Lebensgeschichte


Tiefdruckgebiet UDO

(getauft am 22.05.2011)


Über dem mittleren Nordatlantik, etwa 1600 km südlich der ostgrönländischen Stadt Angmagssalik, entstand am Morgen des 22.05.2011 mit einem Kerndruck von etwa 1005 hPa ein Tiefdruckgebiet, das auf den Namen UDO getauft wurde. Seine Warmfront erstreckte sich in einem südostwärts verlaufenden Bogen bis etwa 600 km nordöstlich der Azoren und seine Kaltfront in einem Bogen in südwestlicher Richtung bis etwa 400 km südlich von Neufundland.

Der Tiefdruckwirbel UDO lag längere Zeit auf der Vorderseite eines markanten Kurzwellentroges, also eines kleinen, sich schnell verlagernden Streifens tiefen Luftdrucks. Hinzu kam eine sehr starke westliche Höhenströmung, welche sich durch kräftige Westwinde in einer Höhe von rund 5500 m bemerkbar machte. Somit konnte sich das Tief UDO konnte sich somit erheblich verstärken. Der Kern befand sich in der Nacht zum 23.05.2011 über dem Ostatlantik, südlich von Island auf der Breite von Edinburgh. Der Kerndruck fiel innerhalb von 24 Stunden um annähernd 30 hPa. Solche Falltendenzen sind im Monat Mai ungewöhnlich und eher in den Herbst- bis Wintermonaten zu erwarten. Entsprechend stark bildete sich an der Südflanke des Kerns ein Sturmfeld aus, das am Vormittag des 23.05.2011 über den Nordteil der Britischen Inseln zog. Um 09 UTC, was 11 Uhr MESZ entspricht, wurden an der nordirischen Station Belmullet Orkanböen von 72 kn registriert, um 10 UTC meldete die auf 933 m Höhe gelegene Station Cairnswell in Schottland einen Mittelwind von 55 kn und Windspitzen von 70 kn. Damit hatte sich die Zyklone UDO zu einem Sturmtief entwickelt.

Den Höhepunkt seiner Entwicklung erreichte Tief UDO am Vormittag des 23.05.2011. Zu diesem Zeitpunkt lag die Zyklone mit einem Kerndruck von 975 hPa über der Inselgruppe der Äußeren Hebriden. Dabei hatte sie mittlerweile eine Okklusion entwickelt, also eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, welche sich etwa 300 km vom Tiefkern nordostwärts bis zum Okklusionspunkt erstreckte. Ihre Warmfront  verlief vom Okklusionspunkt ausgehend bogenförmig nach Südwesten. Die dazugehörige Kaltfront folgte westlich davon Abstand von nur wenigen hundert Kilometern.

Das Sturmfeld von Tiefdruckwirbel UDO umfasste am Mittag des 23.05.2011 praktisch ganz Schottland und Nordengland. Auf den schottischen Berggipfeln wurden dabei schwere Orkanböen registriert. Beispielsweise meldete die Bergstation Aonach Mor auf 1130 m eine maximale Böe von    96 kn. Aber auch Flachlandstationen meldeten Orkanböen. Gleichzeitig kam es in diesen Regionen zu ergiebigen Schauern. In Tulloch Bridge fielen in 24 Stunden 32 mm und in Shap innerhalb von 12 Stunden 34 mm.

In den Nachtstunden des 23.05.2011 verlagerte sich der Kern des Orkanwirbels UDO über die Nordsee bis zur Norwegischen See. Die Okklusion verlief in einem Bogen vom Kern aus erst nach Norden, über den Raum von Trondheim und Göteborg, bis sie dort in den Charakter einer Kaltfront wechselte. Diese reichte in südwestlicher Richtung bis über den Atlantik, ca. 1000 km westlich der Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel.

Bis zum Morgen des 24.05.2011 fielen in Nordfriesland rund 2 mm Niederschlag. Der Temperaturkontrast an der Front betrug vor allem im Land Brandenburg in den darauf folgenden Mittagsstunden mehr als 10 K. Temperaturdifferenzen werden in der Meteorologie meist in Kelvin (K) angegeben. Um 12 UTC wurden in Coschen an der Neiße noch 27°C gemessen und zur selben Zeit herrschten in Neuruppin bei leichtem Regen nur noch 13°C. An der Station Berlin-Dahlem wurden um 12 Uhr MESZ noch 22,5°C erreicht. Anschließend sank die Temperatur bis 15 Uhr auf annähernd 12,5°C und der Wind frischte deutlich auf. Grund für diesen markanten Temperatursturz waren die hinter der Kaltfront mitgeführten polaren Luftmassen, welche durch das kräftige Tief UDO aus sehr kalten Regionen herantransportiert wurden. Im Zusammenhang mit dieser kalten Luft konnten sich Schauer bilden, wie zum Beispiel in Freiburg an der Elbe, in der Nähe von Hamburg. Am Abend entstanden vereinzelt auch in Bayern Schauer.

Das Tiefdruckgebiet UDO verlagerte sich bis zum 25.05.2011 unter leichter Abschwächung entlang der norwegischen Küste nordostwärts zum Nordkap. Sein weitreichendes, zum Großteil okkludiertes Frontensystem erstreckte sich über Finnland und das Baltikum bis nach Polen. Von dort aus erstreckte sich die Kaltfront weiter südwestwärts über die Alpen bis nach Nordspanien. Im Einflussgebiet dieser Front entstanden erneut vereinzelte Schauer und teilweise sogar Gewitter, wie in Ungarn und der Ukraine.

Bis zum Folgetag blieb die Zyklone UDO nahezu stationär, verlor jedoch rasch an Intensität und Wetterwirksamkeit. Der Kern befand sich über dem Nordkap und wies einen Druck von rund 995 hPa auf. Dabei erstreckte sich eine Okklusion nach Süden bis zum Bottnischen Meerbusen, entlang der finnischen Grenze bis ca. 100 km nördlich von Stockholm. Eine weitere Okklusion reichte vom Kern ausgehend ca. 500 km nach Osten, bevor sie in die Okklusionsfront eines vorhergehenden Tiefs überging.

Das Tief UDO verlagerte sich bis zum Morgen des 27.05.2011 über die westrussischen Inselgruppe Nowaja Semlja. Der Kern hatte sich mit einem Druck von etwa 1005 hPa leicht abgeschwächt und befand sich über der Nordspitze von Nowaja Semljas. Die Kaltfront des Systems verlief südlich entlang dieser Inselgruppe bis zur Nordküste des russischen Festlands, wo sie in die Warmfront eines anderen Tiefs überging. Durch die Abschwächung des Tiefs auf 1005 hPa waren die Fronten kaum noch wetteraktiv, sorgten aber für eine starke Bewölkung entlang der Fronten.

Die Zyklone UDO zog im Tagesverlauf weiter nach Nordosten, sodass sie sich am 28.05.2011 nicht mehr im Analysebereich der Berliner Wetterkarte befand.

 

 

Lebensgeschichte geschrieben am 31.05.2011 von Jasmin Krummel

Berliner Wetterkarte: 24.05.2011

Pate: Rita Philipp