Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet URBAN
(Getauft
am 19.10.2019)
Entlang
der sich wellenförmig deformierenden Front des am 19.10.2019 über
Großbritannien und der Nordsee liegenden Tiefdrucksystems THILO entstand im
Laufe des Tages über der Iberischen Halbinsel ein neuer Tiefdruckwirbel, der
anhand der Prognosekarte für 12 Uhr UTC des darauf folgenden Tages für
Südfrankreich vorhergesagt und auf den Namen URBAN getauft wurde. Dieser
Tiefdruckwirbel befand sich gegen 00 Uhr UTC des 20.10. mit seinem Zentrum und
einem Kerndruck von unter 1005 hPa zunächst noch über Nordspanien, unweit von
San Sebastián. Vom Kern reichte zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Warmfront über
Frankreich und Deutschland bis etwa Berlin, wo sie in das Frontensystem des
über der Nordsee liegenden Wirbels THILO überging, als auch eine Kaltfront in
einem weiten Bogen über Ostspanien, Gibraltar und Nordwestmarokko auf den Atlantik
hinaus, über dem sie sich südlich der Azoren mit der Warmfront eines weiteren, unbenannten
Tiefs mit Kern über der Labradorsee verband. Aufgleitvorgänge entlang der Fronten sowie im
Kernbereich des Tiefs URBAN hatten ein ausgeprägtes Niederschlagsband entstehen
lassen, welches bereits am 19.10. Teilen Spaniens, Portugals und dem Südwesten
Frankreichs ergiebigen Regen gebracht hatte. Dabei waren binnen 24 Stunden bis 06
Uhr UTC des 20.10. in Madrid 19,4 mm, in Cognac 26,7 mm, bei Poitiers 45,2 mm
und in Santander 56,4 mm registriert worden. Besonders intensiv waren die
Niederschläge in Portugal. Durch teils gewitterartige Schauer wurden in
Portalegre 60,1 mm, im Distrikt Viana do Castelo 76,1 mm und in Porto bis zu
140,1 mm gemeldet. Das Gros der Niederschläge war dabei oft in nur wenigen
Stunden gefallen. So wurden beispielsweise von den 140,1 mm in Porto 107 mm in
weniger als 6 Stunden gemessen. Zum Morgen des 20.10. waren die Niederschläge
bereits weitestgehend aus Portugal abgezogen und verlagert sich im weiteren
Tagesverlauf von Nordspanien über Frankreich hinweg in Richtung der Schweiz
sowie in den Westen Deutschlands. Diese führten dabei innerhalb von 24 Stunden
in Deauville 23,8 mm, bei Perrigny 40,2 mm und in der Gemeinde Biscarosse 54,4
mm Niederschlag mit sich. Ehe sie aus Nordspanien abzogen, wurden in Santander
nochmals 38,0 mm gemessen. Von Orkanböen bis 165,7 km/h begleitet wurden
dagegen von der Station auf dem Mont Aigoual, der letzten bewohnten Messstation
im Zentralmassiv und gleichzeitig dem Ort mit der höchsten jährlichen
Niederschlagsmenge Frankreichs, bis zu 75,2 mm gemeldet. Ähnlich wie zuvor entlang der Küstengebirge
Portugals und Spaniens wurden die feuchten Luftmassen beim Auftreffen auf die
Westalpen in kältere Luftschichten gehoben, wodurch die Niederschläge im
Zusammenspiel mit Stauprozessen zusätzliche Intensivierung erfuhren. So fielen
beispielsweise binnen 24 Stunden in San Bernardino Niederschlagsmengen von 81,4
mm, bei Locarno von 105,0 mm und auf der Alp Robièi bis zu 114,1 mm. Auch Teile
Norditaliens waren durch die Ausläufer des regenreichen Tiefs URBAN betroffen:
Stationsmeldungen berichten von 51,0 mm in Mailand. 65,0 mm bei Bergamo und bis
zu 178,0 mm nahe Genua, an der Station auf dem Monte Settepani. Vergleichsweise
gering fielen dagegen die Niederschläge in Deutschland aus: Von lokalen
Ausnahmen abgesehen wurden durch anhaltenden, leichten Regen oder Sprühregen in
Düsseldorf 8,6 mm, in Geilenkirchen 9,1 mm und am Flughafen von Hamburg 10,6 mm
registriert, wohingegen schauerartig verstärkt am Flughafen Köln-Bonn 17,5 mm,
in Lüdenscheid 22,3 und an der Station Nürburg-Barweiler 31,1 mm gemessen
wurden. Während der Westen durch trübes und regnerisches Wetter geprägt war
überwog im Süden und Osten des Landes ein freundlicher Wechsel aus Sonne und
Wolken mit bis zu 8,8 Sonnenstunden. Gleichzeitig wurden auf der Vorderseite
des sich zunehmend nach Nordfrankreich verlagernden Tiefdruckgebietes mit einer
südlichen Strömung milde Luftmassen aus dem Mittelmeerraum nach Norden geführt,
die das Quecksilber in Berlin-Tempelhof auf 20,6°C, in Stuttgart auf 21,6°C und
in der Münchener Innenstadt auf bis zu 23,0°C stiegen ließ.
Gegen
00 Uhr UTC des 21.10. hatte das Tief URBAN Nordostfrankreich erreicht und lag
mit seinem Zentrum und einem Druck von knapp 1010 hPa bei Reims. Die Teile dieser Warmfront waren von der ihr
nacheilenden Kaltfront eingeholt worden, sodass sich entlang derer eine
Okklusionsfront hat ausbilden können die Eigenschaften beider Systeme in sich
vereint und zumeist durch ergiebigen Regen gekennzeichnet ist. Diese erstreckte
sich östlich des Zentrums bei Paris beginnend in einem engen Bogen um den Kern
herum nach Osten bis zu ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und
Kaltfront ineinander übergehen, bei Brüssel. Von dort reichte die Warmfront
über Münster und Hamburg bis nach Danzig, wo sie sich mit dem Frontensystem des
von der Nordsee nach St. Petersburg gezogenen Tiefdruckgebietes THILO verband.
Die ihr folgende Kaltfront erstreckte sich über Stuttgart und Nizza bis nach
Algier und ging anschließend in die Warmfront eines anderen Wirbels über. Die
Niederschläge des Tiefdruckwirbels URBAN verloren in den Morgenstunden rasch an
Intensität und konzentrierten sich am 21.10. im Wesentlichen entlang eines
Streifens im Bereich des sich über die Deutsche Bucht und Dänemark nach Osten
verlagernden Kerns sowie auf den westlichen Alpenraum, über dem sich entlang
der Kaltfront im Tagesverlauf ein neues, jedoch nur kurzlebiges lokales Tief
entwickelte. Innerhalb von 24 Stunden wurden auf Norderney 1,5 mm, in List auf
Sylt 5,5 mm und in Leck 8,5 mm Niederschlag gemessen. Bis auf wenige Ausnahmen
entlang des westlichen Alpenrandes blieb es in den übrigen Regionen
Deutschlands trotz oftmals dichter Bewölkung trocken oder es fiel nur leichter
Sprühregen mit unter einem Millimeter Niederschlag. Von Cottbus über Sachsen
bis nach Regensburg schien zeitweise auch die Sonne bei Temperaturen knapp über
der 20°C-Marke. In Dänemark dominierte dagegen trübes Wetter mit anhaltendem
Sprühregen oder wiederholten leichten Regenschauern, die zwischen 2,5 mm in
Aarhus, 6,6 mm am Flughafen Billund und 9,3 mm bei Askov mit sich führten. In
der Schweiz waren im selben Zeitraum dagegen in Andermatt 32,8 mm, am Berninapass
40,0 mm und in Gersau 42,1 mm gefallen, während bei Cevio 115,1 mm und auf der
Alp Robièi gar bis zu 143,7 mm gemessen wurden. Auch in Teilen Nordwestitaliens
kam es zu weiteren, teils sehr ergiebigen Niederschlägen. So wurden am Monte
Settepani 23,0 mm, in Bergamo 51,0 mm und bei Genua 106,0 mm registriert.
Bis
00 Uhr UTC des 22.10. hatte der Kern des sich bereits in fortgeschrittener
Auflösung befindlichen Tiefdruckgebietes URBAN sich nach Südschweden verlagert
und lag mit einem auf 1015 hPa angestiegenen Druck nahe Karlskrona. Zu diesem
Zeitpunkt konnte zwar ein verzweigtes jedoch nur noch geringfügig
wetterwirksames Frontensystem analysiert werden: Eine erste Okklusionsfront zog
sich westlich seines Zentrums über Flensburg und Friesland bis nach Amsterdam
und eine weitere östlich des Kerns ausgehend über Gotland nach Lettland. Letztere
hatte ihren Okklusionspunkt bei Liepāja.
Von dort erstreckte sich eine Warmfront nach Westrussland, die sich südlich von Moskau abermals
mit dem Frontensystem des in Richtung des Nordurals abgezogenen Tiefs THILO
verband, und eine Kaltfront über Danzig nach Südwesten, die bei München in die Warmfront des
unbenannten Tiefdruckgebietes mit Zentrum über der Schweiz überging, welches
sich in der Nacht am Rande des Wirbels URBAN über dem Alpenraum hat ausprägen
können. Bereits in den folgenden Stunden schwächte sich der Tiefdruckwirbel
URBAN soweit ab, dass er nachfolgend nicht mehr als eigenständiges Druckgebilde
auf der Berliner Wetterkarte analysiert und somit auch nicht mehr auf jener
namentlich verzeichnet werden konnte. Nennenswerte, dem einst regenreichen Tief
direkt zuzuordnende Niederschläge wurden keine mehr gemeldet. Lediglich in
Estland wurde noch leichter Regen oder Sprühregen mit Niederschlagsmengen
zwischen 0,2 mm in Tallinn und 1,5 mm in Turi registriert. Auch im Alpenraum
hatten die Niederschläge weitestgehend nachgelassen. Mit Ausnahme der Region um
Turin, wo durch Regenschauer noch bis zu 14,0 mm in 24 Stunden gefallen waren,
wurden zumeist nur vereinzelte Tropfen oder Niederschlagsmengen zwischen drei
und fünf Millimetern registriert. Vielerorts blieb es bereits auch gänzlich
niederschlagsfrei.