Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet UTZ

(getauft am 29.04.2017)

 

Ende April konnte über dem östlichen Nordatlantik ein stark ausgeprägter Höhentrog, also ein Kaltluftvorstoß nach Süden, mit einem dazugehörigen Höhentief westlich von Island ausgemacht werden. Korrespondierend dazu befand sich am Boden ein schon fast vollständig okkludiertes Tief, also ein Gebiet tiefen Luftdrucks, bei dem die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr ziehende Warmfront bereits eingeholt und deren warme Luft vom Boden angehoben hat. Mit der Okklusion entsteht ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfronten in sich vereint. Am südlichen Rand des Island-Höhentiefs begann sich ein weiteres Höhentief abzuschnüren. In diesem Bereich bildete sich auch am Boden ein neues, bisher noch unbenanntes, Tiefdruckgebiet mit Kern südwestlich von Irland aus. Auslöser war die Ausprägung einer Welle an dem Punkt, wo Kaltfront und Warmfront aufeinander trafen. Die Warmfront zog Richtung Nordwesten und die Kaltfront Richtung Südosten. Aus dieser sogenannten Wellenstörung entstand ein Wellentief, welches an den darauffolgenden Tagen mit nordwestlicher Strömung Kurs auf Mitteleuropa und damit Einfluss auf dessen Wetter nahm. Aus diesem Grund taufte die Berliner Wetterkarte das Wellentief, also ein kleinräumiges Luftdruckminimum an einer wellenförmig deformierten Bodenfront ohne eigenständige Zirkulation, am 29. April in der Prognose für den nächsten Tag auf den Namen UTZ.

Am Folgetag tauchte Wellentief UTZ erstmalig vor der Südwestküste Irlands im Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte auf. Das Tief besaß um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, einen Kerndruck von circa 990 hPa. Die Zyklone UTZ hatte sich inklusive der Okklusionsfront von dem Entstehungstief südwestlich von Island abgespalten. Die Okklusionsfront ging einerseits vom Kern nach Norden ab und endete etwa 200 km vor der Küste Islands, andererseits verlief sie bis einige 100 km vor die portugiesische Küste, wo sie dann in eine Kaltfront überging. Durch die Nähe der Ausläufer von Tief UTZ zum Festland wurden bereits bis zum Morgen des 30. Aprils ergiebige Regensummen in Irland sowie im Nordwesten Spaniens und Portugals vermerkt. So meldete der Flughafen Cork im Süden Irlands bis 06 Uhr UTC 12-stündige Niederschlagswerte von 7 mm, auf Valentia Island, südwestlich von Irland, sogar 16 mm. An der Westküste Galiciens in Spanien wurde im gleichen Zeitraum in Casas Do Porto die höchste Niederschlagssumme mit etwas über 30 mm aufgezeichnet. In Portugal registrierten dagegen die Stationen in Porto und Ovar mit 13 und 15 mm die größten Regenmengen.

Das Wellentief UTZ entwickelte sich im Laufe des Tages zu einem Tief mit eigenständiger Zirkulation. Dabei wurde die Okklusionsfront im Norden in Verbindung mit der Bildung eines neuen Tiefs abgetrennt und ein zusätzlicher Tiefdruckkern entstand bis zum 1. Mai am Rand des Kerns von Tief UTZ. Das Frontensystem sorgte in ganz Westeuropa von England über Frankreich bis nach Spanien für hohe Niederschlagssummen. In Dunkeswell, einem kleinen Dorf im Südwesten Englands, vermerkte die Wetterstation bis zum 06 Uhr UTC Termin 37 mm innerhalb von 24 Stunden. In Frankreich wurden besonders in der West- und Südhälfte zweistellige Niederschlagssummen erreicht. So meldete die Station La Hague im Norden im gleichen Zeitraum 28 mm und in Nizza kamen knapp 31 mm zusammen. Auch in Spanien wurden zweistellige Regensummen entlang der Pyrenäen gemessen, die höchste mit 31 mm in einem kleinen Ort namens Canfranc im Tal des Aragón gelegen. In Irland nahe des Tiefdruckkerns fielen dagegen im Vergleich zum Vortag eher geringe 24-stündige Summen von maximal 2 bis 3 mm. Geringe Sonnenstunden waren mit den Gebieten hoher Niederschlagssummen verknüpft. Im Südwesten Englands wie z.B. in Bournemouth gab es gar keine Sonne, ebenso in großen Teilen Galiciens und in den Ortschaften rund um Marseille sowie entlang der Gebirgskette der Pyrenäen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichten in den beschriebenen Gebieten Werte von 12 bis 15°C in den Regenregionen, sonst 15 bis 20°C.

Am 1. Mai lag der Kern des Tiefdruckgebietes UTZ mit einem angestiegenen Luftdruck von ca. 1000 hPa über Südostirland. Wie bereits erwähnt, besaß er eine gemeinsame Isobare, also eine Linie gleichen Luftdrucks, mit einem weiteren neu entstandenen Kern, der über dem Ärmelkanal lag, und war mit diesem über eine Okklusionsfront verbunden. Vom unbenannten Tiefdruckkern abgehend verlief eine Kaltfront bogenförmig über Belgien, die Ostgrenze Frankreichs bis über die Straße von Gibraltar hinaus auf den Nordatlantischen Ozean. Bis zum Folgetag kamen besonders im Westen Frankreichs bei ca. 4 bis 6 Sonnenstunden noch einmal zweistellige 24-stündige Regensummen zusammen. So meldete das südfranzösische Bergerac 17 mm und das in der Normandie befindliche Alencon 23 mm. In England gab es bis auf eine Stadt in Cornwall, wo noch 10 mm registriert wurden, nur noch einstellige Niederschlagswerte. Anders sah es im süddeutschen Raum aus. Dort wurde mit dem Frontensystem von Tief UTZ die einen Tag zuvor dort herrschende Luftmasse der mittleren Breiten durch maritime Subpolarluft nordatlantischen Ursprungs verdrängt. Damit einhergehend sanken die Temperaturen in der Südhälfte Deutschlands teilweise um fast 10 Grad. In Mühlacker in Baden-Württemberg konnten nur noch 10°C gemessen werden, bei tags zuvor 19°C. Besonders viel Regen gab es südlich des Mains, wo 24-stündig bis 06 Uhr UTC des 2. Mai örtlich mehr als 40 mm fielen, so beispielsweise in Ehingen im Norden Bayerns, wo 43 mm gemessen wurden. Die Sonne schien an diesem Tag im Westen und Südwesten Deutschlands überhaupt nicht.

Bis zum 02.05. hatte sich das Tiefdruckgebiet UTZ erheblich abgeschwächt und war dabei in 3 Teilzellen zerfallen. Kern I befand sich mit einem Luftdruck von etwas unter 1015 hPa weiterhin über dem Ärmelkanal, war nun allerdings frontenlos. Die anderen beiden Kerne lagen über Zentral- und Südeuropa, verbunden durch eine Okklusionsfront und umgeben von einer gemeinsamen Isobare, mit einem Luftdruck von 1015 hPa. Kern II wurde über dem bayrisch-tschechischen Raum lokalisiert und Kern III über der kroatisch-bosnischen Grenze. Abgehend von diesem Kern verlief eine Okklusionsfront bis zum Ionischen Meer, während sich eine Kaltfront bis nach Tunesien zog.

Besonders die Mitte Deutschlands wurde durch dichte Wolken, die so gut wie keinen Sonnenschein durchließen, dominiert. In diesen Regionen stiegen die Temperaturen oftmals nicht über 10°C, wie z.B. in Erfurt, wo nur 9°C erreicht wurden. Eine auf Satellitenbildern gut zu erkennende ausgeprägte Wolkenspirale bewegte sich an diesem Tag über Thüringen hinweg Richtung Westdeutschland, wo es schließlich auch zu stärkerem Niederschlag kam. Dabei meldeten u.a. die Berggipfel 24-stündige Regenmengen von mehr als 10 mm, so z.B. der Brocken mit knapp 15 mm. Bei 2°C fiel dort sogar nochmal 1 cm Schnee. Im Raum Hessen, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern wurden die höchsten Niederschlagsmengen gemessen. So registrierte man in Karlstadt bei Würzburg 25 mm, im nahe gelegenen Rothenbuch knapp 28 mm. Durch den raschen Zerfall von Kern III gab es im kroatischen Raum gebietsweise nur noch bis 3 mm Regen. Von Ungarn, über die Slowakei, Tschechien bis nach Polen wurde die 10 mm–Marke innerhalb von 24 Stunden durch die nur noch schwach ausgeprägten Frontensysteme des 3-kernigen Tiefs UTZ nicht überschritten. Kern I brachte im Tagesverlauf dem Norden Frankreichs ebenfalls nur noch geringe Niederschläge, so dass die höchste Summe mit 3 mm in Trappes, einer französischen Gemeinde im Großraum Paris, zugeordnet werden konnte. Nach kurzer Zeit schloss sich der Kern mit südlicher Zugrichtung einem vom Nordatlantik kommenden Frontensystem an und war somit nicht mehr länger der Zyklone UTZ zugehörig.

Bis zum 3. Mai verlagerte sich Tief UTZ mit nur noch einem Kern geringfügig nach Westen. Über dem Raum Köln sowie dem Grenzbereich zu Belgien und den Niederlanden konnte der Kern mit einem nochmals gestiegenen Luftdruck von etwa 1019 hPa ermittelt werden. Vom Zentrum ausgehend verlief die Okklusionsfront über Norddeutschland hinweg bis nach Polen, wo sie sich in eine nach Osten gerichtete Warmfront und eine sehr kurze nach Südosten gerichtete Kaltfront aufspaltete. Dieses bereits sehr abgeschwächte Frontensystem löste sich im Tagesverlauf rasch auf. Jedoch wurde Deutschland weiterhin von einem mittlerweile über den Alpen angedeuteten neuen Tiefdruckgebiet mit weiteren Niederschlagsereignissen beeinflusst.

Tief UTZ konnte hingegen als sich weiter auflösendes Tiefdrucksystem am 3. Mai das letzte Mal im Analysebereich der Berliner Wetterkarte dargestellt werden.

 

 

Geschrieben am: 15.06.2017 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 02.05.2017

Pate: Utz Schikore