Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet VANJA
(getauft am 20.11.2014)
Am 20. November 2014 wurde in der Prognose der
Berliner Wetterkarte für den Folgetag ein Tiefdruckgebiet über dem östlichen
Nordatlantik auf den Namen VANJA getauft. Am 20. November befand sich etwa 1000
Kilometer südsüdwestlich von Irland ein Tiefdruckgebiet namens USCHI, das in
seiner Entwicklung gealtert war. Anders ausgedrückt, wurde das Tiefdruckgebiet
USCHI gewissermaßen aufgefüllt, das heißt, die Luftdruckgegensätze im Vergleich
zur Umgebung nahmen ab.
Bis zum Morgen des 21. November vertiefte sich der
Luftdruck in dieser Region wieder. Diese Entwicklung ging von einem sogenannten
Langwellentrog aus, einem großräumigen Gebiet tiefen Luftdrucks in höheren
Luftschichten, das von Island bis zu den Kanarischen Inseln reichte. Das
Tiefdruckgebiet VANJA befand sich am Morgen des 21. November mit einem
Kerndruck von etwas unter 1005 hPa ungefähr 800 km westlich von Irland. Am
östlichen Ende einer etwa 200 km langen, nach Ostsüdosten reichenden Mischfront
mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, einer sogenannten Okklusionsfront, lag
der Okklusionspunkt. An diesem trafen sich eine Warmfront, die südlich der
Bretagne und über das zentrale Frankreich bis zum Golfe de Lion verlief, und
eine Kaltfront, die bis etwa 300 km vor die nordwestliche Region der Iberischen
Halbinsel reichte. Dort bestand der Anschluß zu einer Warmfront eines
unbenannten Tiefs nördlich der Inselgruppe Madeira. Knapp westlich des Kerns
des Wirbels VANJA verlief zudem eine ungefähr nach Nord-Süd ausgerichtete
Okklusionsfront, die sich von einem unbenannten Tiefdruckgebiet an der
Westküste Grönlands über die Dänemarkstraße bis ungefähr 500 km südlich des
Tiefs VANJA erstreckte. Diese deckte sich wiederum ungefähr mit der Trogachse
des angesprochenen großräumigen Höhentiefs über dem östlichen Nordatlantik.
Bis zum Morgen des Folgetages brachte das
Tiefdruckgebiet VANJA im westfranzösischen Brest eine 24-stündige
Niederschlagsmenge von 6 l/m² zusammen. Der Kern des Tiefs VANJA, in dem nun
ein Luftdruck von knapp 990 hPa gemessen wurde, hatte sich bis zum 22. November
nach Norden bis etwa 500 km südwestlich von Island verlagert. In nördlicher
Richtung verlief, westlich an Island vorbei bis zur Ostküste Grönlands, eine
Warmfront, die weiter nördlich in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs an der
Nordostküste Grönlands überging. Vom Zentrum des Tiefdruckgebietes VANJA ging
außerdem eine Kaltfront in südlicher Richtung aus. Sie streifte den Westen
Irlands und verlief weiter in südwestlicher Richtung bis östlich der
Inselgruppe der Azoren. Vom Rand des Tiefdruckzentrums des Wirbels VANJA erstreckte
sich außerdem eine Okklusionsfront bis über den Westen Schottlands. Vom
dortigen Okklusionspunkt führte zum einen eine Warmfront über den Süden Schottlands,
den Norden Englands und die westliche Nordsee sowie Belgien bis über den
Südosten Frankreichs an die Westalpen. Vom Okklusionspunkt ging zudem eine
Kaltfront aus, die der vom Kern des Tiefdruckgebietes VANJA bis zu den Azoren
verlaufenden Kaltfront wenige Hundert Kilometer östlich ungefähr parallel
folgte. Etwa 700 km westlich der portugiesischen Hauptstadt Lissabon ging die
östlichere der beiden Kaltfronten in eine Warmfront über, die bis westlich von
Madeira reichte.
Bis zum Morgen des 23. November brachten die
Fronten des Tiefdruckgebietes VANJA im nordwestspanischen La Coruna 24-stündig
29 l/m², in Brest in der Bretagne 23 l/m² und in der dänischen Hauptstadt
Kopenhagen 4 l/m². Mit 3,6 l/m² war List auf der Nordseeinsel Sylt der
niederschlagsreichste Ort in Deutschland. Die verhältnismäßig hohen
zweistelligen Werte im äußersten Westen und Südwesten Europas resultieren zum
einen daraus, dass die zugehörigen Fronten sich kaum verlagert haben und so zu recht
kräftigen und länger anhaltenden Niederschlägen führten, zum anderen sind
sowohl La Coruna als auch Brest Küstenorte, die von den anströmenden
Niederschlagsgebieten oft relativ ungestört erreicht werden können. Die
verhältnismäßig geringen Niederschlagsmengen im Norden Deutschlands und im
Süden Skandinaviens kamen durch die Warmfront zustande, die eher leichten
Landregen und Sprühregen brachte. Hinter der Warmfront folgte von Süden bis
Südwesten der sogenannte Warmluftsektor, in dessen Einflussbereich die
Temperatur tagsüber beispielsweise in der französischen Hauptstadt Paris auf
16°C stieg. Das Zentrum des Tiefdruckgebietes VANJA verlagerte sich im Verlauf
etwas nach Norden. Im Bereich des westlichen Islands und südöstlich von Island
befanden sich zwei Tiefdruckkerne mit jeweils knapp 1005 hPa. Diese beiden
Tiefdruckzentren waren durch eine Okklusionsfront miteinander verbunden, die
weiter in südöstlicher Richtung bis knapp südöstlich der zu Schottland
gehörenden Shetland-Inseln verlief, wo sich der Okklusionspunkt befand. Von
diesem Tief mit dem Namen VANJA ging einerseits eine Warmfront aus, die über
die Nordsee und Dänemark bis nach Mecklenburg-Vorpommern reichte. Andererseits
erstreckte sich, vom Okklusionspunkt in südlicher Richtung ausgehend, eine
Kaltfront über die Nordsee bis nach Südengland, wo sie in die Warmfront eines
unbenannten Tiefdrucksystems westlich der Straße von Gibraltar und östlich von
Madeira überging.
Bis zum Morgen des Folgetages war Sankt
Peter-Ording an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins mit einer 24-stündigen
Niederschlagsmenge von 8 l/m² der nasseste Ort in Deutschland. An der
norddänischen Nordseeküste wurde mit 19 l/m² im gleichen Zeitraum ein mehr als
doppelt so hoher Wert erreicht. Aus der norwegischen Hauptstadt Oslo im Süden
des Landes wurden sogar 26 l/m² gemeldet. Der Grund dafür erschließt sich aus
der Lage des Tiefdruckkerns der Zyklone VANJA und der zugehörigen Fronten. Das
Zentrum des Wirbels VANJA befand sich am 24. November mit einem Kerndruck von
etwas unter 1005 hPa westlich der mittelnorwegischen Stadt Trondheim und knapp
südlich des Polarkreises. Von dort ging eine Okklusionsfront in südlicher
Richtung bis zum Okklusionspunkt westlich von Oslo aus. Die oft am oder in der
Nähe des Okklusionspunktes besonders hohen Niederschlagsintensitäten erklären
die genannte große Menge an Regen in der norwegischen Hauptstadt. Vom
Okklusionspunkt verlief eine Warmfront in südöstlicher bis südlicher Richtung
über Südschweden und die Ostsee bis ins westliche Polen. Außerdem ging vom
Okklusionspunkt eine Kaltfront aus, die über den Skagerrak und die dänische
Halbinsel Jütland sowie den Nordwesten Deutschlands und den Osten Belgiens bis
in den Westen Frankreichs führte. Hinter der Kaltfront, also westlich davon,
stieg die Temperatur tagsüber in Paris nur noch auf 11°C. Ungefähr im Bereich
der westfranzösischen Region Poitou-Charentes ging die Kaltfront in eine
Warmfront über, die zum Tiefdruckgebiet WANJA über der Biskaya gehörte. Gegen
Mittag überquerte die Kaltfront des Tiefdruckgebietes VANJA den Berliner Raum.
Dies kann gut auf der Bodenwetterkarte von 12 Uhr UTC, also 13 Uhr MEZ,
nachvollzogen werden, ebenso anhand des laut 3-stündigen Beobachtungen aus
Berlin-Dahlem von südsüdwestlichen auf westliche Richtungen gedrehten und
aufgefrischten Windes. Auch der Blick auf das Infrarotbild MET-IR von 12 Uhr
UTC bestätigt dies, denn es zeigt hinter der Kaltfrontbewölkung größere
Auflockerungen, die den am Vormittag aufgetretenen Regenfällen von Westen
folgten.
Bis zum Morgen des 25. November lagen die Orte mit
den höchsten registrierten Niederschlagsmengen im Küstenbereich der südlichen
Ostsee. So wurde von der dänischen Insel Bornholm, zwischen Schweden und Polen
gelegen, eine 24-stündige Regensumme von 13 l/m² gemeldet. An den
Wetterstationen in Ueckermünde und am Kap Arkona in Mecklenburg-Vorpommern
fielen jeweils im gleichen Zeitraum rund 8 l/m². Die 2,8 l/m², die in
Berlin-Dahlem gemessen wurden, kamen fast vollständig in drei Stunden während
des erwähnten Kaltfrontdurchganges zusammen. In List auf Sylt wurde eine
Spitzenböe von 74,2 km/h gemessen, was dem oberen Bereich der Windstärke 8
entspricht, an der Grenze zur Sturmstärke 9, die ab 75 km/h gilt. Die Regionen
vom südlichen Skandinavien bis zum nördlichen Mitteleuropa wurden also am 24.
November und in der Nacht zum 25. November am stärksten vom Tiefdruckgebiet
VANJA beeinflusst. Mittlerweile hatte sich das Tief VANJA in zwei Wirbel
aufgeteilt. Das Teiltief VANJA I lag zwischen dem Polarkreis und der
Inselgruppe der Lofoten vor der nordnorwegischen Westküste. Von dort verlief
eine Okklusionsfront bis nach Mittelschweden zum Zentrum des Teiltiefs VANJA II
nordwestlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Von dort ging eine weitere
Okklusionsfront aus, die östlich von Stockholm vorbeiführte und über die
schwedische Ostseeinsel Gotland sowie über das östliche Polen bis in die Gegend
der österreichischen Hauptstadt Wien reichte. Dort befand sich ein
Okklusionspunkt, von dem eine Warmfront ausging, welche über den nordwestlichen
Balkan und die zentrale Adria bis vor die Küste des italienischen Apulien reichte und dort in eine Kaltfront eines unbenannten
Tiefdruckgebietes vor der griechischen Westküste überging. Weiterhin verlief,
ausgehend vom Okklusionspunkt im Raum Wien, eine Kaltfront entlang der
Nordseite der Ostalpen bis südöstlich von München, wo der Anschluß zu einer
Warmfront des mittlerweile über Nordwestspanien angelangten Tiefs WANJA
bestand.
Die bis zum Morgen des Folgetages erfassten
Niederschlagsmengen lagen meist um 1 l/m². In Haparanda in Nordschweden nahe
der Grenze zu Finnland am nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusens wurden
24-stündig 2 l/m² registriert. Am 26. November um 00 Uhr UTC lag der nun wieder
einzige Kern des Tiefdruckgebietes VANJA mit etwas unter 1000 hPa nordwestlich
der Nordspitze Norwegens und südlich der Inselgruppe Spitzbergen. Denn vom
Zentrum des Wirbels VANJA ging eine Okklusionsfront aus, die etwa im Bereich
des nördlichen Endes des Bottnischen Meerbusens zu einer Höhenkaltfront wurde,
d.h. ein Frontentyp, welcher nur in der Höhe und nicht am Boden analysiert
werden konnte. Diese ging knapp südlich von Stockholm in eine Höhenwarmfront
über, die wiederum weiter westlich zu einer bis vor die schottische Ostküste
reichenden Bodenwarmfront wurde. In den höheren Luftschichten war im Bereich
der Okklusionsfront am Boden eine Luftmassengrenze erkennbar. Die erwähnten,
zum Tiefdruckgebiet VANJA gehörenden Fronten brachten vor allem im Nordwesten Russlands
im Tagesverlauf gebietsweise Niederschläge, die oft, aber nicht überall als
Schnee fielen.
Am 27. November war das Tiefdruckgebiet VANJA zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Vom Kern des Tiefdruckgebietes VANJA, wo zwischen der Nordostküste Grönlands
und Spitzbergen ein Luftdruck von knapp 990 hPa registriert wurde, gingen
Frontensysteme aus, die vor allem im Nordwesten Russlands weitere Schneefälle
brachten, ebenso wie gebietweise in Finnland, vereinzelt im Norden
Skandinaviens und auch auf Spitzbergen, wo der Niederschlag von Regen in Schnee
überging und später abklang. Am 28. November konnte das Tief VANJA auf der
Berliner Wetterkarte namentlich nicht weiter aufgeführt werden.
Geschrieben
am 08.01.2015 von Heiko Wiese
Berliner
Wetterkarte: 24.11.2014
Pate: Anja
Kruse