Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet VADJMA
(getauft am 12.05.2018)
Mitte Mai hatte
sich an der allgemeinen Lage im 500 hPa-Niveau, also in ca. 5,5 km Höhe, in den
vorangegangenen Tagen kaum was verändert. Über Nordeuropa befand sich nach wie
vor ein blockierendes Hoch, das von einem Höhentief über der Ukraine sowie
einem langgestreckten Trog über dem Ostatlantik, dessen Achse von Island über
die Biskaya bis nach Nordafrika reichte, flankiert wurde. Ein Trog ist dabei
die Bezeichnung für einen Vorstoß kalter Luft nach Süden. Im Bodenniveau wurden
am 12. Mai durch die Kaltfront eines unbenannten Tiefdruckwirbels mit Kern über
dem Nordatlantik zwischen Island und Irland kühle, maritime Subpolarluftmassen,
angereichert mit viel Feuchtigkeit vom Nordatlantischen Ozean, in Richtung des spanischen
und französischen Festlands gelenkt. Dort trafen sie auf warme Festlandsluft,
wodurch sich über dem Osten Frankreichs eine Luftmassengrenze ausbildete. In
der östlich gelegenen Gemeinde Roville konnten um 17 Uhr UTC, also 18 Uhr MEZ
oder 19 Uhr MESZ, noch 23°C gemessen werden, während im 300 km westlich
gelegenen Orléans um die gleiche Uhrzeit nur noch 9°C erreicht wurden. Entlang
dieser Luftmassengrenze bildete sich am Abend des 12. Mai über Ostfrankreich
ein Tiefdruckgebiet aus, welches in der Prognose von der Berliner Wetterkarte
auf den Namen VADJMA getauft wurde. Tief VADJMA brachte bereits in der Nacht
zum 13. Mai in einigen Gebieten Ostfrankreichs sowie dem Südwesten Deutschlands
teils kräftige Schauer und Gewitter. So kamen innerhalb einer Stunde an
Metz-Nancy-Lothringen, dem größten Flughafen Lothringens, bis 23 Uhr UTC 11 mm
und in Gonnesweiler, ein Ortsteil der Gemeinde Nohfelden im Saarland, sogar 19
mm zusammen. Vor allen Dingen im westlichen Baden-Württemberg fielen bis zum
Morgen vielerorts über 15 mm. Auch der niederschlagreichste Ort wurde dort
ermittelt. In Oberndorf am Neckar wurden durch kurzzeitige Starkregenereignisse
bereits am Abend des 12. Mai einstündig bis 19 Uhr UTC rund 27 mm vermeldet.
Am Tag nach der
Taufe, den 13. Mai, erschien Tief VADJMA erstmalig im Analysebereich der
Berliner Wetterkarte. Der Kern befand sich um 00 Uhr UTC auf der
Bodenwetterkarte mit einem Luftdruck von etwas unter 1010 hPa nördlich der
französischen Alpen. In der Meteorologie wird Tief VADJMA zu diesem Zeitpunkt
auch als Wellentief bezeichnet. Ein Wellentief ist ein kleinräumiges und
relativ flaches Luftdruckminimum an einer wellenförmig deformierten Bodenfront
ohne eigenständige Zirkulation. In diesem Fall befand sich das zugehörige
Tiefdrucksystem der deformierten Bodenfront über Island. Vom Kern des Tiefs
VADJMA ausgehend verlief nach Norden eine Warmfront, die über Amsterdam in ein
weiteres unbenanntes Wellentief überging. Nach Süden erstreckte sich bis in den
Norden Marokkos eine Kaltfront, die über den Balearen kurzzeitig
Warmfrontcharakter annahm. Im 500 hPa-Niveau hat sich im Vergleich zum Vortag
die Lage etwas verändert: Aus dem Höhentrog über Westeuropa löste sich im
Südteil ein Höhentief ab, das sich bis zum Folgetag zum Löwengolf, einer Bucht
an der französischen Mittelmeerküste, die sich zwischen dem spanischen Kap
Creus und der französischen Stadt Toulon erstreckte, zog. Vorderseitig des
Höhentroges waren die Hebungsprozesse über Westdeutschland und Frankreich teils
kräftig ausgeprägt. Dabei kam die Luftmassengrenze, die die kühle Luft über
Frankreich von der trockenen warmen Festlandsluft im Osten Deutschlands trennte
und von der Nordsee über Nordrhein-Westfalen und Hessen bis zum Allgäu reichte,
kaum noch ostwärts voran. So reichten die Höchsttemperaturen an dem Tag von 8
bis 14°C im Osten Frankreichs bis 28°C in Berlin. An der Grenze der Luftmasse
entstanden im Tagesverlauf kräftige Schauer und Gewitter, wobei in einem
Streifen vom Emsland über Osthessen bis zum bayerischen Alpenrand die größten
Niederschlagsmengen durch unwetterartige Starkregenfälle auftraten. So
vermeldeten bis 18 Uhr UTC die Stationen 12-stündige Niederschlagswerte im
niedersächsischen Meppen von 42 mm, 58 mm im hessischen Burgenwald-Bottendorf
und 35 mm im oberbayerischen Wintersport- und Höhenluftkurort Reit im Winkl.
Von den 58 mm in Burgenwald-Bottendorf waren bereits 42 mm mit Gewitterdurchzug
inklusive Hagelschlag innerhalb einer Stunde bis 14 Uhr UTC gefallen. Dort und
im Umkreis gab es teilweise Hagelkörner von bis zu 4 cm Größe. Die 12-stündigen
Regenmengen lagen teilweise in der Größenordnung des normalen Monatssolls für
den Mai. 24-stündig wurden bis 06 Uhr UTC des 14. Mai sogar knapp 78 mm im
hessischen Grebenhain und fast 80 mm im schwäbischen Rain am Lech registriert.
Dabei war es nur wenig weiter östlich, wie in Ostthüringen und in Ostniedersachsen,
trocken und im Nordosten auch oftmals durchweg sonnig mit 15 Sonnenstunden in Berlin-Dahlem
und in Neustrelitz. Daher gab es auch von Niedersachsen bis Bayern und weiter
östlich entsprechend hohe Temperaturmaxima von meist über 25°C. Die wärmsten
Orte lagen in Sachsen-Anhalt, wo beispielsweise in Barleben über 29°C gemessen
wurden. Im Gegensatz dazu herrschte im äußersten Südwesten dichte Bewölkung,
nahezu kein Sonnenschein und dementsprechend kühle Temperaturen wie z.B. im
Müllheim am Rhein, das einen Temperaturanstieg auf nur knapp 11°C vorweisen
konnte. Auch am Nürburgring und in Aachen-Orsbach blieb es mit nur 12 bis 13°C
kühl für diese Jahreszeit. In Berlin-Dahlem wurde mit 26,5°C bereits der dritte
Sommertag im Monat Mai verzeichnet. Damit war bereits vor Monatsmitte der
vieljährige Mittelwert in der Anzahl an Sommertagen im Mai erreicht.
Am 14. Mai
befand sich der Tiefdruckkern der Zyklone VADJMA direkt über dem Alpenvorland.
Der Kern rotierte zu diesem Zeitpunkt eigenständig und somit wurde Tief VADJMA
nicht mehr zu den Wellentiefs gezählt. Vom Kern abgehend verlief eine
okkludierte Front bis an die Schwarzmeerküste Moldawiens. Okkludiert bedeutet,
dass die schneller ziehende Kaltfront die Warmfront bereits eingeholt hat und
sie zu einer Front, auch als Okklusion- oder Mischfront bekannt, vereint sind.
Dabei verstärkte sich der Kerndruck auf ca. 1005 hPa. Im Tagesverlauf verband
sich das Tief VADJMA jedoch erneut mit dem langgestreckten von Nord- über
Mittel- nach Südeuropa verlaufenden Frontensystem der Zyklone bei Island. Zuvor
bildete sich nordöstlich der bereits erwähnten Luftmassengrenze eine
Konvergenzlinie aus. Konvergenzlinien kennzeichnen in der Meteorologie Zonen
zusammenfließender, also konvergenter Luftmassen. Sie sind nicht zu verwechseln
mit Fronten, da es sich nicht um Luftmassengrenzen, sondern nur um Vorgänge
innerhalb einer Luftmasse ohne besondere Temperaturgegensätze, handelt. Treffen
in Bodennähe Winde aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander, wird dort die
Luft zum Aufsteigen gezwungen. Daher können z.B. bei einem Hitzetief im Sommer
entlang der Konvergenzlinie Aufwinde mit einer Reihe von Gewittern und kräftigen
Niederschlägen auftreten. So auch zwischen dem Bodensee und dem Berchtesgadener
Land, wo nach heftigen Gewittern mit Hagel binnen 24 Stunden bis zum 06 Uhr UTC
Termin des kommenden Tages vereinzelt über 60 mm fielen, im oberbayerischen
Krün sogar 73 mm. Entsprechend der heftigen Hebungsvorgänge, welche
hochreichende Wolkenformationen hervorriefen, gab es im Süden Deutschlands,
insbesondere in Baden-Württemberg, keine bis sehr wenige Sonnenstunden. Dies
hatte sich auch in den Maximalwerten der Temperatur niedergeschlagen. So
konnten in Konstanz am Bodensee nur 13°C als Tageshöchstwert vermerkt werden. Weitere
Niederschlagsschwerpunkte befanden sich in der Schweiz, in Österreich,
Slowenien sowie an der kroatischen Adriaküste, wo im gleichen Messzeitraum mehr
als 30 mm keine Seltenheit waren. Zum Teil wurden auch 50 mm überschritten, wie
z. B. auf der kroatischen Insel Lošinj, wo 57 mm Niederschlag fielen.
Bis zum 15.
Mai verlagerte sich Tief VADJMA, weiterhin eingelagert in dem langgestreckten
Frontensystem des inzwischen an der Ostküste Grönlands angelangten unbenannten
Tiefdruckwirbels, kaum. Zum Nachttermin reichte die Zone des Kerns mit einem
wieder angestiegenen Luftdruck von etwa 1010 hPa von den Alpen, dem
Einzugsgebiet der Drau folgend im Süden der Pannonischen Tiefebene bis zur
Morava, die südöstlich von Belgrad in die Donau mündet. Vom Kern abgehend
verlief eine Warmfront Richtung Nordwesten und überquerte dabei den Südwesten
Deutschlands, die Niederlande und die Nordsee, bis sie schließlich auf Höhe des
norwegischen Kristiansund in eine Kaltfront überging. Südöstlich an den
Tiefdruckkern angrenzend zog sich eine Kaltfront über die Adria und Sizilien
bis nach Tunesien. Im Bereich der Warmfront fiel von Gewittern durchsetzter
Regen. Dabei kamen in Baden-Württemberg sowie im Norden der Schweiz vereinzelt
mehr als 20 mm, teils sogar über 30 mm zusammen. Die Station Wieden in Lörrach
registrierte sogar eine 24-stündige Niederschlagssumme bis um 06 Uhr UTC des
Folgetages von 44 mm. Im unweit entfernten Freiburg am Breisgau konnten dagegen
nur knapp 13 mm vermeldet werden. Daher kamen in diesen Regionen auch nur 1 bis
2 Sonnenstunden zusammen. In manchen Gebieten der Schweiz schien die Sonne gar
nicht. Dagegen verlief der Tag von Saarbrücken bis zur Nordsee sonnenscheinreich
mit etwa 11 bis 15 Stunden Sonne. Niederschlag konnte in diesen Landesteilen
sowie in den Niederlanden nicht mehr festgestellt werden, da sich u.a. die
anfangs noch aktive Warmfront im Verlauf rasch auflöste.
Im Laufe des
Tages löste sich Tief VADJMA von dem langgestreckten Tiefdruckausläufer ab und
zog Richtung Osteuropa. Dort konnten im Bereich des Kerns und der Kaltfront die
höchsten Niederschlagsmengen in Rumänien über den Karpaten und westlich davon festgestellt
werden. Verbreitet wurden über 20 mm Regen, stellenweise sogar 40 bis 50 mm
gemessen. Die westliche Gemeinde Banloc wies mit 68 mm innerhalb 24 Stunden die
höchste Niederschlagssumme auf. Während sich östlich der Karpaten bis hin zum
Schwarzen Meer die Sonne 8 bis 12 Stunden durchsetzen konnte, gab es westlich
davon im Niederschlagsbereich nur 1 bis 5 Stunden, teils auch gar keine Sonne.
Am 16. Mai
befand sich Tief VADJMA mit Kern und in etwa gleichgebliebenen Luftdruck
südöstlich von Prag. Vom Kern abgehend verlief eine okkludierte Front
bogenförmig über Polen bis nach Rumänien, wo sie in einen weiteren
Tiefdruckkern mündete. Auch das Wettergeschehen in Deutschland wurde weiterhin
durch das Tief beeinflusst. Aufgrund der Drehung gegen den Uhrzeigersinn drang
von Nordosten her feuchtwarme Luft nach Deutschland vor, welche erneut zu
etlichen, teils kräftigen Schauern und Gewittern führte, die insbesondere in
Süddeutschland ausgeprägt waren. Daher konnten auch in Baden-Württemberg und in
Bayern die höchsten 24-stündigen Niederschlagssummen von über 20 mm, vereinzelt
auch über 30 mm gemeldet werden. Mit Ausnahme eines Dorfes in Niedersachsen
kamen bei teils 8 bis 12 Stunden Sonne im Norden Deutschlands nur wenige Niederschlagsmengen
zusammen. Die Ausnahme stellte der Landkreis Diepholz in Niedersachsen dar, wo
durch kräftige Gewitter in Kirchdorf innerhalb 6 Stunden bis 18 Uhr UTC knapp
60 mm, mit Abstand die höchste Niederschlagssumme an diesem Tag in ganz
Deutschland, zusammenkamen. Die Gewitter entwickelten sich an einer
Konvergenzlinie aus. Diese Linie zog am Nachmittag auch über NRW und brachte
dort punktuell ebenfalls kräftige Gewitter mit 6-stündigen Niederschlagssummen
von bis zu 27 mm in Warstein-Hirschberg. Zudem entstand durch starke Windscherung
in der untersten Troposphäre im Kreis Viersen zum Abend ein Tornado, der nach
den Schäden die Stufe F1 bis F2 auf der Tornado-Skala erreichte. Die
Windscherung beschreibt die Veränderung der Windrichtung und
Windgeschwindigkeit mit der Höhe.
Entgegen der
„normalen“ Verteilung war es durch den längeren Sonnenschein im Norden wärmer
als Süden: daher konnte auch in Freiburg an der Elbe nahe Cuxhaven mit 27°C
eine der höchsten Temperaturen in Deutschland vermerkt werden. Im sonst
wärmeren Freiburg im Breisgau gab es dagegen nur 16°C, in München nur 13°C und
im Kempten sogar nur 10°C.
Bis zum
Folgetag zog das Tiefdruckgebiet VADJMA über Polen und konnte sich durch eine
Wellentiefbildung regenerieren sowie etwas verstärken. Der Kern befand sich
über Warschau und wies einen Luftdruck von ca. 1006 hPa auf. Die okkludierte
Front verlief vom Kern bis nach Bayern und entgegengesetzt bogenförmig bis zur
Schwarzmeerküste Moldawiens, wo sie in die Warmfront eines Tiefs über der nördlichen
Ägäis überging. Bis 12 Uhr UTC brachte die Okklusion in Bayern nur wenige Liter
Regen. Im Verlauf zog sie sich bis nach Polen zurück und überließ einer
Kaltfront aus Nordwesten die Regie über Süddeutschland. Damit war der 17. Mai
der letzte Tag, wo Tief VADJMA vor allen Dingen auf das süddeutsche Wetter
Einfluss nahm. Im Folgenden weitete das Tief den Einflussbereich von Tschechien
über Polen bis nach Litauen aus. So gab es unter einer meist dichten
Wolkendecke im Osten Tschechiens und Polens sowie in Teilen Litauens
Niederschlagsmengen innerhalb 24 Stunden bis zum Morgen des 18. Mai zwischen 10
und 25 mm. Die höchste Regenmenge wurde in Płock, einer
der ältesten Städte Polens etwa 100 km nordwestlich von Warschau an der Weichsel,
mit rund 27 mm gemessen.
In den
kommenden Tagen verlagerte sich der mit seinem Zentrum östlich von Warschau
gelegene Höhenwirbel unter Abschwächung weiter ostwärts zur Ukraine.
Korrespondierend dazu zog das zugehörige Bodentief VADJMA bis zum 19. Mai mit
Kern und einem leicht verstärkten Kerndruck von knapp 1003 hPa in die Nähe von
Moskau und verlor damit zusehends den Einfluss auf das Wetter in Mitteleuropa.
In der Nacht vom 18. auf den 19. Mai kam es in Moskau und Umgebung zu
intensiven Schauern und teils kräftigen Gewittern. So fielen bis zum Morgen des
19. Mai in Pavlov-Posad östlich der russischen Hauptstadt 68 mm binnen 12
Stunden. Nach einem Tiefstwert von rund 14°C verharrte die Temperatur am Tage
in Moskau bei nur etwa 18°C. Gleichzeitig breitete sich eine Hochdruckzelle
namens SVEN von den Britischen Inseln kommend über Nord- und Mitteleuropa aus
und brachte meist freundliches und trockenes Wetter mit sich. Bis Pfingsten
verlagerte sich Hoch SVEN mit Schwerpunkt nach Südskandinavien und blieb von da
an wetterbestimmend für Deutschland. Tief VADJMA hingegen wurde mit der
Ausbreitung des Hochs SVEN weiter nach Russland verdrängt. Am 21. Mai konnte
das Tief mit einem Kerndruck von ca. 1005 hPa rund 300 km nördlich von Tobolsk,
einer russischen Stadt östlich des Uralgebirges, ein letztes Mal auf der
Berliner Wetterkarte ausfindig gemacht werden. Mit einem weiterhin
wetteraktiven Frontensystem beeinflusste es in der Folge den Norden und die Mitte
Russlands, bevor es im Tagesverlauf den Kartenausschnitt verließ.