Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VANESSA

(getauft am 15.07.2016)

 

Bereits am 10.07.2016 entwickelte sich tagsüber an einer Luftmassengrenze, welche Polarluftmassen von tropischen Luftmassen trennte, nahe der Ostküste der USA über dem Atlantik eine wellenförmigen Deformation. Durch weitere dynamische Prozesse in der Atmosphäre kam es bodennah zum Druckabfall. In der Bodenanalyse um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, am 11.07.2016 konnte auch ein eigenständiges Druckzentrum von unter 1005 hPa südlich der zu Kanada gehörenden Insel Nova Scotia analysiert werden. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht ersichtlich war, dass dieses Tiefdruckgebiet bis nach Europa ziehen wird, erfolgte noch keine Taufe. Das Tief hatte jedoch bereits Fronten ausgebildet. Zum einen verlief eine Warmfront nach Osten vom Tiefkern weg hinaus über den Atlantik. Eine Kaltfront erstreckte östlich im Bogen um den Tiefkern herum nach Westen in Richtung Nordamerika. Obwohl die Fronten über dem Atlantik verblieben, fielen tagsüber und bis zum nächsten Tag um 06 Uhr UTC auf den Inseln Nova Scotia, Kap-Breton und Neufundland teils ergiebige Niederschläge. In der kleinen Stadt Sydney, im Osten der Insel Kap-Breton, wurden dabei 77,7 mm innerhalb von 24 Stunden und in dem Fischerdorf Ingonish, im Nordosten der gleichen Insel, 26,2 mm gemessen. In Port Hawkesbury, ebenfalls auf Kap-Breton gelegen, konnten 31,9 mm registriert werden. Auf der Insel Neufundland fielen im gleichen Zeitraum in Saint John und Saint Pierre 43,4 mm. An der Station Cape Race, im Süden der Insel gelegen, wurden nur 11,7 mm gemessen.

Bis zum darauf folgenden Tag verlagerte sich die Zyklone mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa über die Südostküste von Neufundland. Vom Kern des Tiefdruckgebietes ging eine Okklusion aus, die dadurch entstand, dass die sich schneller fortbewegende Kaltfront die langsamere Warmfront eingeholt hatte. Am Okklusionspunkt, womit der Punkt gemeint ist, wo gerade die Kaltfront die Warmfront einholt, ca. 500 km östlich des Tiefdruckkerns über dem Atlantik endete die Okklusion. Von hier erstreckte sich eine Kaltfront in einem Bogen in Richtung der amerikanischen Ostküste. Des Weiteren verlief eine Warmfront nach Osten über den Atlantik. Im weiteren Tagesverlauf verlagerte sich das Tief nach Osten. Auf der Insel Neufundland ließen die Niederschläge langsam nach. Bis 06 Uhr UTC fielen innerhalb von 24 Stunden nur noch 11 mm im Terra Nova National Park und 3 bis 4 mm in Saint John.

In der Analyse des 13.07.2016 um 00 Uhr UTC wurde das Tief bei unveränderter Stärke östlich der Insel Neufundland analysiert. Vom Kern ging eine Okklusion aus, wobei der Okklusionsprozess im Vergleich zum Vortag nicht weiter voranschritt. Somit spaltete sich die Okklusion nur unweit vom Tiefkern zum einen in eine Kaltfront auf, die nach Südwesten verlief, und zum anderen in eine Warmfront, die sich bis über das Seegebiet östlich der Azoren erstreckte und dabei die Grenze zwischen maritimer Tropikluft auf der Südseite und maritimer Polarluft auf der Nordseite markierte. Auch bis zum darauf folgenden Tag änderten sich die Struktur des Frontensystems sowie die Lage der Zyklone kaum.

Der Wirbel verlagerte sich ohne weitere Intensivierung etwas nach Osten, wobei die Fronten in ihrer Anordnung wie am Vortag verblieben. Lediglich der Warmluftsektor, das heißt der Bereich zwischen Warmfront und Kaltfront, wo die Warmluft vorherrscht, verkleinerte sich etwas.

Am 15.07.2016 wurde dieses Tief aufgrund seines prognostizierten Einflusses auf Mitteleuropa auf den Namen VANESSA getauft. Zu diesem Zeitpunkt lag das Tief VANESSA westlich von Island mit einem Kerndruck von 995 hPa. Vom Zentrum beginnend erstreckten sich zwei Okklusionen. Die erste Okklusion verlief nördlich um den Tiefdruckkern herum, südlich an Island vorbei bis zu den Britischen Inseln, wo der Okklusionspunkt lag. Von dort führte eine Warmfront über Irland bis zur Keltischen See. Mit Durchzug der Warmfront fielen in Irland verbreitet 5 bis 7 mm Niederschlag innerhalb von 12 Stunden bis 06 Uhr UTC, in Dublin 1 mm und in Finger 7 mm. Des Weiteren ging eine verwellte Kaltfront vom Okklusionspunkt nach Südwesten aus. Die zweite Okklusion verlief parallel zur Kaltfront. Im weiteren Verlauf des Tages zogen die Fronten weiter ostwärts, wobei vor allem im Bereich des Okklusionspunktes über Schottland unterstützt durch dynamische Hebungsantriebe die höchsten Niederschlagsummen registriert wurden. Auf Tiree und in Port Ellen wurden 17 bzw. 15 mm von 06 bis 18 Uhr UTC gemessen. In Castlederg, zu Nordirland gehörend, waren es im gleichen Zeitraum 19 mm.

Auf der 00 Uhr UTC-Analyse des 16.07.2016 wurden zwei Kerne analysiert. Das Tief VANESSA I wurde südwestlich von Island mit einem Kerndruck unter 1005 hPa und das zweite Tief VANESSA II mit unter 1000 hPa westlich der Färöer Inseln analysiert. Beide Tiefs waren durch eine Okklusion miteinander verbunden. Von dem Tief VANESSA II ausgehend erstreckte sich eine weitere Okklusion bis über die nördliche Nordsee, wo diese sich am Okklusionspunkt in eine Warmfront und eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront verlief über die Nordsee bis zu den Benelux-Staaten. Die Kaltfront hingegen zweigte nach Südwesten über die Britischen Inseln ab. In der Nacht wurden die höchsten Niederschlagsummen bis 06 Uhr UTC auf den Färöer Inseln in Torshavn mit 10 mm gemessen. Des Weiteren fielen an der Westküste Norwegens und Dänemarks vor der Warmfront 3 bis 6 mm, in Thyboroen in Dänemark wurden sogar 9 mm registriert. An der Kaltfront wurden im gleichen Zeittraum in England in schauerartiger Form in Capel Curig 8 mm und in Keswick 6 mm registriert.

Bis zum Folgetag löste sich Tief VANESSA I auf. Auch die Zyklone VANESSA II schwächte sich vorübergehend auf ca. 1005 hPa ab. Das Tief VANESSA II wurde vor der Küste Norwegens mit einer Okklusion analysiert, die sich von Norwegen, Schweden über die Ostsee bis nach Bornholm erstreckte, und dort sich zum einen in eine kleine Restwarmfront und zum anderen in eine Kaltfront aufteilte. Die Kaltfront verlief von Bornholm über Norddeutschland, die Benelux-Staaten über die Nordsee bis nach Irland. Die Warmfront verlief von der Odermündung bis zum Erzgebirge. Durch die Fronten kam es in der Nacht zum 17.07.2016 zu verbreiteten Niederschlägen in Norddeutschland, dabei wurden bis 06 Uhr UTC innerhalb von 12 Stunden in Hannover 5,7 mm, in Bremen 3 mm und in Angermünde 5 mm registriert. Des Weiteren gingen an der Kaltfront in der Nacht punktuell kräftige Schauer nieder. So wurden in der britischen Stadt Trawscoed im gleichen Zeitraum 16 mm gemessen, etwas weiter südlich in Sennybridge 3 mm. Tagsüber konnten sich an der Kaltfront über Deutschland einige Schauer und Gewitter entwickeln, die vor allem in Thüringen und Sachen zweistellige Niederschlagswerte brachten. Die gemessenen Niederschlagsummen lagen innerhalb von 12 Stunden bis 18 UTC in Plauen bei 21,7 mm, in Aue bei 20,8 mm, in Olbersleben bei 18,6 mm und in Gera bei 10,4 mm.

Am 18.07.2016 lag das Tief VANESSA südlich von Spitzbergen und konnte sich noch mal beträchtlich verstärken. Der Kerndruck sank auf 995 hPa und eine lang gestreckte Okklusion reichte bis zum Uralgebirge. An den beiden Folgetagen verblieb die Zyklone VANESSA fast stationär südlich von Spitzbergen. Der Druck im Kern stieg wieder auf 1000 hPa an. Eine Mischfront, auch Okklusion genannt, führte von Tief VANESSA über Spitzbergen bis nach Nowaja Semlja und von dort zum russischen Festland. Bis zum 21.07.2016 lösten sich die Fronten von Tiefdruckgebiet VANESSA auf und der Kerndruck ging auf über 1015 hPa zurück. Bis zum darauf folgenden Tag löste sich das Tiefdruckgebiet VANESSA auf und konnte demnach nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.

 


Geschrieben am 10.09.2016 von Morten Kretschmer

Berliner Wetterkarte: 16.07.2016

Pate: Marius Salamon