Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet  URS

(getauft am 09.11.2007)



Zwischen der Luft aus polaren Gebieten und der Luft aus den Subtropen sind im allgemeinen durch die starken Temperaturgegensätze sehr hohe Windgeschwindigkeiten in einem Höhenbereich von 5-10 km anzutreffen. Wenn in diesen Gebieten mit starken Höhenwinden orographische Hindernisse wie Gebirge überströmt werden müssen, kann es dazu kommen das sich auf der dem Wind abgewandten Seite des Gebirges ein neues Tiefdruckgebiet bildet. So geschehen am 09.11.2007 an der Südspitze Grönlands.

Dieses so genannte Starkwindband zeigte sich an diesem Tag von Neufundland, Südgrönland über die Nordsee bis nach Mitteleuropa, wobei der erwähnte Effekt zwischen Grönland und Island zur Entstehung von Tief URS führte. Innerhalb von 24 Stunden sank der Kerndruck von mehr als 1019 hPa auf unter 1010 hPa, womit URS am 10.11. erstmals auf der Berliner Wetterkarte erschien und in derselben Nacht noch Reykjavik mit mäßigem Regen bei 5°C versorgte.

Das Zentrum von URS lag im Bodenniveau genau unter dem Starkwindband, welches in 5km Höhe eine Windgeschwindigkeit bis zu 120 km/h erreichte und von Island auf direktem Wege nach Südosten über Mitteleuropa bis nach Griechenland führte. Mit dieser Nordwestströmung verlagerte sich URS sehr schnell nach Mitteleuropa, so dass er gerade mal 24 Stunden später am 11.11. um 1 Uhr schon über der mittleren Nordsee lag, mit einem weiter gesunkenen Kerndruck von nur noch 1000 hPa. Bereits am Abend zuvor erreichte seine Warmfront den Westen Deutschlands und sorgte für teils ergiebige Niederschläge an diesem Samstagabend. In Oldenburg gab es 13 Liter/m² Regen und in Freudenstadt im Schwarzwald sogar 40 l/m² im gleichen 12 stündigen Zeitraum. In der Nacht zum Sonntag kam die Front rasch weiter gen Osten voran, wobei der Regen immer mehr in Schnee überging und die vorhandene Schneedecke in den Mittelgebirgen weiter erhöhte. Damit lagen jetzt in den östlichen Mittelgebirgen mehr als ein halber Meter Schnee, wie auf dem Fichtelberg mit 59 cm und auf dem Großen Arber mit 82 cm. Aber auch im Flachland konnte sich eine Schneedecke ausbilden, wie in Berlin-Dahlem mit einer Höhe am 4cm am Sonntagmorgen den 11.11.2007. Jedoch konnte sie sich bei einer Temperatur von durchweg etwa +2°C nicht lange halten und war schon am Abend wieder getaut.

 

Entlang der Zugbahn von URS herrschten dabei große Temperaturgegensätze. Es regnete sogar auf dem über 1100 m hohen Brocken mit teils starker Intensität, während es zu gleichen Zeit rund 130 km weiter nördlich in der nördlichen Altmark schneite. An der gut ausgeprägten Kaltfront, die Sonntagmittag etwa die Mainlinie erreicht hatte, bildeten sich sogar einzelne Gewitter. Regensburg meldete um 15 Uhr MEZ ein Gewitter und gleichzeitig maximale Böen von 53 kn (Windstärke 10).

URS bewegte sich dabei rasant nach Südosten. Die Zugbahn verlief von der deutschen Nordseeküste, wo der Tiefkern mit einem Druck von knapp 995hPa am 11.11. (Sonntag) um 4 Uhr MEZ auftraf, weiter über Ostsachsen (nur 9 Stunden später um 13 Uhr) zu den nördlichen Karpaten, wo URS gerade mal weitere 12 Stunden später ankam. An der Südflanke von URS entwickelte sich währenddessen ein Sturmfeld, das durch Kanalisierungseffekte entlang der Nordalpen noch verstärkt wurde. So traten in der gesamten Südhälfte Deutschlands am Sonntag (11.11.) in tiefen Lagen Sturmböen der Stärke 8 bis 9, in höheren Lagen 10 bis 12 auf (z.B. Hohenpeißenberg 68 kn (ca. 125km/h)). Auf den Alpengipfeln der Schweiz und Österreichs gab es extremen Orkan. Der Feuerkogel in Österreich meldete eine Spitzenböe von 103 kn, das entspricht rund 190 km/h.

Mit der Überquerung Mitteleuropas hatte URS seinen Höhepunkt in der Entwicklung überschritten und schwächte sich von nun an immer weiter ab. Sein Kerndruck stieg jetzt wieder und auch das Windfeld schwächte sich über der Ukraine immer weiter ab. Am 14.11. war URS mit Zentrum über Moskau das letzte mal auf der Berliner Wetterkarte zu sehen und verabschiedete sich mit Minusgraden und Schneefall, bevor er sich mit dem dominierenden Tief VALTER verband.


Geschrieben am 30.12.2007 von Thomas Schubert

Wetterkarte: 11.11.2007

Pate: Thomas Jünemann