Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet UWE

(getauft am 21.07.2019)

 

Bereits am Donnerstag, dem 18.07.2019, tropfte aus einem Höhentrog über Nordamerika ein kleines Höhentief ab, welches zu einem schon mehrere Tage auf der Bodenwetterkarte verzeichneten Tief gehörte. Mit der Westwindzirkulation wanderte dieser Trog über den Atlantik und wurde am 21.07., als er sich etwa auf der Länge der Azoren und der Breite Südirlands befand, in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf den Namen UWE getauft. Der Kerndruck betrug ungefähr 1000 hPa. Auf dem langen Weg über den Atlantik war das Tief UWE bereits gealtert, sodass sich schon eine Okklusion, also ein Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront, zeigte. Außerdem war der Warmluftsektor, also der Bereich hinter der Warmfront bis zur folgenden Kaltfront, stark geschrumpft. Die Kaltfront reichte ausgehend vom Okklusionspunkt, dem Punkt wo Kalt-, Warm- und Okklusionsfront zusammentreffen, nur wenig südlich bis sie in die gewellte Frontalzone überging. Auf der 500 hPa-Karte, was etwa einer Höhe von 5,5 km entspricht, zeigte sich ein Trog über Nordamerika bis über Grönland nach Spitzbergen reichend, an dessen Ostflanke die Bildung des nächsten Tiefs in vollem Gange war. Unterbrochen durch eine schwache relative Hochdruckbrücke, Druck um nur 1010 hPa, befand sich über dem Nordatlantik ein weiterer Trog, welcher zu den Bodentiefs THEO und UWE gehörte. An der Südflanke dieses Troges wurde aus südwestlicher bis westlicher Richtung maritime Luft nach Mitteleuropa in den ausgeprägten Warmluftsektor des Tiefs THEO geführt.

Als Tief UWE mit seinen Ausläufern das europäische Festland erreichte, brachte er einiges an Niederschlägen mit sich, allem voran in Irland und Westschottland, wo 12-stündig Regenmengen von 17 mm in Galway registriert wurden, in Limerick 19 mm und östlicher in Dublin nur 5 mm, bei Temperaturen zwischen 17 und 20°C, einem Bedeckungsgrad von 100 % und keinem registriertem Sonnenschein an diesem Tag in Westirland. Tief UWE schloss sich dabei auf der Bodenkarte mit dem Vorgängertief THEO sowie einem kleineren Tief über Südirland zusammen, um eine Hochdruckbrücke, ausgehend von einem namenlosen Hoch über das Hoch XANDRA mit Zentrum über Rumänien bis zum Nordmeer reichend, zu verdrängen. Dabei erhielt der Tiefdruckomplex Unterstützung aus der Höhe, denn auf der 500 hPa-Karte zeigte sich die Hochdruckbrücke nur in Form eines sehr schwachen Keils, der die Wirbel UWE und THEO vom wetterwirksameren Wirbel RICO trennte.

Am 22.07. um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, lag der Kern von Tief UWE nordwestlich von Großbritannien mit einem Kerndruck von ca. 1000 hPa. Schließlich hatte das Tief THEO aber an Kraft verloren, sich in zwei Kerne geteilt und war dabei leicht retrograd, also westlich, gezogen, sodass sich die Hochdruckbrücke ausdehnen konnte. Außerdem hatte sich durch Absinken hinter der Kaltfront von Tief THEO ein neues Hoch namens YVONNE gebildet.  Das Tief UWE bescherte dem Vereinigten Königreich auch an diesem Tag Regen, der allerdings nur auf den Äußeren Hebriden nennenswerte Niederschlagsmengen von 13 bis 14 mm in 24 Stunden brachte. Ebenfalls durch Tief UWE hervorgerufen, gab es um 10 Uhr UTC in Irland verbreitet Nebelbildung sowie feuchten Dunst. Dabei gelang England nach dem Durchgang der wenig wetterwirksamen Warmfront in den Bereich des Warmsektors, sodass in London 28°C und in Liverpool und Dublin 25°C als Maximaltemperatur gemessen wurden.

Am 23.07. um 00 Uhr UTC lag das Tief UWE östlich von Island. Ausgehend vom Kern mit einem minimalen Druck von etwa 1000 hPa verlief die Warmfrontokklusion bis zum Okklusionspunkt an die norwegische Nordseeküste. Man bezeichnet eine Okklusion als eine Warmfrontokklusion, wenn die Luft vor der Warmfront kälter ist als die hinter der Kaltfront. Ausgehend von dem Okklusionspunkt verlief die Warmfront südöstlich, wo sie auf Höhe der polnisch-tschechischen Grenze in die Kaltfront von Tief THEO überging. Die Kaltfront verlief vom Okklusionspunkt nahezu zonal über die Nordsee. Durch die nördliche Verlagerung von Tief UWE steilte die Strömung in Mitteleuropa auf, d.h. sie ging von westlichen in südwestliche Richtungen über. Dies verstärkte die Zuführung warmer subtropischer Luftmassen nach Westeuropa und stütze somit das über Mitteleuropa dominierende Hoch YVONNE. Auch als es Skandinavien erreichte, brachte Tief UWE Niederschlag mit sich. An der Okklusionsfront über Südwestnorwegen wurde schwacher bis mäßiger Regen gemeldet, der innerhalb eines Tages Kristiansund 19 mm und Bergen 11 mm brachte. Die südschwedischen Städte Göteborg und Karlsbad meldeten dagegen Schauer bei ähnlichen Niederschlagssumme von 11 bis 21 mm innerhalb von 24 Stunden.

Zum 24.07. setzte Tief UWE seine Nordpolarmeer-Expedition fort und wurde um 00 Uhr UTC östlich der Insel Jan Mayen verortet. Auf der 500 hPa-Karte zeigte sich ein Keil, also einen Hoch in der Höhe, welcher bis nach Dänemark reichte und sich von Frankreich bis nach Polen erstreckte. Westlich von dem Keil befand sich ein Trog, an dessen Vorderseite mit nun nahezu südlicher Strömung sehr warme Luftmassen nach Mitteleuropa geführt wurden. So wurden in Geilenkirchen bei Aachen 40,5°C und in Kitzingen in Bayern 40,3°C gemessen, gleichbedeutend mit einem neuen Hitzerekord in Deutschland. Dies waren die bisher höchsten gemessenen Maximaltemperaturen in Deutschland. Der Rekord hielt allerdings nicht lange. Zum 25.07. verstärkte und verbreiterte sich das Hoch YVONNE, sodass in Westdeutschland verbreitet Höchstwerte von über 40°C gemessen wurden. Lingen im Emsland meldete mit 42,6°C ein neues Allzeittemperaturmaximum in Deutschland.

Der Trog, dessen vorderseitige Strömung diese heißen Luftmassen mit sich brachte, war ein durchaus komplexes Gebilde, welches drei separate Tiefs auf der Bodenwetterkarte stützte. Das nördlichste war Tief UWE, das mittlere unbenannt und auch das südlichste und opulenteste Tief mit einem Kerndruck von 990 hPa am 25.07. um 00 Uhr UTC war unbenannt, bereitete jedoch dem zukünftigen Gewittertief VINCENT eine Entwicklungsmöglichkeit. Das Tief UWE wurde nördlich des Keils vorbeigesteuert und lag ebenfalls am 25.07. um 00 Uhr UTC weit nördlich des Nordkaps. Die Warmfront verlief dabei über des Weiße Meer bis nach Perm. Der Warmsektor war geprägt von warmen instabilen Luftmassen, die aufgrund eines schwachen Kaltlufttropfens in der Höhe zum Aufsteigen bewegt wurden. An einer Konvergenzlinie, also einem Bereich, wo Luftmassen bodennah zusammenströmen und aufgrund der Massenerhaltung aufsteigen, von Tscherepowez über Moskau und Woronesch bis nach Rostow am Don verlaufend, wurden Schauer und Gewitter gemeldet, die innerhalb von 12 Stunden allerdings nur maximal 12 mm bei Tulu brachten. Auch im Osten Weißrusslands bewirkte Aufsteigen Schauerbildung mit 13 mm innerhalb von 12 Stunden in Minsk; etwas nördlich der weißrussischen Hauptstadt wurden 28 mm gemessen. Die Kaltfront von Tief UWE verlief weiterhin über Nordnorwegen und führte nur an der nördlichen Küste zu leichtem Regen bei maximal 15°C in Tromsø, während in Trondheim vor der Kaltfront 34°C gemessen wurden.

Die Zyklone UWE verlagerte sich zum 26.07. weiter ostwärts, um nun Nordrussland zu erkunden. Das Zentrum lag um 00 Uhr UTC südlich der Insel Nowaja Semlja, wobei der Kerndruck etwa 1010 hPa betrug. Die Kaltfront verlief ausgehend von Workuta nach Westen, wo sie nördlich von Archangelsk in die entlang der skandinavischen Nordmeerküste verlaufende Warmfront des nachfolgenden unbenannten Tiefs überging. Die Warmfront verlief südlich bis weit übers russische Festland.

In den folgenden zwei Tagen verlagerte sich der Wirbel UWE weiter südostwärts. In 5,5 km Höhe zeigte sich weiterhin ein zugehöriges Höhentief, welches vom Baltikum bis zur Barentssee reichte. Zusammen mit einen neuen positiv geneigten, d.h. in Zugrichtung geneigten, Trog wurde das Hoch YVONNE nach Norden gedrängt, sodass sich am 26.07. um 12 Uhr UTC ein abgeschlossenen Höhenhoch über Skandinavien zeigte, während Westeuropa in den Einflussbereich des oben erwähnten Bodentiefs VINCENT gelangt waren.

Das Tief UWE wanderte zum 28.07. noch weiter ostwärts und verließ damit den Analysebereich der Berliner Wetterkarte, sodass seine Geschichte, geprägt von Regen an der Warmfront und der Unterstützung der stabilen Wetterlage, die uns die bisher heißesten Temperaturen bescherte, endete.