verbreitet zwischen 20 l/qm bis über 40
l/qm (z.B. Lekaroz, nördlich von Pamplona 47 l/qm).
In den Alpen fiel oberhalb von 500-600 m Schnee, in den Pyrenäen lag die
Schneefallgrenze bei über 1000 m. Gleichzeitig erfasste in der zweiten
Nachthälfte das Sturmfeld der Zyklone vom Atlantik her Frankreich und den Süden
Englands mit starken-stürmischen Böen, direkt an der Küste kam es zu einzelnen,
schweren Sturmböen und orkanartige Böen
In den Frühstunden des 13. Dezember
befand sich Tief TONI mit seinem Zentrum bereits über dem Vereinigten
Königreich, wo der Luftdruck nun auf knapp unter 970 hPa gesunken war. Das
Frontensystem der Zyklone stellte sich auf den Bodendruckkarten mittlerweile
recht komplex dar. Satellitenbilder zeigen ein Wolkenband, welches vom Zentrum
aus über die Nordsee, die Benelux-Staaten und Ostfrankreich bis nach
Nordwestitalien verläuft, dahinter eine weitere Front, die südwärts über
Frankreich bis nach Spanien und Portugal reichte und in einem kompakten
Wolkengebiet über der Biskaya und dem Ostatlantik mündete. Schließlich spannten
sich weitere, teils verwirbelte Wolkenbänder westlich des Zentrums über den
Nordatlantik.
In den folgenden Tagen sollte Tief
TINO ohne nennenswerte Luftdruckänderung über den Britischen Inseln quasi
stationär verbleiben und die Rolle des steuernden Tiefs für das Wetter in
großen Teilen Europas einnehmen. Aufgrund der zyklonalen
Drehrichtung (gegen den Uhrzeigersinn) strömte auf der Rückseite ein Schwall
kühlerer Nordatlantikluft vor allem in der Höhe südwärts. Im Mittelmeerraum
führte dies noch am selben Tag zu einer Zyklogenese über Italien, die in der
Entstehung eines neuen Tiefs (UWE) mündete. Ansonsten änderte sich am
Temperaturniveau gegenüber den vorangegangenen Tagen wenig. Über Großbritannien
und Irland, wie auch den Benelux-Staaten und weiten Teilen Frankreichs
erreichten die Höchstwerte meist 5-10°C (Amsterdam 8°C, London, Paris 9°C, Lyon
10°C).
Regen fiel an diesem 13. Dezember vor
allem in einem breiten Streifen von der Nordsee über Benelux, West- und
Süddeutschland, der Schweiz bis nach Südfrankreich und Nordspanien. Die
Intensität lag ähnlich dem vorangegangenen Tag bei meist 5-10 l/qm, in den
Mittelgebirgen und Alpen bei bis zu 20 l/qm und in den Pyrenäen und
Südfrankreich bei bis zu 40 l/qm. Gerade über Deutschland gingen die
Niederschläge zeitweise bis in Flachland als Schnee nieder. So meldete die
Station am Hannoveraner Flughafen zwischen 9 und 12 Uhr leichten Schneefall,
ehe ab dem Nachmittag die Niederschläge wieder in Regen übergingen. Liegen
blieb der Schnee im Flachland natürlich nicht, lediglich die Bergstationen
meldeten um 18 Uhr UTC eine Schneedecke, wie etwa in Zinnwald
mit 5 cm, auf dem Brocken mit 15 cm oder auf dem Großer Arber mit 57 cm.
Neben den Niederschlägen sorgte
Sturmtief TONI weiterhin für einen lebhaften Wind, dabei verlagerte sich das
Sturmfeld von Frankreich aus zum Nachmittag in Richtung westliches
Mitteleuropa. Einzelne Sturmböen bis 80 km/h wurden in der Mittagszeit in Paris
gemessen, in den Nachmittagsstunden kam es dann auch im schweizerischen und
westdeutschen Flachland zu einzelnen Sturmböen, in den deutschen Mittelgebirgen
auch zu schweren Sturmböen bis 98 km/h.
In der sich anschließenden Nacht
überquerte das mittlerweile vollständig okkludierte Frontensystem von Tief TONI
Deutschland weiter ostwärts. Leichte Niederschläge erreichen bis zum Morgen
Oder und Neiße sowie Vorpommern. Dabei fielen gerade in Richtung Norden, also
in Schleswig-Holstein und Mecklenburg zeitweise Schnee. Immerhin konnte am
Morgen des 14.12. zwischen Waren, Parchim, Wittstock und Neuruppin eine dünne,
durchbrochene Schneedecke beobachtet werden, die aber alsbald wieder wegtaute.
Der Wind ließ vorübergehend auch über Mitteleuropa nach, lebte jedoch alsbald
mit der Annäherung eines neuen Atlantiktiefs über Frankreich, Benelux und
schließlich auch über Deutschland wieder stürmisch auf.
An den folgenden Tagen, zwischen dem
14. und 16.12. setzte sich das turbulente, wechselhaft-windige und nasskalte
Wetter über der Nordwesthälfte Europas fort. Hierfür war allerdings nicht nur das Britannientief alleine
verantwortlich, sondern eine Reihe weiterer, kleiner Tiefdruckgebiete (VEIKO,
WILFRIED, SIRO) die mit der Höhenströmung vom Atlantik Richtung Frankreich bzw.
Britischer Inseln zogen und in die Zirkulation von Tief TONI mit aufgenommen
wurden. Während also bereits am 14.12. neue Niederschläge von Frankreich her
auf Mitteleuropa, respektive Benelux und Deutschland übergriffen, drangen die
Ausläufer von Tief TONI langsam bis nach Skandinavien vor. Regen- und
Schneefälle kamen auf, die hinsichtlich der Intensität mit 2-5 l/qm in 12
Stunden, gebietsweise auch an 10 l/qm etwas schwächer als noch über Westeuropa
ausfielen. Vor allem über Mittel- und Nordschweden, sowie in Lappland wuchs die
vorhandene Schneedecke zwischen dem 14. und 17. Dezember um mehrere Zentimeter,
wie Messungen etwa aus dem mittelschwedischen Aspeå
bestätigen (von 24 cm auf 39 cm). Auch über dem Vereinigtem Königreich, nahe
dem Zentrum der Zyklone, blieb das Wetter an jenen Tagen noch wechselhaft mit
wiederholten Regenschauern. Aufsummiert über die 3 Tage fielen jedoch meist nur
um die 10 l/qm, und damit deutlich weniger als zuvor. Gleichzeitig erreichte
nun doch noch ein Schwall etwas kühlerer Nordatlantikluft die Britischen
Inseln. So fielen die Niederschläge teils als Schnee und in der Nacht wurde bei
größeren Auflockerungen oder Aufklaren gebietsweise leichter Luftfrost
registriert, wie etwa in der Nacht zum 17.12. Dabei sank die Temperatur in Hawarden, südlich von Liverpool auf -1,4°C.
Unterdessen begann sich Tief TONI
bereits ab dem 16.12. abzuschwächen. Dies äußerte sich zum einen am Luftdruck,
welcher langsam anstieg und am Morgen des 17.12. bei nur noch wenig unter 990
hPa lag. Zum anderen ließen die Niederschläge insgesamt nach, und auch der Wind
schwächte sich im Einflussbereich der Zyklone merklich ab. Regen gab es
beispielsweise am 17.12. noch entlang der norwegischen Küste, und zwischen
Schottland und Island, die Mengen blieben jedoch gering. Auch über Teilen
Frankreichs, sowie Dänemark, Südschweden und Spanien fiel am Rande eines
weiteren Randtiefs noch zeitweilig leichter Regen.
Am Morgen des 18. Dezember war Tief
TONI kaum mehr in den Bodendruckkarten zu lokalisieren. Lediglich zwei
kleinräumige Kerne über den Färöer-Inseln, sowie über der nördlichen Nordsee
belegten noch seine Existenz. Der Luftdruck betrug um 00 Uhr UTC noch etwas
weniger als 995 hPa. Im weiteren Tagesverlauf, mit Annäherung eines neuen
Atlantikwirbels (YADID) verschwand schließlich Tief TONI aus den Wetterkarten.