Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ULLI

(getauft am 03.04.2021)

 

Im Bereich der Kaltfront eines Tiefs, das sich Anfang April 2021 über der Grönlandsee bildete, entwickelte sich in der Mitte der ersten Aprildekade eine Zyklone aus. Anhand der Prognosekarte für den 04.04.2021 um 14 Uhr MESZ wurde dieses Tiefdruckgebiet bereits am 03.04.2021 von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen ULLI getauft.

 

Südöstlich des steuernden Tiefs befand sich der Kern des Tiefdruckgebietes ULLI am 05.04. um 02 Uhr MESZ über dem nordöstlichen Schweden am Bottnischen Meerbusen, wodurch die Zyklone dann auch erstmals namentlich auf der Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte in Erscheinung trat. Ein minimaler Druck von rund 970 hPa wurde dort gemessen. Nördlich des Zentrums verlief die kurze Warmfront über den Norden Schwedens und ging in die Kaltfront des Tiefs, an dem Tief ULLI entstanden war, bei den Lofoten über. Südlich des Kerns erstreckte sich die Kaltfront von Tief ULLI in einem großen Bogen von Schweden aus über Dänemark und England bis über den nördlichen Atlantik. Entlang dieser Front, wo innerhalb kurzer Zeit kalte Luft einfloss, regnete und schneite es vor allem in Schweden und Dänemark. Es wurden dabei bis zu 6 l/m² in Rångedala östlich von Göteborg oder 5 l/m² in Helsingborg innerhalb von 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ registriert. Im weiteren Verlauf schloss sich in der Nähe der Hochdruckgebiete ODETTE I und PEGGY eine Warmfront eines Tiefs über Grönland an. Die Kaltfront trennte derweil wärmere Luft aus dem Süden von maritimer Arktikluft aus dem Norden. So stieg die Temperatur vor der Front auf beispielsweise 8,8°C in Poznań und 10,4°C in Vilnius. Hinter der Front waren es demnach etwas kühlere 6,2°C in Bergen oder 3,5°C im schottischen Wick. Weiterhin war die Kaltfront auch deutlich in Bayern zu spüren, denn während in Piding am Abend um 20 Uhr MESZ noch 12°C gemessen wurden, kam Augsburg hinter der Front nur noch auf 1°C, obwohl es dort eine Höchsttemperatur von 14°C gegeben hatte. Zudem traten an und hinter der Kaltfront teils kräftige Regen-, Schnee- und Graupelschauer auf, die von einigen Gewittern durchsetzt waren. Mancherorts, wie in Bremen, kam es abends zu einer dünnen Schneedecke; bis zum Morgen des darauffolgenden Tages wurden gebietsweise mitunter mehrere Zentimeter Neuschnee gemessen. Auch der Wind spielte eine Rolle: In Flensburg wurden am Vormittag orkanartige Böen mit bis zu 104 km/h gemessen, Bremerhaven und der Große Arber im Bayerischen Wald vermeldeten nachmittags jeweils 107 km/h. Ebenso wurde an der Küste des südwestlichen Norwegens die 100-km/h-Marke der Windgeschwindigkeit geknackt. Hervorgerufen wurde diese Sturmlage an der Nord- und Ostsee durch den Druckunterschied zwischen dem Hochdruckkomplex ODETTE und dem Tief ULLI.

Mit leicht sinkendem Kerndruck von etwa 967 hPa verharrte der Kern der Zyklone ULLI bis zum nächsten Tag über der nördlichen Skandinavischen Halbinsel. Im Einflussbereich des Sturmtiefs ULLI lagen mehrere bogenförmige Okklusionen, also Mischfronten. Die erste verlief zwischen dem Südwesten Finnlands und der Ostsee bis nach Belgien, die zweite zwischen dem Zentrum und Jan Mayen und die dritte vom Kern nordwärts bis zum Nordkap und anschließend nach Osten zur Barentssee. Vom dortigen Okklusionspunkt, also der Punkt, wo Warm- und Kaltfront wie bei einem Reißverschlussverfahren aufeinander treffen, erstreckte sich die Warmfront nach Südosten bis zum Ural und die Kaltfront über Westrussland, weiter nach Osteuropa bis zu den Süd-/Ostalpen. An dieser Stelle schloss sich wiederum eine Warmfront eines Wellentiefs bei Genua an. Während an der Warmfront von Tief ULLI kaum Niederschlag fiel, regnete es an der Okklusion über dem Europäischen Nordmeer länger anhaltend mit beispielsweise 16,7 l/m² in der erwähnten Zeitspanne in Selbu bei Trondheim. Weniger Niederschlag fiel entlang der anderen beiden Okklusionen mit 5,8 l/m² in Lüdenscheid und 9,1 l/m² in Honningsvag am Nordkap. Im Bereich des Kerns herrschte dabei leichter Dauerfrost mit zum Beispiel -3,3°C in Iskoras. Ansonsten stieg die Temperatur verbreitet auf 9,8°C in Archangelsk, 5,5°C in Trondheim, 5,8°C in Quickborn und 7,7°C in Karlstad. Die höchsten Windgeschwindigkeiten traten an der Stelle mit dem größten Druckgradienten auf; in diesem konkreten Fall westlich des Zentrums in Richtung des Hochs über dem Osten Grönlands und der Antizyklone PEGGY. So wurde an der Küste des südlichen Norwegens Windböen der Stärke 11 gemessen, aber auch im nördlichen Mitteleuropa und im restlichen Skandinavien war der Wind mehr als spürbar. In Deutschland stellte sich zwischen den bestimmenden Druckgebilden Hoch PEGGY und Sturmwirbel ULLI im Bereich arktischer Kaltluft mit dem fortgeschrittenen Sonnenstand zwischen der erwärmten bodennahen Luft und den höheren kalten Luftschichten ein großer Temperaturunterschied und somit auch eine ausgeprägte Labilität, also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Bildung von Schauern, ein. So ähnelte das Radarbild von Deutschland im Tagesverlauf einem Streuselkuchen, sprich es bildeten sich unzählige Schauer und kurze Gewitter aus. Mit der Höhenkaltluft fielen die Niederschläge als Graupel und Schnee. Bei kräftigen Schauern bildete sich gebietsweise eine Schneedecke aus, die aber tagsüber wieder abschmolz. Da die Schaueraktivität auch in der darauffolgenden Nacht anhielt, wurde am Morgen des 07.04. oftmals Reste, Flecken oder eine dünne Schneedecke verzeichnet. So vermeldete beispielsweise der Hamburger Flughafen eine Schneedecke von 1 cm, Düsseldorf 3 cm und der Münchener Flughafen sogar 5 cm.

Am 07.04. um 02 Uhr MESZ befand sich der Kern des Wirbels ULLI in der Nähe des Nordkaps mit einem minimalen Luftdruck von rund 973 hPa. Ausgehend vom Zentrum verlief die Okklusion zum einen nach Nordosten zum Okklusionspunkt über der Barentssee und zum anderen nach Süden über den Bottnischen Meerbusen und anschließend s-förmig bis zur Nordsee. Zusätzlich erstreckte sich vom Kern aus eine Warmfrontokklusion, eine Mischfront mit Warmluftzufuhr, bogenförmig bis zur Karasee. Vom Okklusionspunkt über der Barentssee verlief die Warmfront bis in den Westen Sibiriens, an der langsam wärmere Luft einfloss und sich dichte Wolkenfelder bildeten. Die Kaltfront, die nicht mehr bis zum Boden reichte, erstreckte sich vom Okklusionspunkt bis in den Nordwesten Russlands. Dort ging sie in die Warmfront einer Wellenstörung über. Am ausgeprägtesten war der Niederschlag am südlichen Ende der Mischfront an der Nordseeküste. Im 12-stündigen Zeitraum bis 08 Uhr MESZ fielen zum Beispiel 8 l/m² an der Station Wijk Aan Zee bei Amsterdam. Zudem gab es Schauer an der Westküste Norwegens mit 8,2 l/m² in Tingvoll-Hanem und etwas Schnee auf Spitzbergen mit 3 l/m² in Barentsburg in derselben Zeit. Nur ganz wenig Niederschlag fiel an der Höhenkaltfront und der Warmfront. Während auf Spitzbergen noch Dauerfrost mit -4,2°C in Longyearbyen herrschte, stieg die Temperatur im übrigen Einflussgebiet des Tiefs ULLI auf Werte von 7,4°C in Rabocheostrovsk am Weißen Meer, 6,9°C in Stavanger, 7,1°C in Stockholm und 5,2°C in Soltau. Nordwestlich des Zentrums des Sturmtiefs ULLI wurden dabei die höchsten Windgeschwindigkeiten im Norden Norwegens und auf Spitzbergen mit schweren Sturmböen von 90-95 km/h gemessen.

 

Bis zum nächsten Tag bildete sich noch ein zweiter Kern von Tief ULLI aus. Der Kern des nun bezeichneten Tiefs ULLI I lag über dem Meer zwischen Norwegen und Spitzbergen. Dort wurde mit etwa 983 hPa ein höherer Druck als am Tag zuvor gemessen. Eine Okklusion verlief vom Europäischen Nordmeer nordwärts und eine andere Mischfront unweit des Kerns nach Süden wellenförmig bis in den Süden Finnlands, wo sich der Kern des Tiefdruckgebietes ULLI II anschloss. Bei Helsinki wurde um 02 Uhr MESZ ein Druck von rund 998 hPa registriert. Im weiteren Verlauf lag die Okklusion, wo am Boden die Warmluft komplett verdrängt wurde, über dem Baltikum und reichte bis zu den Alpen. Besonders im Nordstau der Alpen regnete es an der Mischfront anhaltend mit 11,4 l/m² in Reit im Winkl oder 10 l/m² in Mondsee. Weiterhin fiel Niederschlag in den mittleren Landesteilen Norwegens und auf Spitzbergen mit 5,8 l/m² in Bodø oder 5 l/m² in Barentsburg. Mit Höchsttemperaturen um den Gefrierpunkt wurde es auf Spitzbergen etwas wärmer als in den letzten Tagen und ansonsten stieg die Temperatur auf 6,0°C in Tampere, 7,6°C in Klaipeda und 7,7°C in Dresden-Strehlen. Das Windfeld mit den stärksten Böen verschob sich innerhalb der letzten 24 Stunden nach Nordwesten über die Grönlandsee.

 

Mit einem weiter steigenden Kerndruck von circa 987 hPa lag der Kern des Wirbels ULLI einen Tag später über dem Europäischen Nordmeer zwischen Island und den Lofoten. Die hakenförmige Okklusion verlief dabei von der Polarregion und dem Nordwesten Spitzbergens bis etwa zum Nördlichen Wendekreis. Während es auf Spitzbergen kaum noch schneite, kamen innerhalb der letzten 24 Stunden auf Jan Mayen 3 l/m² Niederschlag zusammen. Auf dieser Insel stieg zudem die Temperatur nur auf -4°C oder auf 1,8°C in Hornsund. Noch immer reichte der Druckunterschied zwischen dem Tief ULLI und dem Hochdruckgebiet QUEEN südöstlich von Grönland für stürmische Böen, die auf Jan Mayen auftraten.

 

Zwischen der Zyklone VINCENT über Südskandinavien und dem sich bildenden Tief über der Barentssee löste sich das Tief ULLI schließlich bis zum 10.04. komplett auf und konnte demnach nicht weiter auf den Karten der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.