Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VERA

(getauft am 18.04.2020)

 

Am 18.04. beherrschten zwei Druckgebilde das Wettergeschehen über dem Westen Europas. Im Luftdruckniveau von 500 hPa, das in etwa einer Höhe von 5,5 km entspricht, zeigten sich an diesem Tag zum einen ein starker Hochdruckkeil, der im nördlichsten Teil bis über das Norwegische Meer reichte und im Bodenniveau mit den Antizyklonen ODILO, mit Zentrum über der Nordsee und NIKOLAS, mit Zentrum über Italien, korrespondierte. Zum anderen lag über dem Atlantik vor der europäischen Westküste ein Trog, also ein Kaltluftvorstoß nach Süden, mit einem dazugehörigen, zu diesem Zeitpunkt noch unbenannten, Bodentief zwischen Irland und der Iberischen Halbinsel. Zwischen jenem Bodentief und dem Hochdruckgebiet NIKOLAS verlief eine Luftmassengrenze in deren Bereich sich im Laufe des Tages aufgrund von dynamisch-atmosphärischer Prozesse im Bodenniveau über dem westlichen Mittelmeer zwischen Spanien und Algerien ein neues Tiefdruckgebiet zu bilden begann. Auf der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den 19.04. wurde dieses Tief erfasst und auf den Namen VERA getauft.

Zum Tagesbeginn jenes 19.04. befand sich der Kern der Zyklone VERA über dem Mittelmeer unmittelbar nördlich der algerischen Hauptstadt Algiers. Der Kerndruck betrug um 01 Uhr MEZ etwas unter 1010 hPa. Bis zum Abend hatte sich der Druck des ostwärts wandernden Kerns um 19 Uhr MEZ bereits auf unter 1005 hPa vertieft. Trotz dieser Intensivierung blieb VERA zunächst unorganisiert, ein deutliches Frontengebilde ließ sich nicht ausmachen. Gleichwohl fielen im Einflussgebiet der Zyklone teils sehr starke Niederschläge. Die höchsten Mengen meldeten die Stationen in der Region Barcelona, die zum Haupttermin um 19 Uhr MEZ 12-stündig meist über 30 mm Niederschlag registrierten. Am meisten fiel in diesem Zeitraum an der Station Barcelona-el Raval mit 77 mm. Auch in der küstennahen Grenzregion zwischen Marokko und Algerien wurden ähnlich starke Niederschläge gemessen, mit einem 12-stündigen Spitzenwert von 51 mm in der marokkanischen Stadt Oujda.

In der Nacht zum 20.04. machte sich das intensivierende Tiefdruckgebiet VERA auch in höheren Atmosphärenschichten bemerkbar. Im 500-hPa-Niveau zog sich ein Trog bis über die östlichen Küstengebiete Algeriens, wo sich im Bodenniveau der Kern von Tief VERA befand. Um 01 Uhr MEZ hatte sich der Kerndruck gegenüber dem Vortrag noch einmal auf knapp 1000 hPa verstärkt. Vom Kern des nun auf Satellitenbildern deutlich erkennbaren Tiefdruckwirbels erstreckte sich ein Frontengebiet über den zentralen Mittelmeerraum, in dessen Einflussgebiet teils signifikante Niederschlagsmengen fielen. Die vorgelagerte Warmfront erstreckte sich in weitem Bogen über die Insel Korsika und das Tyrrhenische Meer bis über Zentralitalien. Im Tagesverlauf geriet auch das norditalienische Alpenvorland in den Einflussbereich der Warmfront. Bereits in den frühen Morgenstunden sorgte der Durchgang der Warmfront auf Korsika und in der Toskana innerhalb von 12 Stunden verbreitet für Niederschlagswerte über 10 mm. So wurden an Korsikas Südspitze am Kap Pertusato 21 mm gemessen, im toskanischen Miemo 23 mm. Die Spitzenwerte für Italien meldeten an diesem Tag allerdings die Stationen im Bereich des Luftmassenstaus im südlichen Alpenvorland. An den Messpunkten Talucco-Pinerolo und Varisella, östlich von Turin, wurden jeweils 12-stündig bis 19 Uhr MEZ 70 mm registriert. Hohe Regenmengen fielen auch im Bereich der hinter der Warmfront verlaufenden, sich über Tunesien erstreckenden Kaltfront, wo einzelne Gewitterzellen der Hauptstadt Tunis innerhalb 12 Stunden 33 mm Niederschlag bescherten. Weiterhin gab es im Bereich des über den Balearen liegenden Okklusionspunktes ergiebige Niederschläge. In jenem Punkt fließt die nachfolgende Kaltfront mit der vorangehenden Warmfront zusammen. Die zwischen diesem Punkt und dem Kern der Zyklone verlaufende Front wird als Okklusionsfront bezeichnet. Diese lag den gesamten 20.04. über den Balearischen Inseln und brachte dort langanhaltende Regenfälle. Besonders ergiebig fielen diese im Nordwesten von Mallorca aus, in der Inselhauptstadt Palma fielen bis 19 Uhr MEZ 24-stündig 55 mm, im bergigen Norden meldete die Station Escorca-Son Torrella im gleichen Zeitraum den Spitzenwert von 92 mm.

Auch am 21.04. wurde das Wettergeschehen über Europa von dem dipolartigen Luftdruckgebilde, aus Hochdruck über dem Norden des Subkontinents und Tiefdruck über dem Süden, bestimmt. Das den zentralen Mittelmeerraum nun völlig dominierende Bodentief VERA bewegte sich gegenüber dem Vortag in nördliche Richtung und lag um 01 Uhr MEZ mit dem Kern über Sardinien, bei einem Luftdruck von knapp unter 1000 hPa. Die Satellitenaufnahmen vom frühen Morgen offenbarten eine voll ausgeformte Zyklone, mit einem großräumigen Wolkenschirm auf der Nordseite. Dieser reichte bis über das nördliche Alpenvorland, so dass etwa in Oberstdorf im Tagesverlauf nur 17 Minuten Sonnenschein registriert wurden. Entlang der stark ausgeprägten Luftmassengrenze zwischen Tief VERA und dem nördlich gelegenen Hochdruckgebiet, die in der ersten Tageshälfte über dem Main-Donau-Gebiet lag, fiel der Wind zum Teil stürmisch aus, mit Spitzenböen der Stärke 7 bis 8. Auf der Hornisgrinde im Nordschwarzwald erreichten die Böen Stärke 10. Im Mittelmeerraum brachte VERA erneut vielerorts starke Niederschläge. Vom Kern der Zyklone wand sich eine zunehmend okkludierende Front spiralförmig über die Balearen, Katalonien und Norditalien bis über den Balkan. Besonders signifikant fielen die Regenmengen abermals auf Mallorca und im Piemont aus. In Escorca-Son Torrella kamen bis 07 Uhr MEZ 12-stündig 101 mm zusammen, im nördlichen Piemont registrierte die Station Paesana im gleichen Zeitraum 67 mm. Am Nachmittag begann aus Nordosten eindringende trockenere Kontinentalluft den Einfluss von Tief VERA zu stören und ließ die Front in sich zerfallen. In Norditalien fielen bis 19 Uhr MEZ 12-stündig meist unter 10 mm, höhere Mengen wurden nur im Piemont gemessen, wo Dronero 19 mm und Mondoví 25 mm registrierten. Ganztägig starke Niederschläge verzeichnete die Region um Barcelona, am Flughafen der Großstadt wurden bis 19 MEZ 24-stündig 91 mm gemessen. Die nordöstlich von Barcelona gelegene Station Fontmartina knackte im gleichen Zeitraum die 100 mm-Marke, mit einer Niederschlagsmenge von 103 mm.

Im Vergleich zum vorangegangenen Tag veränderte sich die großräumige Wetterkonstellation am 22. April nur wenig. Dem weiterhin stark ausgeprägten Höhenkeil über Nordeuropa, stand ein zunehmend isoliertes Höhentief, mit Zentrum über der Iberischen Halbinsel gegenüber. Im Bodenniveau waren über dem westlichen Mittelmeerraum zwei Tiefdruckkerne auszumachen. Der Kern von Tief VERA I lag um 01 Uhr MEZ weiterhin über Sardinien, mit einem Luftdruck von etwa 1005 hPa. Von diesem Kern aus erstreckte sich eine bereits stark okkludierte Front über das Tyrrhenische Meer bis über die Südspitze Italiens. Im Bereich dieser Front fielen in den frühen Morgenstunden vor allem über dem Nordosten Sardiniens hohe Regenmengen. In Olbia wurden bis 07 Uhr MEZ 56 mm Niederschlag gemessen. Im weiteren Tagesverlauf gerieten auch Korsika und die westlichen Küstengebiete Italiens in den Einfluss der Okklusionsfront. Im Osten Korsikas brachte der Frontdurchgang mehr als 30 mm 12-stündigen Niederschlag, in Bastia wurden 32 mm und in Solenzara 36 mm gemessen. Der Schwerpunkt der Regenfälle war aber einmal mehr Katalonien an der Westflanke des Tiefs VERA I. Im Nordosten der Region fielen in den 12 Stunden vor dem Haupttermin um 07 Uhr MEZ weit verbreitet mehr als 60 mm, in Porqueres bei Girona waren es 63 mm, im höher gelegenen Fontmartina 81 mm. Mit einer 12-Stunden-Summe von 16 mm fielen die Niederschläge an der Messstation des Flughafens von Barcelona in diesem Zeitraum zwar moderater aus, zwischen dem 18.04. und dem 22.04. wurden insgesamt aber 211 mm gemessen, deutlich über dem Monatsdurchschnitt für April, der bei 30 mm liegt. Über dem Süden Frankreichs hatte sich der Wirbel VERA II ausgebildet, bei einem Kerndruck von knapp über 1010 hPa. Dessen schwaches, okkludiertes Frontgebilde sorgte für keine messbaren Niederschläge.

Unter dem fortwährenden Einfluss von Nordosten aus in den Mittelmeerraum einströmender Kontinentalluft, setzte sich der Abschwächungsprozess der Zyklone VERA am 23.04. fort. Um 01 Uhr MEZ befand sich das Zentrum des Tiefs über dem Westen Frankreichs. Der Kerndruck betrug etwa 1015 hPa. Es konnten im Einflussbereich der Zyklone keine messbaren Niederschläge registriert werden. Im Laufe des Tages löste sich das Tief VERA über Frankreich auf und war in der Bodenkarte der Berliner Wetterkarte vom 24.04. nicht mehr verzeichnet.