Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VICKY

(getauft am 05.05.2014)

 

Anfang Mai 2014 verlagerte sich ein Trog, d.h. ein Vorstoß kalter Luft nach Süden in einer Höhe von ca. 5,5 km, von Nordamerika über den Nordatlantik in Richtung Europa. Zu diesem gehörte ein Höhentief, welches sich am 05.05. um 02 Uhr MESZ etwa auf dem Breitengrad von Hamburg mittig über dem Nordatlantik befand. Dieses Höhentief steuerte einen etwas weiter nordöstlich liegenden Wirbel im Bodenniveau, welcher aufgrund seines prognostizierten Einflusses für Mitteleuropa an diesem Tag auf den Namen VICKY getauft wurde.

An seinem Tauftag besaß das Tief VICKY einen Kerndruck von rund 985 hPa und ein bis nach West- sowie Nordeuropa reichendes, komplexes Frontensystem. Die Tiefausläufer überquerten in der Nacht bereits Teile Skandinaviens, Schottlands und Islands, wodurch bis 08 Uhr MESZ dieses Tages jedoch nur geringe Niederschlagsmengen von beispielsweise 1 l/m² in Stornoway, 2 l/m² in Glasgow und Thorshavn sowie 3 l/m² in Bergen zusammenkamen.

Bis zum darauffolgenden Tag zog der Wirbel VICKY, der Strömung des Höhentroges folgend, nach Osten und lag um 02 Uhr MESZ mit einem um 5 hPa gefallenen Kerndruck auf Breite von Stockholm südwestlich von Island. Vom Kern verlief eine Okklusion in einem Bogen nach Osten über den Westen Schottlands bis über den Nordwesten von Wales, wo sie sich in eine Warm- und eine Kaltfront aufspaltete. Eine Okklusion entsteht, wenn die Kaltfront die langsamere, vorlaufende Warmfront einholt und sich am sogenannten Okklusionspunkt mit ihr vereint. Somit vereint die Okklusion die Eigenschaften von Warm- und Kaltfront in sich. Vom Okklusionspunkt über der Insel Anglesey in der südlichen Irischen See erstreckte sich die Warmfront über Bournemouth, den Englischen Kanal und Frankreich bis zu den Pyrenäen und die Kaltfront über Cornwall und die westliche Biskaya bis ca. 700 km östlich der Azoren. Außerdem reichte eine weitere Warmfront vom Süden Islands bis nordwestlich von Rügen über die Ostsee. Gegen Mittag setzte im Norden und Westen Deutschlands der erste Regen ein, welcher aber überwiegend schwach ausfiel. Am Abend zogen dann teils gewittrige Schauer von Nordfrankreich und Belgien her über den Westen Deutschlands und verursachten mitunter ergiebige Niederschläge in kurzen Zeiträumen. Innerhalb einer Stunde fielen dadurch in Solingen-Hohenscheid 9,6 l/m², in Butjadingen-Inte 9,7 l/m², in Schleswig 11,3 l/m² und in Heinsberg-Schleiden in der Eifel 15,9 l/m² Niederschlag. Die höchste 24-stündige Niederschlagsmenge bis 08 Uhr MESZ am folgenden Morgen wurde in Meinerzhagen-Redlendorf im Sauerland mit 32,9 l/m² gemessen. Auch außerhalb Deutschlands wurden nennenswerte Niederschlagswerte beim Frontendurchzug registriert. Bis 08 Uhr MESZ am 06.05. fielen in Brest 7 l/m², in Plymouth 11 l/m², in Bergen 12 l/m² und in Valentia 17 l/m². Der Frontendurchgang machte sich auch anhand der Temperatur bemerkbar. Die Station im französischen Clermont-Ferrand lag beispielsweise am Vortag im sogenannten Warmsektor, also dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, in welchem warme Luft aus den Subtropen einfloss, wodurch hier eine Tageshöchsttemperatur von 26°C gemessen werden konnte. Mit dem Durchzug der nachfolgenden Kaltfront wurde kühlere Subpolarluft herangeführt, infolgedessen die Temperatur am 06.05. nur noch einen Höchstwert von 18°C erreichte.

Im weiteren Verlauf verlagerte sich die Zyklone VICKY nur leicht nach Südosten und befand sich um 02 Uhr MESZ am 07.05. mit Zentrum auf der Breite von Moskau über dem Nordostatlantik. Der Kerndruck schwächte sich weiter ab und betrug nun etwa 990 hPa. Östlich des Kerns ging eine Okklusionsfront aus, die in einem Bogen über Westschottland, Wales und die Bretagne bis über die westliche Biskaya führte, dort Kaltfrontcharakter annahm und auf Länge von Madeira in die Warmfront eines unbenannten Tiefs über dem Nordwestatlantik überging. Außerdem verlief eine weitere, nordwestlich des Kerns ausgehende Okklusion bogenförmig nach Norden über Island und von hier weiter nach Südosten bis nordöstlich der Shetlandinseln, wo sich der Okklusionspunkt befand. Die Warmfront erstreckte sich von hier aus über Südskandinavien bis nach Ostpolen und die Kaltfront über die Nordsee, die Benelux-Staaten und Zentralfrankreich bis zu den Pyrenäen. In Deutschland fielen bis 08 Uhr MESZ dieses Tages Niederschlagsmengen von 22,8 l/m² in Essen-Bredeney, 23,6 am Flughafen Düsseldorf und 26,3 l/m² am Flughafen Köln/Bonn. Weitere nennenswerte Niederschlagswerte wurden in Brüssel mit 7 l/m², in Luxemburg mit 8 l/m², in Glasgow mit 10 l/m² und in Oslo mit 20 l/m² registriert, wobei in der norwegischen Hauptstadt der Regen im Laufe des Tages in Schnee überging.

Der Wirbel VICKY zog weiter nach Osten und bildete in der Nacht zum folgenden Tag ein Tiefdrucksystem mit Kernen über der Nord- und der mittleren Ostsee, welche mit Okklusionsfronten miteinander verbunden waren. An der Südflanke dieses Systems traten vor allem in einem Streifen vom nördlichen Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein kräftige Regenschauer auf, die bis 20 Uhr MESZ 32 l/m² in Nordholz und sogar 35 l/m² in Wittenborn bei Hamburg hervorriefen. Des Weiteren fielen durch Regen und Schnee 24-stündig bis 08 Uhr MESZ 11 l/m² in Oslo, 14 l/m² in Zürich und 19 l/m² in Innsbruck.

Am darauffolgenden Tag befand sich das Tief VICKY mit einem weiter abgeschwächten Kerndruck von ca. 1005 hPa über Südschweden. Vom Kern erstreckte sich eine Okklusion nach Nordosten über Südfinnland bis zu ihrem Okklusionspunkt östlich von Sankt Petersburg. Von diesem führten einerseits eine Warmfront nach Osten bis zum Südural und andererseits eine Kaltfront nach Südwesten über Weißrussland und der westlichen Ukraine bis über den Nordosten Ungarns. Durch den Einfluss des Wirbels VICKY konnten bis 08 Uhr MESZ dieses Tages innerhalb von 24 Stunden Niederschlagsmengen von 5 l/m² in Tallinn, 6 l/m² in Uppsala und Helsinki, 7 l/m² in Wilna und 10 l/m² im polnischen Leba registriert werden. In Wilna und Bialystok stieg außerdem die Höchsttemperatur im Vergleich zum Vortag um 6 Grad auf nun 19 bzw. 20°C an. In Uppsala wurden an diesem Tag 10°C gemessen, obwohl es am Tag zuvor noch 6°C waren.

Bis zum 10.05. zog in das steuernde Höhentief weiter nach Norden bis über Zentralskandinavien. Im Bodenniveau folgte das Tief VICKY dieser Bewegung und lag um 02 Uhr MESZ über der Südwestküste Finnlands. Der Kerndruck betrug dabei rund 1003 hPa. Vom Zentrum des Tiefs wies eine Okklusion nach Osten und reichte bis nach Ostfinnland. Ausgehend vom dortigen Okklusionspunkt, verlief eine ca. 800 km lange Warmfront bis nach Nordrussland, wo sie sich mit der Kaltfront eines anderen Tiefdruckgebietes verband. Außerdem erstreckte sich ebenfalls vom Okklusionspunkt eine bogenförmige Kaltfront nach Süden, die über Litauen in die Warmfront des Wirbels WALDEGUND mit Zentrum über Südschweden überging. Des Weiteren war der Kern des Tiefs VICKY durch eine nach Westen führende Okklusion mit einer weiteren unbenannten Zyklone westlich von Norwegen verbunden. In St. Petersburg, welches sich an diesem Tag im Warmsektor des Wirbels und damit im Bereich feuchter subtropischer Luftmassen befand, stieg die Tageshöchsttemperatur von 15°C am Vortag auf nun 20°C an. Außerdem fielen hier bis 08 Uhr MESZ 7 l/m² Niederschlag innerhalb von 24 Stunden. Im selben Zeitraum wurden in Tallinn 6 l/m², in Riga 10 l/m² und in Helsinki 15 l/m² Regen gemessen.

Das zur Zyklone VICKY zugehörige Höhentief löste sich bis zur Nacht zum 11.05. auf. Am Boden verlagerte sich das Tief VICKY mit einem Kerndruck von etwa 1004 hPa weiter nach Norden und befand sich um 02 Uhr MESZ dieses Tages über dem schwedisch-finnischen Grenzgebiet. Eine Okklusion führte vom Tiefzentrum zunächst nach Nordosten bis Murmansk und dann weiter in östlicher Richtung, bevor sie sich über der Kanin-Halbinsel in eine Warm- und eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront erstreckte sich nach Südosten bis zum zentralen Uralgebirge. Die nur kurze Kaltfront verlief hingegen nach Süden und ging nordöstlich von Archangelsk in die Warmfront des Tiefs WALDEGUND über. Durch den Einfluss der Zyklone VICKY fielen dabei bis zum Morgen nochmals 24-stündige Niederschlagsmengen von 3 l/m² in Murmansk und 6 l/m² im nordfinnischen Rovaniemi.

Dies war gleichzeitig der letzte Tag, an dem das Tief VICKY auf der Berliner Wetterkarte erschien. Im weiteren Verlauf wurde es in die Zirkulation des Wirbels WALDEGUND aufgenommen und konnte daher am darauffolgenden Tag nicht weiter als eigenständiges Druckgebilde analysiert werden.                 

 


Geschrieben von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 07.05.2014

Pate: Vicky Dietrich