Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet UNDINE

(getauft am 28.11.2020)

 

Am 28. November 2020 wurde ein Tiefdruckgebiet in der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den Folgetag auf den Namen UNDINE getauft. Es sollte sich über dem Osten Islands bilden.

Tatsächlich entwickelte sich am 29. November das Tiefdruckgebiet UNDINE im Zusammenhang mit einem Kurzwellentrog, also tiefem Luftdruck in höheren Luftschichten, wobei der Kern des Wirbels UNDINE etwa 150 km südwestlich von Island lag. Dort betrug der Luftdruck weniger als 995 hPa. Eine bogenförmige Okklusionsfront, das ist eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, ging vom Kern der Zyklone UNDINE aus und reichte bis zum Okklusionspunkt, der sich ungefähr 800 km südlich von Island befand. Dort trafen eine Warmfront und eine Kaltfront wie bei einem Reißverschluss zusammen. Die Warmfront zog sich in südlicher bis südwestlicher Richtung und war bis etwa 1000 km nordnordwestlich der zu Portugal gehörenden Inselgruppe der Azoren zu verfolgen. Die Kaltfront folgte weiter westlich und verlief vom Okklusionspunkt etwa 500 km weit, um dann in eine Warmfront überzugehen, die zu einem unbenannten Tief östlich von Ostkanada gehörte. In Island gab es tagsüber wiederholt Regen und Schneefälle, die teils schauerartig verstärkt waren. Bis zum Abend kamen 12-stündig bis zu 6,1 l/m² in Kirkjubæjarklaustur nahe der Südküste Islands zusammen. In Bolungarvík im Nordwesten des Landes fielen 5,4 l/m². An der letztgenannten Wetterstation summierte sich der Niederschlag 24-stündig bis zum Morgen des 30. November auf 24,4 l/m².

 

Nun lag das Tiefdruckgebiet UNDINE mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von unter 995 hPa gemessen wurde, über dem Europäischen Nordmeer zwischen Island, dem norwegischen Festland und der ebenfalls zu Norwegen gehörenden Insel Jan Mayen. Eine vom Kern des Tiefs UNDINE ausgehende Okklusionsfront beschrieb einen Bogen zur und entlang der norwegischen Küste bis zum Okklusionspunkt östlich der Shetland-Inseln, die zu Schottland gehören. Von dort führte eine Warmfront nach Südwesten über das schottische Festland und den Nordkanal bis in den Norden Irlands. Eine Kaltfront, die ebenfalls vom Okklusionspunkt ausging, war so kurz, dass sie nach kurzer Distanz in eine Warmfront überging, die Teil einer verwellten Luftmassengrenze war, die letztlich als Warmfront zum Tiefdruckgebiet VIRPY östlich von Kanada und südlich von Grönland gehörte. Von den Britischen Inseln bis nach Skandinavien brachte das Tief UNDINE zeitweiligen Regen, vor allem im norwegischen Bergland und in Nordschweden gebietsweise Schnee. Nachmittags und abends kam von Nordwesten auch im Deutschland Niederschlag auf, der auf seiner Vorderseite oft als Schnee fiel. Dieser blieb anfangs meist nicht oder nicht lange liegen, auch weil Regen folgte. In der Nacht zum 01. Dezember konnten aber auf dem Kahlen Asten im Rothaargebirge in einer Höhe von 859 m über dem Meeresspiegel 5 cm Schnee, in Bad Marienberg im Westerwald (547 m) 4 cm, im nordhessischen Schauenburg-Elgershausen (318 m) 2 cm und in Braunlage (609 m) im Harz 1 cm Schnee registriert werden. Im norwegischen Leknes auf den Lofoten kamen bis zum Morgen des 01. Dezember 24-stündig 26 l/m² zusammen. Ebenso viel wurde in Bergen/Florida im Südwesten des Landes erreicht. Aus Hvide Sande an der dänischen Nordseeküste wurden 24 l/m² gemeldet. Am Flughafen Amsterdam in den Niederlanden kamen 17 l/m² zusammen. In Deutschland waren Solingen-Hohenscheid und Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen mit jeweils 20 l/m² die niederschlagsreichsten Orte.

 

Am 01. Dezember war das Tiefdruckgebiet UNDINE zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Mittlerweile hatte es sich in drei Teiltiefs aufgespalten. UNDINE I lag mit einem Kerndruck von unter 995 hPa zwischen Nordnorwegen, der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen und der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja. UNDINE II befand sich mit unter 1010 hPa über dem südlichen Bottnischen Meerbusen. UNDINE III war mit ebenfalls unter 1010 hPa über Dänemark zu finden. Von UNDINE I ging eine Okklusionsfront in nordöstlicher bis östlicher Richtung aus, die bis östlich von Nowaja Semlja zur Karasee und über den von der Berliner Wetterkarte abgedeckten Kartenausschnitt hinaus reichte. Eine weitere Okklusionsfront ging von UNDINE I aus nach Süden bis Südwesten entlang der norwegischen Küste bis in die Gegend von Trondheim. Von UNDINE II führte eine Okklusionsfront nach Südwesten bis an die schwedische Küste knapp nördlich der Hauptstadt Stockholm, wo sie in eine weitere Okklusionsfront überging, die zum Teiltief UNDINE III gehörte und über Schweden bis zum Skagerrak führte. Weiter südlich schloss sich eine weitere Okklusionsfront an, die über die Niederlande und Belgien bis in den Südwesten des Landes reichte, wo sich ein Okklusionspunkt befand. Von dort ging eine Warmfront über den Norden Frankreichs bis zur nördlichen Biskaya aus. Außerdem führte eine Kaltfront vom erwähnten Okklusionspunkt über den Ärmelkanal und Cornwall im Südwesten Englands bis zur Keltischen See, wo sie in eine Warmfront des Tiefs VIRPY zwischen Island und dem Süden Grönlands überging. Der Dezember begann somit unter dem Einfluss des Tiefdruckgebietes UNDINE in Nord- und Mitteleuropa, wie der November aufgehört hatte: mit wechselhaftem Wetter, teils Regen, teils Schnee, aber auch gebietsweise längeren heiteren Abschnitten, und – für die Jahreszeit typisch – Nebel. An den nordnorwegischen Wetterstationen Tromsö und Bardufoss kamen bis zum Abend in 12 Stunden jeweils 6 l/m² zusammen. In Deutschland, wo auf der Mittagskarte der Berliner Wetterkarte das Teiltief UNDINE III mit unter 1015 hPa über Nordwestdeutschland zu sehen war, brachte die von dort ausgehende, in südlicher bis südwestlicher Richtung bis in den Nordosten Frankreichs verlaufende und danach nach Westen abbiegende Okklusionsfront in diesem Zeitraum in Nettersheim in Nordrhein-Westfalen als niederschlagsreichstem Ort 13 l/m². Die mit dem Tiefdruckgebiet UNDINE herangeführten, milden maritimen Luftmassen ließen die Temperatur auf Borkum auf 9,5°C steigen, während es im niederbayerischen Fürstenzell mit -1,6°C leichten Dauerfrost gab. Am Vortag hatte die Höchsttemperatur an beiden Wetterstationen bei 4,1°C gelegen. Nachfolgend etablierte sich über dem Nordwesten Europas das Tiefdruckgebiet VIRPY, während von Russland der Einfluss des Hochs XAVIER zunahm.