Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet TORSTEN

(getauft am 25.11.2017)

 

In der Nacht zum 25.11.2017 entwickelte sich westlich der Südspitze Grönlands ein Tiefdruckgebiet entlang der meridional geprägten Struktur der Polarfront, die sich über den Nordatlantik und den mitteleuropäischen Raum erstreckte. Im Laufe des Tages strömte die Zyklone mit der Höhenströmung in 5,5 km Höhe in Richtung Mitteleuropa, wodurch für dieses Druckgebilde eine Einflussnahme auf das europäische Wettergeschehen vorhergesagt wurde. Daher wurde die Zyklone in der Prognose für den Folgetag auf den Namen TORSTEN getauft.

Bereits am Tauftag besaß das Gebilde ein sehr fortgeschrittenes Frontensystem, welches sich aus einer Warmfront, einer Kaltfront und einer Okklusion zusammensetzte. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Bei der Okklusion handelt es sich hingegen um eine Mischfront, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Vom Kern des Tiefs westlich von Grönland, mit einem Luftdruck von knapp unter 975 hPa, zog sich am Tauftag um 01 MEZ die Okklusion in einer sehr eng gewundenen und konvexen Kurvenbahn bis an die Südspitze Grönlands, wo sich zu diesem Zeitpunkt der Okklusionspunkt befand. Dieser Punkt beschreibt in der Meteorologie den Ort, an dem Warm- und Kaltfront beginnen sich miteinander zu vereinen. Vor diesem Punkt traten Warm- und Kaltfront als einzelne Gebilde in Erscheinung, wobei sich diese ebenfalls in einer konvexen Kurvenbahn in südsüdöstlicher Richtung erstreckten. Die Kaltfront reichte ein wenig weiter nach Süden und vereinte sich dort mit einem schwach ausgeprägten Tief, welches etwa 500 km östlich von Neufundland zu verorten war.

Bis zum 26.11.2017 um 01 MEZ schwächte sich die Zyklone TORSTEN bei um ca. 15 hPa steigendem Luftdruck ab und verlagerte sich mit der Höhenströmung über die Südspitze Grönlands hinweg weiter in Richtung Osten. Die Ursache für diese recht träge Verlagerung in östliche Richtung lag an Hoch ANKE. Diese Antizyklone mit Kern westlich von Irland besaß ein sehr weit nach Norden reichendes Einzugsgebiet, wodurch die Westströmung letztendlich blockiert wurde und das Tief TORSTEN sich nur sehr langsam verlagern konnte. Die Okklusion verlief in einem Bogen vom Kern des Tiefs in südöstliche Richtung bis sie sich letztlich ca. 1000 km westlich der irischen Küste aufspaltete. Die relativ kleinskalige Warm- und Kaltfront des Tiefs TORSTEN verliefen vom Okklusionspunkt aus nach Südwesten. Der Schwerpunkt der Wetteraktivität der Zyklone beschränkte sich auf eine sehr kleine Region im isländischen Olafsfjordur. In dieser Region sorgte das Regenfeld der okkludierten Front in einem 6-stündigen Zeitintervall bis 13 Uhr MEZ für Niederschlagsmengen von 20 mm. Diese Niederschläge setzten sich auch in den folgenden Stunden im isländischen Raum fort, blieben dabei jedoch weiterhin auf kleine lokale Regionen beschränkt. Deutlich intensivere und großflächigere Niederschlagsfelder wurden zum späten Abend und auch in die Nacht hinein im Bereich der Britischen Inseln registriert. Hier sorgte der Warmfrontdurchgang zunächst für Niederschläge leichter Intensität. So wurden in vielen Regionen Irlands in einem 12-stündigen Messintervall zwischen 07 und 19 Uhr MEZ Niederschlagshöhen von maximal 5 mm gemessen, so zum Beispiel auch am Flughafen Shannon, in der Region um Mace Head und in Claremorris. In Schottland und in England brachte der Warmfrontdurchgang nur geringfügig höhere Niederschlagsmengen. Deutlich kräftiger fielen die Niederschläge hingegen bei der nachströmenden Kaltfront aus, wobei hier vor allem die Westküste Englands betroffen war. In einem Zeitraum von 19 bis 01 Uhr MEZ sorgte der Frontendurchgang für mäßige, zum Teil auch kräftige und von Schauern begleitete Niederschläge, die in Trawscoed 11 mm, in Lake Vyrnwy 12 mm und im Gebiet um Capel Curig 23 mm brachten.

Im Laufe des Tages bildete sich zudem am Okklusionspunkt ein zweiter Tiefdruckkern, was relativ häufig vorkommt, da die Luft an jenem Punkt in der Regel am stärksten aufsteigt. Bis zum 27.11.2017 um 01 Uhr MEZ schwächte sich das System TORSTEN weiterhin ab, wobei der Kern des Tiefs TORSTEN I mit 1010 hPa ca. 400 km südlich von Island lag. Die Okklusion verlief nun vom Kern bis zum Okklusionspunkt über Edinburgh. Dort befand sich aber das Zentrum des Wirbels TORSTEN II über der schottischen Stadt Stornoway. Der Kern besaß zum Zeitpunkt der Analyse einen Druck von knapp unter 1000 hPa. Diese Verlagerung verlief im Vergleich zum Vortag deutlich rasanter, was unter anderem dem Umstand zuzuschreiben ist, dass sich die Antizyklone ANKE durch die Flankierung des Tiefs TORSTEN auf der Westseite und des Tiefs REINHARD auf der Ostseite deutlich abschwächte und an Einfluss verlor, wodurch die Westströmung wieder deutlich an Stärke gewann. Vom Okklusionspunkt aus verlief die Warmfront über Bristol bis zum Ärmelkanal, die Kaltfront hingegen über Dublin bis über den Nordatlantik, wo sie sich mit der Warmfront eines über Neufundland zu verortenden Tiefs vereinte. Beim voranschreiten der beiden Fronten in den mitteleuropäischen Raum brachten sie vor allem für die Küstengebiete Frankreichs und die der Benelux-Staaten ergiebige Niederschläge, wobei der schmale Warmfrontsektor in vielen Regionen Frankreichs die Tageshöchsttemperaturen nochmals auf 12 oder teilweise 13°C ansteigen ließ. Mit dem Durchgang der Fronten und den damit verbundenen Hebungsprozessen zogen die großräumigen Niederschlagsfelder mäßiger Intensität schließlich über die Küstengebiete hinweg und sorgten in einem 6-stündigen Zeitintervall bis 13 Uhr MEZ in der Boulogne für 11 mm und im Bereich der Benelux-Staaten weitverbreitet für 10 bis 15 mm. Maximal wurden 23 mm im belgischen Raum in der Nähe von Gent registriert. Weiter nördlich in Norwegen, wo das Frontensystem der Zyklone TORSTEN bereits vollständig in eine Okklusion übergegangen war, wurden im gleichen Zeitraum mit 24 mm in Sirdal-Haugen ähnlich hohe Niederschlagsmengen verzeichnet. Diese sind jedoch aufgrund der Höhenlage in 555 m eher den orographisch erzwungenen Niederschlägen zuzuordnen. Während der weiteren Verlagerung der Fronten in Richtung Mitteleuropa, gerieten Deutschland und Dänemark ebenfalls zunehmend in das Einflussgebiet des großräumigen Niederschlagsfeldes. Dabei fielen die Niederschläge im 12-stündigen Zeitfenster bis 19 Uhr MEZ mit maximal 10 mm im dänischen Tirstrup ein wenig geringer aus, als im benachbarten Deutschland. Hier wurden im gleichen Zeitraum in Remscheid 20 mm, in Bad Homburg 18 mm und am Brocken 19 mm registriert. Tatsächlich sind die vergleichsweise höheren Werte ebenfalls auf orographische Hebungsprozesse zurückzuführen, wobei in niedrigeren Lagen, ähnlich wie in Dänemark auch, weitverbreitet Werte von unter 10 mm festgestellt wurden.

In der Folge verlagerte sich der Zyklonenkomplex bis zum 28.11. weiter in südöstliche Richtung, bis er sich um 01 Uhr MEZ ca. 120 km westlich der dänischen Küste befand. Zudem hatten sich die beiden einzelnen Tiefdruckzentren zu einem Kern vereint und bei einem stetigen Druckabfall auf ca. 990 hPa sogar noch verstärkt. Während dieser Verlagerungsprozess stattfand, hatte die schneller strömende Kaltfront die Warmfront eingeholt, bis das Frontensystem von Tief TORSTEN zum Analysezeitpunkt schließlich vollständig in eine Okklusion übergegangen war. Dieses Stadium markiert in der Regel das Ende des Lebenszyklus einer Zyklone, da im Bereich der Okklusion die Temperaturgegensätze abgebaut werden und die Energiezufuhr für die zyklonale Rotation nachlässt. Ein solches Bild zeichnete sich auch für die Zyklone TORSTEN ab. In den folgenden 24 Stunden sorgten die Niederschlagsfelder des Tiefs nur noch in den höheren Lagen für Regenmengen von über 10 mm, so z.B. auch in den deutschen Ortschaften Neuhaus am Rennweg oder Michelstadt-Vielbrunn. Im gleichen Zeitraum wurden auch ähnlich hohe Niederschlagsmengen im Süden Schwedens registriert. Hier fielen diese jedoch aufgrund von Temperaturen um den Gefrierpunkt teilweise auch als Schnee.

Bis zum folgenden Tag schwächte sich die Zyklone TORSTEN wieder auf ca. 1000 hPa ab und verlagerte ihr Zentrum bis zum Analysezeitpunkt um 01 Uhr MEZ nach Kopenhagen. Die Okklusionsfront verlief nun vom Kern über die Ostsee in einem langgestreckten Bogen bis nach Genf. Die Wetteraktivität der Zyklone nahm in diesem Zeitraum stetig ab, sodass selbst in den höheren Lagen in einem Zeitraum von 24 Stunden bis 01 MEZ des Folgetages selten Niederschlagsmengen von über 5 mm registriert wurden.

Ein sehr ähnliches Bild ergab sich in den Tagen vom 30.11. bis zum 01.12.2017. Das Tiefdruckgebilde hat sich zum 30.11. so stark abgeschwächt, dass es auf der Analyse der Berliner Wetterkarte kein eigenes Frontensystem mehr aufwies. Gleiches gilt für den 01.12., wobei sich das Zentrum der Zyklone bis über Amsterdam verlagert hatte und sich unter stetiger Druckzunahme auf ca. 1008 hPa weiter abschwächte.

Bis zum 02.12.2017 verlor die Zyklone TORSTEN so weit an Intensität, dass der Einfluss auf das europäische Wettergeschehen schließlich vollständig schwand. Aus diesem Grund wurde das Tief TORSTEN an diesem Tag nicht mehr namentlich auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet.


Geschrieben am 05.01.2018 von Christopher Guth

Berliner Wetterkarte: 28.11.2017

Pate: Torsten Pannecke