Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet URSULA

(getauft am 30.07.2012)

 

Am 30. Juli 2012 wurde über dem zentralen Nordatlantik ein Tiefdruckgebiet auf den Namen URSULA getauft. Es hatte sich als Wellentief am südlichen Rand eines umfangreichen Höhentiefs gebildet, welches über dem nördlichen Nordatlantik lag.

Der Kern des Bodentiefs URSULA lag am Tag der Taufe mit einem Luftdruck von etwas unter 1010 hPa ungefähr mittig zwischen der Südspitze Grönlands und den Azoren. Vom Tiefdruckzentrum gingen drei Okklusionsfronten, also Mischfronten mit Warm– und Kaltfronteigenschaften, aus. Die kürzeste verlief über wenige Hundert Kilometer nach Südosten bis zum sogenannten Okklusionspunkt, an dem sich Warm– und Kaltfront trafen. Die Warmfront verlief in Richtung Süden bis knapp vor die Azoren und die Kaltfront reichte weit nach Südwesten und später Westen, wobei sie über dem westlichen Nordatlantik in die Warmfront eines unbenannten Tiefs mit Kern vor der kanadischen Halbinsel Nova Scotia überging. Die zweite und längste vom Tief URSULA ausgehende Okklusionsfront erstreckte sich über etwa 700 km in westlicher Richtung. Die dritte, ungefähr 500 km lange Okklusionsfront führte vom Zentrum des Wirbels URSULA nach Nordosten und ging dann in eine Okklusionsfront eines unbenannten Tiefdrucksystems über, das zwischen Grönland und Island lag. Im Laufe des Tages verlagerte sich das Tiefdruckgebiet URSULA mit seinen Fronten weiter ostwärts.

Bis zum Morgen des 31. Juli war der Kern des Wirbels URSULA bis auf etwa 800 km westlich von Irland herangekommen. Der Luftdruck im Tiefdruckzentrum hatte sich auf leicht unter 1005 hPa verringert. Nach Norden führte über einige Hundert Kilometer lang eine Okklusionsfront, die dann in die Okklusionsfront des unbenannten Tiefdrucksystems zwischen Grönland und Island überging. Südwestlich des Kerns verlief über knapp 1000 km eine weitere Okklusionsfront. Außerdem begann im Tiefdruckzentrum der Zyklone URSULA eine Warmfront, die den Süden Irlands, den äußersten Südwesten Englands sowie Nordfrankreich streifte und östlich von Paris in eine Kaltfront überging, die auf der Rückseite des Nordosteuropatiefs SUSANNE lag.

Bis zum Folgetag verlagerte sich das Tiefdruckgebiet URSULA mit seinen Fronten weiter nach Nordosten, so daß sie das Wetter auf dem Festland in West– und Nordwesteuropa zunehmend beeinflussten. So kamen in Amsterdam 6 l/m² und im schottischen Glasgow 13 l/m² innerhalb von 24 Stunden zusammen. Mittlerweile befand sich das Zentrum des Wirbels URSULA mit einem Luftdruck von etwas unter 990 hPa gut 300 km westlich von Irland. Nach Süden zog sich über einige Hundert Kilometer eine Okklusionsfront und auch nördlich des Tiefdruckkerns war eine Okklusion zu sehen, die nach Nordosten bis Osten reichte und bis zum Okklusionspunkt verlief, der sich knapp nordwestlich von Irland befand. Dort trafen eine Warmfront, die über den Norden der Britischen Inseln und die Nordsee bis zu den Niederlanden verlief, und eine Kaltfront zusammen, die über den Westen von Irland bis vor die Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel zunächst einen südlichen Kurs einnahm, dann nach Südwesten bis über die Azoren reichte, um schließlich nach Westen in die Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes mit Kern östlich von Neufundland überzugehen. Zwischen der zum Tief URSULA gehörenden Warm– und Kaltfront spannte sich der weite, sogenannte Warmluftsektor auf, in dem warme Luft aus Südwesten nach Westeuropa transportiert wurde. Dementsprechend stieg die Temperatur dort auf hochsommerliche Werte an. In Paris wurden 29°C erreicht und an der baden–württembergischen Station Rheinstetten wurde mit einem Höchstwert von 32,3°C das höchste Maximum deutschlandweit an diesem Tag erreicht. Hinter der Kaltfront blieb es deutlich kühler, wie beispielsweise die Höchsttemperaturen von Shannon in Irland und von Glasgow in Schottland mit jeweils 18°C zeigen.

Bis zum Morgen des 2. August verlagerte sich das Zentrum des Tiefs URSULA kaum, allerdings vertiefte sich der Kerndruck auf etwas unter 985 hPa. Knapp südlich des Kerns beginnend, zog sich eine Okklusionsfront halbkreisförmig westlich um den Kern herum bis zum Okklusionspunkt westlich von Schottland. Dort trafen eine kurze Warmfront, die bis vor die südnorwegische Küste reichte, und eine um ein vielfaches längere Kaltfront zusammen. Diese Kaltfront zog sich über Schottland und die englischen Ostküste hinweg, reichte weiter über Frankreich, die östliche Biskaya und den Nordwesten der Iberischen Halbinsel und führte dann bis südöstlich der Azoren, wo sie in die Warmfront eines nachfolgenden Tiefs überging. Zudem hatte sich von den Niederlanden über das westliche Deutschland bis nach Frankreich in die Region um Lyon eine sogenannte Konvergenzlinie gebildet, an der Luft aus verschiedenen Richtungen zusammenströmte und somit zum Aufsteigen gezwungen wurde. Im Tagesverlauf bildeten sich im Bereich dieser vorlaufenden Konvergenzlinie und der Kaltfront teils kräftige Schauer und Gewitter. Bis zum Morgen des Folgetages summierte sich der 24–stündige Niederschlag zum Beispiel in Berlin-Tempelhof auf 20 l/m² und auf dem Hohenpeißenberg in Bayern auf 54 l/m². Mancherorts fiel ein Teil des Niederschlages nicht als Regen, sondern als Hagel, der zum Beispiel in einigen Berliner Bezirken einen Durchmesser von 1 bis 3 cm erreichte. Die Luftmassenunterschiede waren auch deutlich an den Höchsttemperaturen des 2. August zu sehen. Während im brandenburgischen Cottbus mit 33,2°C einer der höchsten Werte in Deutschland gemessen wurde, stieg die Temperatur im nordrhein–westfälischen Aachen nur auf 21,5°C.

Am 3. August blieb der Kern des Wirbels URSULA erneut stationär und der Luftdruck im Tiefdruckzentrum stieg auf etwas unter 995 hPa an. Knapp südlich begann eine Okklusionsfront, die sich im Uhrzeigersinn um den Tiefdruckkern zog, dabei von Nord nach Süd über Irland führte und bis zum Okklusionspunkt zwischen Schottland und Norwegen insgesamt ungefähr eineinhalb Umdrehungen vollführte. Dort trafen eine über Mittelskandinavien und den Bottnischen Meerbusen verlaufende Warmfront und eine über Südskandinavien, Polen, Tschechien, Bayern und die Alpen bis nach Nordostspanien reichende Kaltfront zusammen. Die Warmfront hatte an der finnischen Küste Anschluß zu einer Kaltfront, die zu einem unbenannten Tief über dem Nordpolarmeer gehörte, während die bis Nordostspanien reichende Kaltfront in die Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes westlich der Azoren überging. Vor der Kaltfront, die unter anderem über dem östlichen Mitteleuropa lag, stieg die Temperatur auf hochsommerliche Werte an. So gab es in Warschau eine Höchsttemperatur von 32°C, dagegen wurden hinter der Kaltfront deutlich kühlere Werte gemessen. Am Bremer Flughafen betrug das Maximum gerade einmal 14,9°C. Mit der Kaltfront verbunden waren gebietsweise Niederschläge, deren Intensität aber innerhalb kurzer Distanzen erheblich schwankte, was an der schauerartigen bis gewittrigen Natur der Niederschläge lag. Während an der zum Berliner Stadtmessnetz gehörenden Station Tegel 1 l/m² Regen bis zum Morgen des 4. August fielen, regnete es an der Station Tempelhof mit 13 l/m² deutlich mehr.

Mittlerweile hatte das Tiefdruckgebiet URSULA mit seinem Kern, in dem ein Luftdruck von unter 1005 hPa herrschte, den Südwesten Irlands erreicht. Eine Okklusionsfront zog sich vom Tiefdruckzentrum zunächst nach Süden, um dann einen Bogen westlich und nördlich des Kerns des Tiefs URSULA zu beschreiben und vor der norwegischen Küste, etwa auf Breite von Stavanger, in die Okklusionsfront eines unbenannten Tiefs über dem südlichen Bottnischen Meerbusen überzugehen. Im Tagesverlauf verlagerte sich die zum Tief URSULA gehörende Okklusionsfront etwas nach Süden, sodass unter anderem Glasgow gestreift wurde, wo bis zum Morgen des Folgetages eine Niederschlagssumme von 3 l/m² registriert wurde.

Das Tiefdruckgebiet URSULA hatte seinen Kern inzwischen zum St.‑Georgs‑Kanal zwischen Irland und Wales verlagert, wobei sich der Luftdruck im Tiefdruckzentrum nicht wesentlich verändert hatte. Von dort ging eine Okklusion aus, die über Irland und den Norden Großbritanniens zur Nordsee reichte und an der Nordspitze Dänemarks entlang weiter bis nach Südschweden verlief, wo sie in die Okklusionsfront eines unbenannten Tiefdrucksystems über Nordosteuropa überging. Die stärksten Niederschläge wurden im schottischen Edinburgh gemessen, wo bis zum Morgen des 6. August 9 l/m² Regen fielen.

In eben diese Region, ins südliche Schottland und auch ins nördliche England, war das Tiefdruckgebiet URSULA mittlerweile gezogen und hatte seinen Kerndruck weiterhin kaum verändert. Ähnlich wie am Vortag zog sich vom Kern des Tiefs URSULA ausgehend eine Okklusionsfront zunächst westlich und nördlich um den Tiefdruckkern herum, wobei der Norden Irlands und Schottland gestreift wurden. Dann verlief die Front weiter nach Osten bis Nordosten über die nördliche Nordsee hinweg, um vor der südnorwegischen Küste in eine Okklusionsfront überzugehen, die zu einem unbenannten nordskandinavischen Tief gehörte. Entlang der erstgenannten Okklusionsfront bildeten sich gebietsweise Schauer und sogar örtliche Gewitter aus. In Edinburgh fielen bis zum Morgen des Folgetages somit 12 l/m² und in Skagen an der Nordspitze Dänemarks, das im Tagesverlauf des 6. August im Randbereich des Kerns lag, wurden 18 l/m² gemessen.

Am 7. August war das Tiefdruckgebiet URSULA zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Es befand sich mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von etwas unter 1000 hPa gemessen wurde, im Raum Oslo. Es bildete mit dem über der Ostsee zwischen Schweden und Finnland liegenden Tief VIKTORIA ein zusammenhängendes System und brachte tagsüber in Oslo eine Niederschlagsmenge von 3 l/m² zustande.

Bis zum 08. August wurde das Tief URSULA in die Zirkulation des Wirbels VIKTORIA aufgenommen und konnte daher nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.

 


Geschrieben am 18.09.2012 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 03.08.2012

Pate: Ursula Hartmann