Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ULRIKE
(getauft am 26.02.2018)
Tiefdruckgebiete
der mittleren Breiten entstehen meist als sogenannte Wellenstörungen im
Grenzbereich zwischen kalter Polar- und milder Subtropikluft. Anschließend
verlagern sie sich mit der allgemeinen Westströmung nach Osten. So wird unser
Wetter häufig von Tiefs bestimmt, welche sich über dem Nordatlantik bilden,
dort Feuchtigkeit aufnehmen und dann mit ihren Fronten Europa erreichen. Eine
solche Wellenstörung verstärkte sich am 26. Februar 2018 rasch über dem
zentralen Nordatlantik und sollte in den folgenden Tagen Europa erreichen. Aus
diesem Grund wurde es als Prognosetaufe mit dem Namen ULRIKE belegt.
Die
Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte von 1 Uhr MEZ, was 0 Uhr UTC entspricht,
des 27. Februar zeigte den Tiefdruckkern ULRIKE noch mitten über dem Atlantik,
ungefähr 1800 km westlich der Iberischen Halbinsel. Der tiefste Druck im Kern
war mit knapp unter 975 hPa bereits recht intensiv. Auch die Entwicklung des
Frontensystems befand sich in einem fortgeschrittenen Zustand und bestand aus
einer Okklusion, also einer Front mit Warm- und Kaltfrontcharakter. Diese zog
sich vom Kern aus nach Nordosten und dann in einem weiten Bogen nach Osten, von
wo die Front dann als Kaltfront nach Süden und Südwesten über den Nordatlantik
verlief. Da sich Tief ULRIKE an diesem Tag beinahe stationär verhielt,
beeinflusste dieses Frontensystem das Wetter in Europa nicht. Einzig auf den
Azoren und Madeira wurde in dessen Einflussbereich schauerartiger Niederschlag
gemeldet, welcher beispielsweise in Funchal bis zu 22 l/m²
zwischen 7 und 19 Uhr MEZ brachte. Generell war die Hebung der Luft direkt an
der schwachen Kaltfront eher vernachlässigbar. Stattdessen entwickelten sich
konvektive Systeme, also Schauer und Gewitter, in der feuchten und labilen
Luftmasse. Weiterhin wurde durch die großräumige Strömung um den Wirbel ULRIKE
das Frontensystem eines kleinen Randtiefs nördlich des Kerns gesteuert. Dessen
Fronten brachten im selben Zeitraum 18 l/m² am Flughafen
von Porto und 17 Liter in Valencia.
Zum Morgen
des 28. Februar befand sich der Kern von Tief ULRIKE noch etwa 1500 km westlich
von Portugal über dem Atlantik. Der Kerndruck hatte sich leicht auf knapp 980
hPa abgeschwächt und die Okklusion drehte sich weiter um den Kern ein. Richtung
Osten vor der portugiesischen Küste verstärkte sich im Tagesverlauf die
Tiefdruckentwicklung mit einem neuen Kern. Auf dessen Ostseite strömte
subtropische Luft über Spanien und dem westlichen Mittelmeer als Warmfront nach
Norden. Auf der Westseite entwickelte sich eine Kaltfront nach Westen über den
Nordostatlantik bis zur Okklusion des Hauptkerns von Tief ULRIKE. Der erneut kräftige,
konvektive Niederschlag im Bereich des Tiefdruckeinflusses und der zusätzlichen
Hebung an der Warmfront über der Iberischen Halbinsel sorgte für immense
Mengen. In nur einer Stunde verzeichnete die Station Monesterio
bei Sevilla um 17 Uhr MEZ 21 l/m².
Zwölfstündig bis 19 Uhr MEZ kamen in Vigo 33 Liter, in Marbella 20 Liter und in
Einzelfällen über 100 l/m² wie in Puerto El
Pica bei Madrid zusammen.
Das
blockierende Hochdruckgebiet HARTMUT, welches bisher stabil über Nordeuropa lag,
begann sich langsam abzuschwächen und ließ dadurch die Tiefdruckzone ULRIKE mit
ihren Fronten von der Iberischen Halbinsel her auf Europa zugreifen. Im Verlauf
des 1. März verlagerte sich der Kern von Tief ULRIKE mit einem Kerndruck von
weiterhin ungefähr 980 hPa dabei langsam von Portugal bis über die Biskaya. Auf
der Vorderseite strömte hinter der Warmfront die feuchte Subtropikluft nach
Norden über Spanien, Frankreich und das westliche Mittelmeer. Zwölfstündig bis
7 Uhr MEZ meldeten Nizza 10 und Bastia 16 l/m²
konvektiven Niederschlag. In den zwölf Stunden darauf meldeten auch Florenz und
Podgorica jeweils 13 und 10 l/m². Weiter
nördlich im Einflussbereich der Alpen und der damit einhergehenden
orographischen Hebung der Luft über dem Gebirge fielen in Mailand 3 Liter im
selben Zeitraum. Die einfließende Subtropikluft stellte dabei einen deutlichen
Luftmassenwechsel dar. In Saragossa beispielsweise stieg die Höchsttemperatur
im Vergleich zum Vortag um über 10 Grad von 2,3 auf 12,7°C. Währenddessen
verlagerte sich auf der Rückseite des Kerns von Tief ULRIKE die Kaltfront
weiter nach Südosten über Portugal und Spanien. So fielen bis zum Morgen des
Folgetages in 24 Stunden 24 l/m² Regen in
Madrid und 43 Liter in Malaga. Die Gewitter sorgten
nach Meldungen der Extremwetter-Datenbank, auch ESWD genannt, in Südspanien
verbreitet für Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten von über 100 km/h und
dementsprechenden Schäden.
Am Morgen des
2. März lag Tief ULRIKE mit 980 hPa im Kern über der Biskaya. Die Warmfront
wurde in zwei Teilen über Nordfrankreich bis Österreich und etwas dahinter
versetzt über Italien und Nordgriechenland analysiert. Die Kaltfront zog sich
von der Biskaya nach Südosten bis zu einem neuen Kern zwischen Spanien und
Frankreich, dann in einem Bogen nach Süden bis über die afrikanische
Mittelmeerküste und darauf als Warmfront nach Westen über die Straße von
Gibraltar bis zu einem weiteren Tiefdruckkern über dem Nordostatlantik. Diese
Kerne verbanden sich im Tagesverlauf zu einem gemeinsamen Tiefdruckkomplex
ULRIKE mit mehreren Zentren. Die Luftmassen verlagerten sich derweil kaum nach
Norden. So fielen die Niederschläge weiterhin hauptsächlich im westlichen
Mittelmeerraum als Schauer oder als Teil von Gewitterkomplexen. Zwischen 7 und
19 Uhr MEZ wurden in Lyon 10 Liter und in Podgorica 42 l/m²
registriert. Paris meldete zum selben Termin 1,0 und Trier 7,9 Liter. Im
Alpenraum fiel der Niederschlag teilweise als Schnee, wie im süddeutschen
Malsburg mit 3,9 l/m².
Unterhalb des
recht gut ausgeprägten Höhentiefs wurde die Tiefdruckzone ULRIKE am 3. März als
Tripol mit den Kernen I, II und III analysiert. Wirbel
ULRIKE II war mit knapp unter 980 hPa Kerndruck dabei der ausgeprägteste
und lag etwa 400 km nordwestlich der Iberischen Halbinsel über dem Atlantik.
Die Kerne I und III befanden sich mit knapp 985 hPa über der Bretagne
beziehungsweise dem Nordostatlantik. Als Frontensystem wurde eine Okklusion von
Tief ULRIKE I bis III und dann über Nordfrankreich und der Schweiz analysiert.
Parallel dazu zog sich eine zweite Okklusion vom Tiefdruckkern ULRIKE II über
die Biskaya und trennte sich anschließend in eine Warmfront über dem westlichen
Mittelmeer bis Sizilien und eine Kaltfront nach Südwesten bis Marokko. Da über
Nordeuropa weiterhin stabiler Hochdruckeinfluss herrschte, kamen die Fronten
kaum nach Norden voran. Bis 7 Uhr MEZ registrierten die Niederschlagmesser
zwölfstündig in London 2,0 und in Köln 2,1 l/m². Da hier vor
der Front noch die polare Luftmasse mit Temperaturen von ungefähr -4 bis -1°C
vorherrschte, fiel der Niederschlag als Schnee. Im Bereich der nachfolgenden
Front lagen die Temperaturen bereits im deutlichen Plusbereich wodurch in
Rennes 3 Liter und in Nizza 5 l/m²
an Regen,
ebenfalls bis 7 Uhr MEZ, fielen. In den zwölf Stunden des Tages bis 19 Uhr MEZ
setzte durch die Einstrahlung der Sonne Konvektion ein, also vom Boden
aufsteigende Wärmeblasen und Quellbewölkung. Zu den leichten frontalen
Niederschlägen kamen dadurch noch die konvektiven Ereignisse im Mittelmeerraum.
Diese sorgten in Zadar für 12 Liter und in Genua für
bis zu 33 l/m².
In der
Analysekarte des 4. März waren nur noch die Kerne des Tiefs ULRIKE II südlich
der irischen Küste und ULRIKE III etwa 800 südwestlich davon über dem
Nordostatlantik im Bodendruckfeld zu erkennen. Tiefdruckzentrum ULRIKE II
steuerte dabei mit der zyklonalen Strömung, also der Strömung gegen den
Uhrzeigersinn, das alte Frontensystem. Dieses verlief als Okklusion von Irland
bis über die Nordsee und Süddeutschland und dicht dahinter als Warmfront vom
Kern bis über die Alpen. Weiterhin wurde eine kurze Warmfront zwischen Spanien
und Frankreich sowie dahinter eine Kaltfront über Spanien und Portugal von der
Strömung um den Tiefdruckkomplex ULRIKE gelenkt. Das ältere Frontensystem
schwächte sich deutlich ab. So verzeichnete beispielsweise die Station in
Bad-Berleburg sechsstündig bis 7 Uhr MEZ 0,7 Liter als Schneefall und dann bis
13 Uhr MEZ nur noch 0,1 Liter. Im Bereich des Kerns wurden die Niederschläge
allerdings durch den direkten Tiefdruckeinfluss verstärkt, sodass in Dublin
über den Tag 10 Liter und in Birmingham 8 l/m² auftraten.
Das nachfolgende Frontensystem brachte in der warm-feuchten Luftmasse etwa 5
Liter auf Mallorca und 1,4 Liter in Madrid im selben Zeitraum. In Deutschland
zeigte sich an diesem Tag der typische Kontrast von kontinentalem Einfluss im
Nordosten mit beispielsweise -0,5°C Höchsttemperatur in Warnemünde und milderer
Luft subtropischen Ursprungs im Südwesten mit 13,9°C in Stuttgart.
In der Nacht
zum 5. März entwickelte sich über der Nordsee ein neuer Tiefdruckkern, ULRIKE
IV. Unter weiterer Abschwächung der Hochdruckzone im Nordosten sorgte der
Komplex ULRIKE nun für weiteres Vordringen der milden Luft nach Mittel- und Osteuropa.
Mit knapp 985 hPa war der Tiefdruckkern ULRIKE II noch am stärksten und
steuerte die beiden anderen Kerne über der Nordsee und westlich von Spanien.
Die vorgelagerte Warmfront kam im Tagesverlauf nach Nordosten über Schottland,
die Nord- und Ostsee, sowie Polen und Rumänien voran. Zwischen 1 und 7 Uhr MEZ
wurden in Bremerhaven 1,9 l/m² Regen gemessen. In
den sechs Stunden darauf meldeten Aberdeen 5 Liter, Horsens
3 Liter, Graz 0,6 Liter und Zagreb 13 l/m². Die
nachfolgende Okklusion verlagerte sich kaum, war jedoch nur schwach ausgeprägt.
Im Alpenraum wurde die Luft zusätzlich am Gebirge gehoben, wodurch vereinzelt
wie in Klagenfurt 2 Liter Regen pro Quadratmeter zwischen 7 und 19 Uhr MEZ
fielen. Im gleichen Zeitraum sorgte der direkte Tiefdruckeinfluss im Bereich
des Tiefdruckkerns ULRIKE II für 5 Liter in Dublin und 10 l/m² in Plymouth. Im
Mittelmeerraum waren die Niederschläge wieder konvektiv verstärkt und brachten
lokal bis zu 21 Liter wie in Pratica Di Mare bei Rom.
Über die beiden
drauf folgenden zwei Tage schwächten sich die Kerne von Antizyklone ULRIKE
weiter ab und wurden von neuen Tiefdruckzonen aufgenommen. Dabei lösten sich
auch deren Fronten weitestgehend auf und so waren nur noch die Niederschläge im
Tiefzentrum direkt mit dem Komplex ULRIKE verbunden. Über 24 Stunden bis 7 Uhr
des 7. März verzeichnete die Station in Glasgow exemplarisch 26 Liter Regen pro
Quadratmeter. Anschließend verschwand Tiefdruckgebiet ULRIKE aus der Berliner
Wetterkarte.