Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet TORALF
(getauft am 19.10.2015)
Am 19. Oktober wurde Europa von zwei Druckgebilden
beeinflusst. Zum einen von dem Hochdruckgebiet QUINTA über den Britischen
Inseln und zum anderen befand sich ein namensloser Tiefdruckkomplex mit Kern
ca. 300 km südwestlich von Portugal. Dieses Tiefdruckgebiet wies einen zweiten
schwächeren Kern auf, der sich über dem nördlichen Algerien positionierte. Vom
zentralen Portugal erstreckte sich bogenförmig die Okklusion über die Straße von
Gibraltar, Marokko bis über Gran Canaria. Eine Okklusion ist eine Mischfront
und entsteht, wenn die sich schneller bewegende Kaltfront die Warmfront einholt
und sich unter diese schiebt. Abgesondert vom Kern des Tiefdruckgebietes konnte
eine Warmfront analysiert werden. Diese erstreckte sich vom nördlichen Spanien
über Korsika bis Kroatien. An dieser Störung konnte sich im Laufe des 19.
Oktobers ein weiteres Tiefdruckgebiet entwickeln, welches in der Prognose für
den Folgetag auf den Namen TORALF getauft wurde. Erstmalig taucht das Tief
TORALF auf der Berliner Wetterkarte am 20. Oktober um 01 Uhr MEZ auf. Dabei war
das Tief schwach ausgeprägt und es konnten zwei Kerne analysiert werden. Ein
Kern befand sich über Ungarn knapp 150 km südöstlich von Budapest, der zweite
über Montenegro. Beide Kerne wiesen einen Druck von ca. 1010 hPa auf. Die
Okklusion erstreckte sich bogenförmig von Budapest entlang der ungarischen
Grenze bis zum zweiten Kern des Tiefdruckgebietes. Dort ging die Okklusion in
eine Kaltfront über. Diese erstreckte sich von Montenegro über Mittelitalien,
Sardinien bis über Palma de Mallorca. Anschließend wurde die Kaltfront durch
das Tief südwestlich von Portugal nach Norden abgelenkt, sodass von Palma bis
ca. 300 km östlich von Lissabon eine Warmfront analysiert werden konnte.
Im Laufe des Tages bewegte sich das Tief TORALF
nach Nordosten, währenddessen seine Fronten sich nach Südosten verlagerten.
Somit überquerten die Kaltfront bzw. die Okklusion Süditalien, Albanien, den
Süden Serbiens, Mazedonien, den Norden Griechenlands, Bulgarien, Rumänien und
Moldawien.
Ein Tiefdruckgebiet dreht sich gegen den
Uhrzeigersinn. Dementsprechend wird vorderseitig mit südwestlichen Winden warme
Luft herangeführt, wohingegen hinter der Kaltfront mit nördlichen Winden kältere
Luft einfließt. In den genannten Regionen kam es mit dem Durchzug der Kaltfront
zu einem Temperaturrückgang. Dieser war in der Nähe des Kerns deutlich
ausgeprägter. In Rom wurden am 19. Oktober 24°C erreicht, am 20. Oktober nur
geringfügig kältere 22°C. Im Südosten Italiens war der Rückgang stärker
ausgeprägt. In Bari wurden am Vortag 28,0°C erreicht, am Folgetag nur noch
16,9°C. Auch in den übrigen genannten Ländern kam es zu deutlichen
Temperaturrückgängen. Beispielsweise kletterte das Thermometer im südserbischen
Ort Nis am 19. Oktober noch auf sommerliche 25°C. Am
20. Oktober wurden gerade einmal 11°C gemessen. Die Höchstwerte erreichten vor
der Kaltfront gebietsweise noch 20 bis 25°C, im Süden Griechenlands mit
Warmluftzufuhr 32°C. Hinter der Kaltfront blieb es mit 10 bis 17°C herbstlich
kühl. Sarajevo erreichte beispielsweise nur 9°C, Belgrad 12°C und Bukarest
17°C. Etwas wärmer blieb es entlang der Mittelmeerküste mit 17 bis 21°C.
Verbunden mit dem Temperaturrückgang traten
kräftige Regenfälle auf. In der Nähe des Kerns und der Okklusion waren diese
meist skalig, entlang der Kaltfront auch konvektiver
Natur. So gab es entlang der Zugbahn des Kerns und der Fronten intensive
Niederschlagsereignisse. Von Albanien über Bulgarien, Rumänien, der Ukraine,
dem Süden Weißrusslands, der Slowakei, Österreich bis Serbien wurden
gebietsweise 5 bis 20 mm gemessen. 24-stündige Niederschlagsmengen im
Unwetterbereich traten verbreitet im Westen der Slowakei, Bosnien-Herzegowinas
und im Westen Ungarns auf. Dabei wurden 30 bis 56 mm registriert, wie
beispielsweise in Bratislava mit 33 mm und im westungarischen Veszprem mit 56 mm. Starke Gewitterzellen konnten sich über
dem warmen Mittelmeer entwickeln. Diese brachten örtlich kräftige
Niederschläge. Blieb es in Neapel ganztägig trocken, so wurde die ca. 30 km
südlich gelegene Insel Capri von einer Gewitterzelle
überquert. In 24 Stunden konnten 165 mm gemessen werden, davon fielen 143 mm in
nur 6 Stunden. Zum Vergleich, in Berlin fallen im ganzen Oktober durchschnittlich
nur 35 mm. Sonnenstunden konnten in den Gebieten, die vom Frontensystem
beeinflusst wurden, nicht gemessen werden. Nur vor der Kaltfront gestaltete
sich das Wetter freundlich bei 5 bis 9 Stunden Sonne. Starke Windböen blieben
aufgrund schwacher Höhenwinde meist aus. Nur örtlich wurden Windböen über 50
km/h erreicht, wie beispielsweise im kroatischen Dubrovnik mit 59 km/h.
Am 21. Oktober positionierte sich der Kern von
Tief TORALF über das Länderdreieck Polen-Ukraine-Weißrussland. Mithilfe eines ausgeprägten
Höhenwirbels in der mittleren Atmosphäre konnte sich das Druckgebilde etwas auf
einen Druck von ca. 1008 hPa vertiefen. Neben der Kaltfront bildete sich im
Vorfeld eine Warmfront, sodass ein sogenannter Warmluftsektor entstehen konnte.
In diesem Gebiet findet verstärkt Warmluftzufuhr statt. Die Okklusion
erstreckte sich vom Kern ca. 300 km nach Südosten und befand sich über dem
Westen der Ukraine. Von diesem Punkt, dem Okklusionspunkt, erstreckte sich die
Warmfront nach Südosten über das gesamte Schwarze Meer. Die Kaltfront reichte
vom Okklusionspunkt entlang der Westküste des Schwarzen Meeres über dem
Bosporus und Zentralgriechenland bis über die italienische Südostküste. Dort
ging sie in die Warmfront eines kleinen Mittelmeertiefs über. Das direkte Einflussgebiet
erstreckte sich daher von Ostpolen, Südlitauen, der Ukraine, Moldawien, Ostbulgarien
bis Griechenland und über die Türkei.
Die Höchstwerte der Temperatur erreichten in
Griechenland, der Türkei sowie am Schwarzen Meer vor der Kaltfront nochmals 20
bis 28°C bei erneuten 5 bis 9 Sonnenstunden. Sonst lagen die Maxima abseits der
Fronten in der eingeflossenen kühleren und unter leichten Hochdruckeinfluss
stehenden Luftmasse bei 10 bis 17°C. Sonnenschein gab es dort, wie in den
Gebieten unter Fronteneinfluss, keinen. Bei nur schwachen Winden konnte sich
gebietsweise Hochnebel, Nebel und feuchter Dunst ganztägig halten.
Nahe Moskau befand sich zum selben Zeitpunkt das
stark ausgeprägte Hochdruckgebiet ROSWITA mit einem Zentrumsdruck von ca. 1033
hPa. An dessen Ostflanke wurde Kaltluft herangeführt. Damit wurde es von
Nordosten her immer kälter. Von der Zentralukraine über Nordrumänien, der
Slowakei, Polen und im Westen Weißrusslands wurden Höchstwerte von 6 bis 10°C
registriert. Im restlichen Weißrussland und im Norden der Ukraine gab es
frühwinterliche Maximalwerte von 2 bis 6°C. Minsk erreichte beispielsweise 3°C
und Kiew 5°C. Wie am Vortag wurden auch am 21. Oktober hohe 24-stündige
Regenmengen entlang der Fronten registriert. Besonders entlang des Kerns wurden
verbreitet 20 bis 35 mm gemessen. Im ostpolnischen Ort Siedlce
wurden 20 mm, in Kiew 22 mm und bis zu 38 mm in Sluzk
in Weißrussland gemessen. Am Abend konnte im äußersten Nordosten der Ukraine
bei 1 bis 3°C sogar kurzzeitig leichter Schneefall und Schneeregen vermeldet
werden. Sonst bewegten sich die Niederschlagsmengen im Bereich von 5 bis 15 mm,
nur am Schwarzen Meer sowie im Westen der Türkei wurden im Zusammenhang mit
Gewittern vereinzelt höhere Mengen verzeichnet, wie 27 mm in Odessa und 35 mm
in Antalya. Stärkere Windböen blieben erneut aus, nur örtlich wie
beispielsweise in Odessa konnten mit 68 km/h stürmische Böen verzeichnet
werden.
Zum 22. Oktober verlagerte sich das Tief TORALF nur
wenig nach Nordwesten und lag weiterhin über Ostpolen und dem Westen
Weißrusslands. Der Druck stieg etwas an und lag bei ca. 1012 hPa. Die Okklusion
reichte bis zur Halbinsel Krim. Von dort erstreckte sich die Warmfront entlang
der Nordküste des Schwarze Meeres, die Kaltfront verlief bogenförmig über das
Schwarzen Meer bis über Istanbul. Dort ging sie erneut in die Warmfront eines
Mittelmeertiefs über. Somit verkleinerte sich das Einflussgebiet stark. Im
Osten von Polen, im Westen der Ukraine und auf der Krim wurden 5 bis 15 mm
Regen verzeichnet. Spitzenreiter war die ostpolnische Stadt Zamosc
mit knapp 16 mm in 24 Stunden. Sonst blieben die Mengen geringer und lagen
meist bei 0,1 bis 2 mm. Das Mittelmeertief konnte sich unterdessen deutlich
vertiefen und brachte von Südostitalien über Griechenland bis zur Türkei
intensive Niederschläge, 20 bis 60 mm, örtlich bis zu 135 mm wurden gemessen.
Das Tief TORALF trennte sibirische Kaltluft von
mäßig warmer Atlantikluft. Entlang der Fronten wurden 6 bis 9°C, westlich 9 bis
15°C und östlich kalte 1 bis 5°C verzeichnet. Bei nur schwachen
Luftdruckgegensätzen blieb der Sonnenschein erneut aus. Verbreitet fiel aus dem
Hochnebel geringer Sprühregen, entlang der Fronten auch Regen. Stärkere
Windböen wurden abermals nicht beobachtet. Nur östlich der Krim konnten mit
Kaltfrontdurchgang 54 bis 64 km/h registriert werden.
Bis zum 23. Oktober schwächte sich das
Druckgebilde weiter ab. Der Kern befand sich dabei über der zentralen Ukraine
mit einem Druck von ca. 1013 hPa. Die Okklusion und Warmfront waren bereits vom
Zentrum separiert und befanden sich nordöstlich der Krim, wo sich ein neues
Tief bildete. Tief TORALF beeinflusste nur noch Teile der Ukraine. Im Westen
dieser fielen tagsüber bei bedecktem Himmel 0,1 bis 2 mm Regen. Im Vorfeld des
Tiefs ULI wurden dort etwas wärmere 8 bis 14°C erreicht, Kiew erreichte 9°C.
Anschließend bewegte sich der schwache Kern etwas nach Osten und löste sich am
Abend des 23. Oktober auf.
Geschrieben am 11.11.2015 von Dennis Schneider
Berliner Wetterkarte: 21.10.2015
Pate: Toralf Kahlert