Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ULRIKE

(getauft am 30.06.20)

 

Entlang der Kaltfront des steuernden Tiefdruckgebietes SYLVIA II, über der Mitte Norwegens gelegen, bildete sich Ende Juni 2020 ein Tiefdruckgebiet über dem Baltikum aus. Anhand der Analysekarte vom 30.06. um 02 Uhr MESZ wurde diese Zyklone von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen ULRIKE getauft.

Der Kern des Wirbels ULRIKE, wo sich zusätzlich die sehr kurze Warmfront im Anschluss der Kaltfront des Tiefs SYLVIA befand, lag am Tag der Taufe um 02 Uhr MESZ über Lettland. Südlich des Kerns, wo ein Druck von rund 999 hPa herrschte, schloss sich die Kaltfront der Zyklone ULRIKE an. Diese verlief über Litauen, Weißrussland, den Westen der Ukraine und den zentralen Balkan bis nach Serbien. Im weiteren Verlauf ging die Kaltfront in eine Warmfront einer Wellenstörung, über den Alpen, über. Im Einflussbereich dieser Kaltfront, wo sich abrupt kalte Luft unter einer wärmeren Luftmasse schob, bildeten sich Schauer und Gewitter. Innerhalb von 6 Stunden fielen bis 02 Uhr MESZ an der Station Ocna Șugatag im Nordwesten Rumäniens 34 l/m² oder 16 l/m² in Debrecen, der Hauptstadt der ungarischen Nördlichen Großen Tiefebene. Vor der Kaltfront erwärmte sich die subtropische Luft auf beispielsweise 35,3°C in Bukarest und 32,9°C in Tiraspol. Nach den Gewittern sank die Temperatur auf 28,1°C in Budapest, 24,2°C in Warschau oder 26,0°C in Košice.

In der Nähe der noch verbliebenden Warmfront des sich bereits ansonsten aufgelösten Tiefdruckgebietes SYLVIA lag der Kern des Wirbels ULRIKE einen Tag später über dem Norden Finnlands, wo ein Druck von ungefähr 978 hPa gemessen wurde. Mit dieser Verstärkung vergrößerte sich zudem der Druckunterschied zu der Hochdruckzone mit dem Namen VALENTIN über Mittel- und Osteuropa. In Finnland kam es deshalb vereinzelt zu Sturmböen.  Ausgehend vom Kern verlief die spiralförmige Okklusion über dem Norden Finnlands und dem Weißen Meer sowie anschließend südwärts nach Moskau. Warm- und Kaltfront erstreckten sich zunächst südlich des Okklusionspunktes über dem Westen Russlands. Die Warmfront verlief im Anschluss in einem Bogen bis zum Kaukasus und die Kaltfront erstreckte sich bogenförmig bis zum Donaudelta. Viel Regen fiel dabei im Bereich des Kerns in Finnland. In den mittleren Landesteilen wurden verbreitet 12-stündige Regenmengen bis 08 Uhr MESZ von 20,6 l/m² in Kuopio und 29 l/m² Niinisalo registriert. Zudem gab es weiterhin einzelne Schauer an der Kaltfront. Innerhalb von 6 Stunden regnete es in 24 l/m² in Gorgova oder in 12 Stunden 15 l/m² in Walujki an der russisch-ukrainischen Grenze. Verbreitet stiegen die Temperaturen auf hochsommerliche Werte, wie in Dnipropetrowsk mit 30,0°C und 32,4°C in Stawropol.

Unter leichter Abschwächung und fortschreitender Okkludierung zog der Tiefdruckwirbel ULRIKE bis zum 02.07. um 02 Uhr MESZ mit dem Kern weiter nach Norden und befand sich mit einem Druck von rund 984 hPa am Nordkap. Die Okklusion verlief zunächst in einem Bogen bis Nowaja Semlja und im Anschluss wellenförmig bis nach Westrussland zwischen Perm und Moskau. Dort trennten sich die Warmfront, wo sich langsam Warmluft über Kaltluft schob und sich südwärts bis zur unteren Wolga erstreckte und die Kaltfront, die vom Okklusionspunkt nach Südwesten bis zur Krim reichte. Wesentlichen Regen gab es noch im Bereich des niedrigsten Drucks im Zentrum und entlang der Okklusion im Nordwesten Russlands. So betrug die 12-stündige Niederschlagsmenge bis 08 Uhr MESZ am Nordkap an der Station Mehamn 13 l/m² oder die 24-stündige Menge bis zur gleichen Uhrzeit in Kirow 4 l/m². Dabei war ein Nord-Süd-Gefälle der Temperatur zu erkennen. In der Nähe des Kaukasus war es in Wolgograd 35,0°C heiß, weiter nördlich nur 25,8°C in Kasan oder 23,4°C in Kirow. Am Nordkap im Kern des Tiefs ULRIKE betrug die Höchsttemperatur 8,4°C in Mehamn.

Am 03.07 lag das Zentrum der Zyklone ULRIKE über der Barentssee etwa 400 km südöstlich von Spitzbergen mit einem weiter ansteigenden Kerndruck von nun ungefähr 993 hPa. Hakenförmig verlief die Mischfront über dem Nördlichen Eismeer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja und anschließend südostwärts bis zum südlichen Ural. Infolge des steigenden Luftdrucks im Bereich des Tiefs ULRIKE fiel an dieser Front nicht mehr viel Regen. Maximal wurden in 24 Stunden bis 08 Uhr MESZ 0,8 l/m² in Perm gemessen. Auf Spitzbergen wurden dabei bis zu 7,9°C in Longyearbyen und auf dem Festland im nordwestlichen Russland wurden beispielsweise 22,1°C in Perm und 21,6°C in Uchta erreicht.

Zwischen Grönland und Spitzbergen befand sich der Kern des Tiefdruckgebietes ULRIKE am 04.07. um 02 Uhr MESZ mit einem geschätzten Luftdruck von 998 hPa. Die kurze Okklusion reichte vom Zentrum nach Nordosten bis in die Nähe des Nordpols. An dieser Mischfront wurde die Warmluft am Boden vollständig von der kälteren Luft verdrängt. Leichter Regen sorgte an der Okklusion für bis zu 2 l/m² an der Forschungsstation Ny-Ålesund oder 1 l/m² an der russischen Polarstation Barentsburg auf Spitzbergen. Dazu stieg die Temperatur auf der Inselgruppe auf 7,5°C am Fjord Hornsund und 10,2°C in Longyerabyen.

24 Stunden später befand sich der Kern des Wirbels ULRIKE bei einem fast unveränderten Luftdruck rund 250 km südöstlich von Jan Mayen über dem Europäischen Nordmeer. Zwischen dem Europäischen Nordmeer und der Grönlandsee erstreckte sich zudem die spiralförmige Okklusion. An der Wetterstation auf der Insel Jan Mayen wurde zwischen 20 Uhr MESZ am Vortag und dem 05.07. um 08 Uhr MESZ eine Niederschlagsmenge von 2 l/m² registriert bei einer maximalen Temperatur von 4,9°C.

In den letzten Tagen hatte sich der Kerndruck des Tiefdruckgebietes ULRIKE stetig erhöht und mit dieser Auffüllung hatte sich die Zyklone bis zum 06.07. um 02 Uhr MESZ quasi komplett aufgelöst. Nur noch ein winziger Trog in der Höhe, also eine sehr kleine Ausbuchtung der Isobaren, ließ auf eine Existenz schließen. Namentlich erwähnten die Meteorologen der Berliner Wetterkarte Tief ULRIKE nach einem Lebenszyklus von insgesamt 6 Tagen am 05.07 letztmalig.