Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ULI
(getauft am 21.02.2015)
Unterhalb
eines Vorstoßes kalter Luft in einer Höhe von 5,5 km, welcher als Trog
bezeichnet wird, entstand am 20.02.2015 im Bodenniveau über Neufundland ein
Tiefdruckwirbel, der in der Analyse vom 21.02. auf den Namen ULI getauft wurde.
Vom
Zentrum des Wirbels ULI, das sich gegen 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, mit einem
Kerndruck von unter 980 hPa über der Küste von Labrador befand, erstreckte sich
eine Okklusionsfront nach Osten bis zu ihrem Okklusionspunkt über dem Atlantik,
südlich von Grönland. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden,
die sich aus dem Zusammenschluss von Kalt- und Warmfront bildet und somit
Eigenschaften beider Frontenarten in sich vereint. Der Ort, an der Warm- und
Kaltfront ineinander übergehen und eine solche Okklusionsfront bilden, wird als
Okklusionspunkt bezeichnet. Während die zugehörige Kaltfront vom
Okklusionspunkt nach Südwesten reichte, verband sich die Warmfront in
südöstlicher Richtung nordwestlich von Portugal über dem Ostatlantik mit der
Kaltfront des über den Niederlanden liegenden Tiefs THOMAS. Sich nach Osten
verlagernd erreichten erste Ausläufer des Tiefs ULI im Laufe des Tages den
Süden Grönlands. Bis 06 Uhr UTC des folgenden Tages wurden an der Messstation
am Prins Christian Sund binnen 24 Stunden durch anhaltende und über einen
längeren Zeitraum stark ausfallende Schneefälle 20 l/m² registriert, die die
horizontale Sichtweite bei einem Wind, der mit Böen von bis zu 111 km/h die
Stärke 11 auf der Beaufortskala erreichte, auf 100 Meter fallen ließ.
Bis
00 Uhr UTC des 22.02. hatte sich der Kern des Wirbels ULI in Richtung der
Irmingersee, die sich etwas südlich zwischen Grönland und Island befindet, verlagert.
Vom Zentrum, in dem der Druck auf unter 970 hPa
gefallen war, erstreckten sich mehrere Fronten über den Atlantik. Eine
Warmfront zog sich vom Kern westlich der Küsten von Irland und der Iberischen
Halbinsel nach Süden und die ihr folgende Kaltfront reichte vom Zentrum nach
Südwesten in Richtung der Bermudas. Außerdem verlief eine Okklusionsfront nach
Westen bis südlich von Grönland. Das Niederschlagsband traf in den
Morgenstunden des 22.02. auf die Küsten Irlands und überquerte im Laufe des
Tages Großbritannien und Teile Frankreichs, ehe es auch die Küsten Norwegens
sowie Deutschlands erreichte. Bis 06 Uhr UTC des darauffolgenden Morgens wurden
dabei aus Shannon 15 l/m², aus Brest 23,6 l/m² und aus Liscombe 25,8 l/m²
innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Aufgrund von erzwungenen Aufgleitvorgängen
entlang der norwegischen Gebirgsketten wurden dort die Niederschlagsmengen
lokal noch intensiviert. Binnen 12 Stunden bis zum selben Zeitpunkt wie zuvor
fielen aufgrund von Regen und Schneeschauern an den Stationen Konsmo-Hoyland
und Ualand-Bjuland 28,6 beziehungsweise 33 l/m². Teils mit Schnee vermengter
Regen oder Sprühregen brachte 24-stündig in Cuxhaven 3,3 l/m², auf Helgoland
4,6 l/m² und in Düsseldorf 7,2 l/m² mit sich. An einigen exponierten Lagen
erreichte der vorwiegend südwestliche Wind in Böen Orkanstärke. So wurden
beispielsweise auf dem Brocken Windspitzen von 122,5 km/h, auf dem Aonach Mor in
Schottland von 127,9 km/h und am Juvvasshoe in Norwegen bis zu 133,3 km/h
registriert.
Auf
seiner Zugbahn nach Osten befand sich das Zentrum der sich rasch verstärkenden
Zyklone ULI mit einem Druck von 950 hPa am 23.02. gegen 00 Uhr UTC auf der
gedachten Schnittlinie von Schottland und Island über dem Nordostatlantik.
Weite Teile der Warmfront waren in den vergangenen Stunden durch die ihr folgende
Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich eine ausgeprägte Okklusionsfront
ausbilden konnte. Diese zog sich um das Zentrum herum nach Osten bis zu einem
neu entstandenen, kurzlebigen zweiten Kern über den Färöer-Inseln. Östlich dieser
Inselgruppe beschrieb die Okklusionsfront einen engen Bogen nach Süden über die
Nordsee hinweg bis zu ihrem Okklusionspunkt unweit von London, an dem sie sich in
eine nahe Valencia endende Warm- und in eine nach Westen über den Atlantik
reichende Kaltfront aufspaltete. Sich im Laufe des 23.02. allgemein
abschwächend überquerte das Niederschlagsfeld weite Teile Nord- und
Mitteleuropas. Die größten Niederschlagsmengen wurden hierbei noch in
Schottland sowie lokal in Südnorwegen registriert. Die Station Lake Vyrnwy
meldete bis zum Folgetag um 06 Uhr UTC eine 24-stündige Niederschlagsmenge von
15,8 l/m², Shap von 17,0 l/m² und Rygge in Norwegen von 24,1 l/m². Im selben
Zeitraum fielen in Greifswald 4,8 l/m², in Brest 8,6 l/m² und auf dem Brocken
9,6 l/m². Mit dem sich annähernden Zentrum des Sturmwirbels ULI nahm der Wind
über Schottland zu. Mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von bis zu 92,7
km/h erreichte der Wind am Aonach Mor die Stufe 10 auf der Beaufortskala und
mit Spitzenböen von bis zu 150,1 km/h gar Orkanstärke. Höhere Windgeschwindigkeiten
wurden noch an der Messstation am Gebirgspass Bealach
na Bà verzeichnet. Im Mittel wurde hier ein Wind von 101,9 km/h und in Böen bis
zu 153,8 km/h gemessen. Auch auf dem Brocken registrierten die Anemometer noch
Orkanböen von bis zu 122,5 km/h.
Bis
zum 24.02. verlagerte sich die Zyklone ULI mit einem leicht auf 965 hPa abgeschwächten
Kerndruck bis 00 Uhr UTC über die Shetlandinseln. Vom Zentrum nahe Kirkwall
erstreckte sich eine Okklusionsfront zunächst über die Färöer Inseln in nordöstlicher
Richtung bis nach Bodø in Norwegen und weiter nach Süden über Stockholm bis
nach Danzig. Ab Danzig, nun den Charakter einer Kaltfront annehmend, reichte
sie anschließend weiter bis über Wien, wo sie in die Warmfront eines bei Genua
liegenden Wirbels überging. Die dem Tief ULI direkt zuzuordnenden Niederschläge
konzentrierten sich im Wesentlichen auf den skandinavischen und baltischen Raum
sowie auf Island. Dabei fielen binnen 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des folgenden
Tages in Reykjavik 2,7 l/m², im estnischen Pjarnu 3
l/m² und im schwedischen Daglosen 7,1 l/m². Höhere Niederschlagsintensitäten
wurden noch aus der Region um Bergen gemeldet. Die Station Bergen/Florida
registrierte 9,2 l/m², Fossmark 15,4 l/m² und Takle 25,6 l/m². Der Wind hatte
sich währenddessen etwas abgeschwächt, wobei Orkanböen lediglich noch mit 126,1
km/h auf Spitzbergen am Hornsund, mit bis zu 154,9 km/h auf dem Myken sowie mit
127,9 km/h am Bealach na Bà in Schottland gemessen werden konnten.
Unter
Ausbildung eines zweiten, eigenständigen Kerns war das Tiefdrucksystem ULI im Laufe
des 24.02. nach Norden abgedreht. Beide Kerne, die sich um 00 Uhr UTC des
25.02. mit einem Druck von unter 985 hPa westlich von Trondheim beziehungsweise
mit knapp 990 hPa unweit vom Tromsø über dem Nordmeer befanden, waren durch
eine nur in der Höhe analysierbare Okklusionsfront miteinander verbunden. Eine
weitere Okklusionsfront beschrieb vom nördlicheren der beiden Kerne ausgehend
einen Bogen um die Kola-Halbinsel herum bis in den Nordwesten Russlands, wo sie
in eine Kaltfront überging. Diese Kaltfront reichte, über dem Raum Helsinki
zwischenzeitlich Warmfrontcharakter annehmend, weiter nach Süden, ehe sie sich
nahe Minsk mit der Warmfront des sich über Mittelitalien befindlichen Wirbels
VOLKER verband. Das Niederschlagsband verlagerte sich unter zunehmender
Abschwächung über Lappland und Finnland nach Nordosten, brachte zuvor jedoch
noch innerhalb von 6 Stunden bis 12 Uhr UTC an der Messstation Fossmark 10 l/m². Mit Ausnahme von Südnorwegen, wo sich die Niederschläge
in der Nacht zum 25.02. noch intensiviert hatten, wurden kaum noch größere
Niederschlagsmengen gemessen. Vereinzelte leichte und zum Teil mit Schnee
vermischte Regenschauer brachten in den folgenden 24 Stunden bis 06 Uhr UTC in
Daglosen 2,6 l/m², im ebenfalls schwedischen Haparanda 4,6 l/m² und im
finnischen Rovaniemi 5 l/m². Auf Spitzbergen, am Hornsund, wurden im selben
Zeitraum bis zu 7,1 l/m² registriert.
Unter
zunehmender Abschwächung und mit nur noch einem eigenständigen Kern hatte sich
das Zentrum des Tiefdruckwirbels ULI bis 00 Uhr UTC des 26.02. nach Nordosten
verlagert. Vom Zentrum, das mit einem auf 995 hPa gefallenen Druck westlich von
Spitzbergen über der Barentssee analysiert werden konnte, erstreckte sich eine
Okklusionsfront zunächst in Richtung Osten an Vorkuta vorbei und weiter über
Tjumen nach Süden in Richtung Kasachstan. Eine zweite Okklusionsfront
erstreckte sich von Vorkuta über Nordrussland und das Baltikum bis über die
Slowakei, wo sie sich erneut mit dem Frontensystem des Tiefs VOLKER verband.
Sich
weiter nach Osten in Richtung Nowaja Semlja verlagernd, schwächte sich das
Tiefdruckgebiet ULI im Tagesverlauf soweit ab, dass dieses am 27.02. nicht mehr
auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet wurde, ehe es am 28.02. den
von ihr erfassten Analysebereich verließ.
Geschrieben am 15.04.15 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte: 23.02.2015
Pate: Ulrike Mett