Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VERENA

(getauft am 04.03.2018)

 

Anfang März 2018 bildete sich im Süden des Tiefdruckkomplexes ULRIKE, welcher sich vom Nordatlantik bis hin zur Bretagne erstreckte, eine Wellenstörung in Form einer Ausbeulung der Isobaren – Linien gleichen Luftdruckes – nach Süden aus. Eine Wellenstörung ist also eine kleine Störung im Isolinienfeld des Geopotentials auf Wetterkarten. Sie stellen, insofern sie dynamisch instabil sind, die Geburtsstätte von Tiefdruckwirbeln dar. So auch in diesem Fall: maritim erwärmte Subpolarluft aus dem Nordwesten stieß auf maritime Subtropikluft aus dem Südosten. In der Folge konnte sich ein Tiefdruckgebiet entwickeln, welches in der Analyse durch die Berliner Wetterkarte am 4. März auf den Namen VERENA getauft wurde. Die Zyklone befand sich am Tauftag um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, mit Kern nordöstlich der Azoren. Dabei besaß der Kern einen Luftdruck von etwa 992 hPa. Vom Kern ging eine kurze Okklusionsfront ab, was bedeutet, dass die Kaltfront die Warmfront bereits zu einem Teil eingeholt hatte. Die Okklusionsfront bildet daher eine Mischfront, die die Eigenschaften von Warm- und Kaltfront in sich vereint. Vom Okklusionspunkt, also dem Punkt an dem beide Fronten sich treffen, verliefen eine kurze Warmfront nach Süden und eine etwas längere Kaltfront nach Westen, wo sie sich mitten auf dem Nordatlantik mit einer Warmfront eines weiteren von Westen kommenden Tiefs verband. Gegen Abend erreichte Tief VERENA den Westen der Iberischen Halbinsel. Zum Nachttermin des 5. März positionierte sich der Kern von Tief VERENA mit einem Druck von unter 990 hPa über der Biskaya. Zusammen mit den 3 Kernen von Tief ULRIKE bildeten sie einen ausgeprägten Tiefdruckkomplex. Die fast vollständig okkludierte Front verlief mitten über das spanische Festland und endete in dem Okklusionspunkt über der Küste Marokkos, wo sie sich in eine kurze Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Kaltfront war weiterhin mit der Warmfront des nachfolgenden Tiefs über dem Nordatlantik verbunden. Bis 06 Uhr UTC führte die Okklusionsfront innerhalb von 12 Stunden zu Regenmengen zwischen 2 und 10 mm. Örtlich traten auch größere Summen auf wie z.B. in der zentral gelegenen spanischen Stadt Navalmoral de la Mata, wo im selben Zeitraum 21 mm Regen gemessen wurden. Die größten Niederschlagsmengen konnten jedoch an und nahe der Straße von Gibraltar ausfindig gemacht werden. Über diese Regionen zog der Okklusionspunkt von Tief VERENA hinweg. Bekanntlich treten rund um den Okklusionspunkt die höchsten Regenmengen auf. So wurden in der andalusischen Stadt Vejer de la Frontere 33 mm gemessen. Nur eine weitere Stadt im Nordosten der Provinz Cádiz namens Grazalema – eines der „weißen Dörfer“ Andalusiens – konnte diesen Wert toppen. Mit einer Regensumme von 50 mm kam dort mit Abstand die höchste Menge Spaniens in diesem Zeitraum zustande. Dieser Ort ist für sein bemerkenswertes Klima bekannt. Mit 2132 mm weist Grazalema die höchste jährliche Niederschlagsmenge Spaniens auf. Selbst wenige Kilometer entfernte Nachbarorte erreichen nur knapp ein Viertel dieser Menge.

Zudem führte Tief VERENA Luftmassen der mittleren Breiten mit sich. Diese ersetzten die dort bisher vorherrschende maritime Subtropikluft. Stellenweise lagen die Höchstwerte knapp 5 Grad unter denen am Vortag. So stiegen die Temperaturen in Ciudad Real – zu Deutsch die königliche Stadt – eine in der zentralen Hochebene Spaniens liegende Stadt, am 5. März auf nur noch rund 10°C.

Bis zum 6. März verlagerte sich Tief VERENA nordostwärts über Frankreich hinweg bis nach Südengland, wo um 00 Uhr UTC der Kern mit einem vertieften Luftdruck von rund 985 hPa lokalisiert wurde. Die dazugehörige Front war nun vollständig okkludiert und verband sich mit der von Tief ULRIKE II nördlich des Kerns gelegenen Okklusion. Nach Süden hin verlief sie über Ostfrankreich bis zur Mittelmeerküste, wo sich ein weiterer Tiefdruckkern dieser annahm. Die Okklusionsfront brachte jedoch in Frankreich bis zum Morgen nur noch geringe 24-stündige Niederschlagsmengen zwischen 1 und 6 mm zustande, was dafürspricht, dass die Wetterwirksamkeit unter allmählicher Abschwächung nachlässt. Nur im südlichen Frankreich sowie entlang der Mittelmeerküste nahe des unbenannten Tiefdruckkerns kamen örtlich über 10 mm im gleichen Zeitraum zustande. So fielen in Montélimar, einer französischen Gemeinde im Tal der Rhone, 16 mm und in Millau 18 mm. An dem an der Côte d'Azur gelegenen Kap Cépet konnte die höchste Niederschlagssumme von ganz Frankreich in diesem Zeitraum mit 23 mm analysiert werden. Ab etwa 12 Uhr mittags des 5. März kam der Süden und Westen Englands sowie Wales in den Einflussbereich des Tiefs VERENA.  In diesen Gebieten fielen bis zum Nachttermin des 6. März 12-stündige Niederschlagssummen zwischen 2 und 10 mm, örtlich auch darüber. Die niederschlagsreichsten Gebiete für diese 12 Stunden stellten die Orte Aberporth – ein beliebter Strand- und Badeort an der walisischen Küste – mit 17 mm Regen und Capel Curig – ein Dorf in Wales am Fluss Llugwy – mit 20 mm dar. Capel Curig wird als nassester Ort der Britischen Inseln angesehen, auch wenn die Wetterstation einige Meilen entfernt liegt. Bei Tiefstwerten zwischen 6 und 1°C kam der Großteil des Niederschlags in flüssiger Form am Boden an.

Zudem löste der Tiefdruckkomplex ULRIKE – VERENA die noch Anfang März dort vorliegenden durch Hoch HARTMUT herangeführten arktischen Luftmassen durch maritim erwärmte Subpolarluft ab. Aufgrund dessen, dass die Arktikluft direkt über die Nordsee Richtung Großbritannien strömte, konnte sie über dem Meer genügend Feuchtigkeit aufnehmen, um auf den Britischen Inseln historische Schneemengen mit teilweise über einen Meter Schnee zu bringen. Die Briten nannten die Wetterlage daher auch „The Beast from the East“. Durch die mitgeführten milderen Luftmassen von Tief ULRIKE und Tief VERENA setzte zunehmend Tauwetter ein. Bis zum Nachttermin des 6. März taute beispielsweise in Little Rissington, einem Dorf in Südengland, die Schneedecke von 36 auf 25 cm ab.

Im weiteren Verlauf zogen die Fronten des Tiefs VERENA unter Abschwächung weiter nordostwärts hinweg über die Beneluxländer bis Westdeutschland. Der Kern befand sich indes am 7. März um 00 Uhr UTC mit einem Luftdruck von knapp unter 990 hPa über Edinburgh. Die Okklusionsfront ging einerseits nach Westen vom Kern ab und war weiterhin mit dem Kern von Tief ULRIKE II, welches mittlerweile über Nordirland lag, verbunden. Andererseits erstreckte sie sich vom Kern Richtung Südosten über die Nordsee, das Ruhrgebiet, den Schwarzwald bis hin zu den nördlichen Schweizer Alpen.

Im Bereich des Kerns von Tief VERENA gab es im Laufe des Tages über Schottland gebietsweise Schauer, so dass es lokal sehr unterschiedliche Regenmengen gab. So kamen innerhalb von 6 Stunden bis zum Abend im 125 km nördlich von Edinburgh gelegenen Aboyne 12 mm Niederschlag zusammen, während es im gleichen Zeitraum in Edinburgh nur 0,1 mm Regen gab. Entlang der bereits schon abgeschwächten Okklusionsfront wurden in Deutschland vom Emsland über das Ruhrgebiet, das Saarland bis hin zum Bodensee innerhalb von 24 Stunden bis zur Nacht des Folgetages Regenmengen zwischen 1 mm in Saarbrücken und 7 mm im hessischen Neu-Ulrichstein verzeichnet. Bei Höchsttemperaturen zwischen 5 und 1°C, örtlich auch darüber wie z.B. in Münster bei 12°C, kam der Niederschlag als Regen am Boden an. Im Gegensatz dazu stand der Nordosten Deutschlands, wo an dem Tag die Maximaltemperaturen bei 1 bis 4°C lagen und das dort liegende Tief WIEBKE besonders in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein für einige Zentimeter Neuschnee sorgte. Am Abend erreichte die Okklusion der Zyklone VERENA dann die Südspitze Norwegens, brachte dort aber nur geringe 12-stündige Niederschlagsmengen bis zum Morgen des 8. März. So meldete Nedre Vats eine Summe um 2 mm. Alle anderen umliegenden Städte und Dörfer hatten noch geringere Niederschlagssummen. Bei Tiefstwerten zwischen 3 und 0°C gab es Niederschlag meist als Schneeregen.

Am 8. März positionierte sich Tief VERENA mit einem wieder leicht verstärkten Kerndruck von etwa 985 hPa über dem Norden Irlands. Die Okklusionsfront ging vom Kern nach Osten und Westen ab. Nach Osten verlief sie über Schottland und die Nordsee bis nach Trondheim. Und nach Westen zog sie sich bogenförmig über den Nordatlantik bis sie von einem anderen Tief aufgenommen wurde. Der Kern war mitsamt der Okklusionsfront nur noch wenig wetterwirksam und brachte ganztägig in Schottland, Nordirland sowie im Küstenbereich Westnorwegens nur noch sehr geringe Niederschlagssummen unter 1 mm.

Bis zum 9. März blieb der Kern der Zyklone VERENA nahezu an Ort und Stelle. Die dazugehörige Okklusionsfront verlief nordostwärts über die Färöer-Inseln bis an die norwegische Westküste. Die Nähe zum Tiefdruckkern löste noch einmal geringe Niederschlagsmengen über Schottland bis in die frühen Abendstunden aus. In dem Zeitraum zwischen 00 und 06 Uhr UTC fielen von Nord nach Süd zwischen 0,1 und 1 mm Regen. Die westlich von Isle of Mull gelegene Insel Tiree konnte mit 2 mm noch den höchsten Niederschlagswert für diesen Zeitraum vorweisen. Tiree gehört zu den Orten mit den meisten Sonnenstunden im Vereinigten Königreich. So auch an diesem Tag: Nach dem Regen konnte sich die Sonne noch 9 Stunden durchsetzen. Im weiteren Verlauf zeichnete ein Ort namens Tulloch Bridge in den Highlands von 06 bis 18 Uhr UTC die höchste Regensumme von 3 mm auf. An der Westküste Norwegens kamen im gleichen Zeitraum keine nennenswerten Niederschläge mehr zusammen.

Im Laufe der Abendstunden lösten sich sowohl die übrig gebliebene Okklusionsfront als auch der Tiefdruckkern vollständig auf. Aufgrund dessen konnte Tief VERENA das letzte Mal am 9. März auf der Berliner Wetterkarte lokalisiert werden.