Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VESNA

(getauft am 28.12.2010)

 

Der Ausgleich von Temperaturunterschieden zwischen Polargebieten und tropischen Gefilden erfolgt hauptsächlich durch die Tiefdruckgebiete der Westwindzone in den mittleren Breiten. Sie bilden sich daher bevorzugt wenn kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen. Das Gebiet um Island ist dafür prädestiniert, dass kalte Luftmassen arktischen Ursprungs von Grönland, auf vom Golfstrom erwärmte Meeresluft treffen. So geschah es am 28.12.2010, dass sich östlich von Island aus der starken Höhenströmung heraus ein neues Tiefdruckgebiet gebildet hat, das auf den Namen VESNA getauft wurde und am folgenden Tag das erste Mal auf der Wetterkarte zu sehen war. Bei der Entstehung sank innerhalb von nur 24h der Kerndruck um 25 hPa auf 980 hPa ab. Damit legte VESNA einen rasanten Start hin und erfüllte die Kriterien einer rapiden Zyklogenese.

Während dieser 24h zog VESNA von der Ostküste Islands über Jan Mayen hinweg bis kurz vor Spitzbergen. Die Höhenströmung transportierte die, im Verhältnis zur arktischen Luft Grönlands warme Meeresluft nach Norden. An der Warmfront, die vom Tiefzentrum über die Barentssee bis nach Nordrussland reichte, schob sie sich über die Kaltluft des Nordmeeres. Gleichzeitig zog südlich des Tiefzentrums die, inzwischen schon vom Atlantik etwas erwärmte kältere Luftmasse rasch nach Osten und führt damit auch an der Kaltfront, vom Tiefzentrum direkt nach Süden ausgehend, zu Hebungsprozessen. So kam es an diesem 29.12.2010 auf Jan Mayen zu intensiven Schneefällen. Insgesamt wurden 10 mm Niederschlag gemessen bei einem Temperaturrückgang von 0°C auf -7°C.

Schon am 30.12.2010 befand sich VESNA nicht mehr in der westlichen Höhenströmung, sondern hatte bereits ein eigenes Höhentief gebildet. Dadurch verlagerte sich das Zentrum in den folgen Tagen kaum. So lag der Kern am 31.10.2010 um 01:00 Uhr MEZ zwischen dem Nordkap und Spitzbergen. Eine zweite Warmfront, hervorgerufen von den wärmeren Temperaturen der Luftmassen des Atlantiks, war inzwischen von der Kaltfront eingeholt worden, so dass beide Fronten vollständig okkludiert waren. Die Okklusion erstreckte sich vom Nordkap, über die Ostsee hinweg bis zur polnischen Küste. Die Warmluft wurde in diesem Bereich vollständig gehoben und kühlte sich dabei ab.

Mit dem Vordringen der Fronten von Tief VESNA nach Osten, stellte sich über Deutschland und dem Süden Skandinaviens eine nordwestliche Strömung ein. Hier war immer noch mildere Meeresluft vom Atlantik vorhanden, die nun heran strömte. In der Nacht vor Silvester wurde so die bodennahe Kaltluftschicht von der Nordseeküste her langsam ausgeräumt, so dass bis zum Morgen des 31.12. nördlich einer Linie                        Berlin – Harz – südliches Niedersachsen leichtes Tauwetter mit bis zu +2°C einsetzte, in geringen Mengen kam es dabei auch zu leichtem Glatteisregen. Die Warmfront von Tief VESNA zog schnell weiter nach Osten voran, wobei sie über Osteuropa nur für eine leichte Erwärmung bei weiterhin herrschendem Dauerfrost sorgte. So stieg z. B. in Moskau die Temperatur um von -12°C am Morgen des 31.12. auf -9°C in der Silvesternacht. Einhergehend gab es wenige Zentimeter Neuschnee.

In der nachfolgenden Zeit schwächte sich das Tiefdruckgebiet VESNA stetig ab. Der Kerndruck erhöhte sich langsam, was ein Zeichen dafür ist, dass der physikalische Antrieb nachlässt. Während zum Jahreswechsel noch 988 hPa Kerndruck am Nordkap gemessen wurde, war es einen Tag später schon knapp unter 1000 hPa. Gleichzeitig sorgten ihre Frontensysteme fast nur noch für dichtere Wolkenfelder, aber kaum noch für Niederschläge oder Temperaturumschwünge. Als VESNA am 02. Januar 2011 das letzte Mal auf der Wetterkarte zu sehen war, erstreckten sich die schwachen Fronten zwar noch von Trondheim über das Nordkap bis zum Nordmeer. Aber schon bis zum nächsten Tag lösten sich diese und das gesamte Tief VESNA auf. VESNA hatte damit ihre Arbeit im Temperatur- und Klimahaushalt der Erde geleistet, indem Sie warme und kalte Luftmassen vermischte und so zum globalen Temperaturausgleich beigetragen hat.


Geschrieben am 21.01.2011 von Thomas Schubert

Berliner Wetterkarte: 29.12.2010

Pate: Vesna Andonovic