Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VICTOR

(getauft am 03.05.2017)

 

Am 3. Mai verlagerte sich ein ausgeprägter Höhentrog, also ein Kaltluftvorstoß nach Süden, mit eingelagerten Höhentiefs im 500-hPa-Niveau von Westeuropa langsam in Richtung Mitteleuropa. Das zugehörige Bodentief UTZ, das über dem Westen Deutschlands lag, löste sich an diesem Tag, nachdem es teilweise noch einmal über 10 mm Niederschlag brachte, vollständig auf. Nachfolgend bildete sich im Tagesverlauf auf der Vorderseite des Höhentroges über den Alpen ein neues Tief, welches folgend den Wettercharakter insbesondere in Deutschland und Südosteuropa beeinflussen sollte. Aus diesem Grund wurde das Tief am 3. Mai von der Berliner Wetterkarte in der Prognose für den Folgetag auf den Namen VICTOR getauft.

Im Einflussbereich des Tiefs VICTOR traten erneut, wie schon von dem dort zuvor existierenden Tiefdruckgebiet UTZ, in einem Streifen von Köln bis Würzburg ergiebige Regenmengen auf. So meldete das in Rheinland-Pfalz gelegene Bad Marienberg bis 00 Uhr UTC, d.h. 01 Uhr MEZ, des 4. Mai 24-stündige Niederschlagsmengen von fast 18 mm und keinen Sonnenschein bei einer Höchsttemperatur von für diese Jahreszeit kühlen 10,5°C. Die höchste an diesem Tag in dieser Region gemessene Niederschlagsmenge verzeichnete die kleine Gemeinde Weilmünster. Dort kamen bei Tageshöchstwerten um 12°C knapp über 30 mm zusammen. Den Norden Deutschlands erreichte das Niederschlagsgebiet von Tief VICTOR erst am Abend des Tauftages, so dass es sich dort noch auf maximal 18°C wie beispielsweise in Potsdam erwärmen konnte. Bis zum Morgen wurden in Brandenburg 6-stündig bis zu 5 mm in Baruth und 2 mm in Berlin-Tegel gemessen. Da das Frontensystem von Tief VICTOR bis nach Osteuropa reichte, sorgten dort teils stark gewittrige Niederschläge für verbreitet mehr als 15 mm Regen in 24 Stunden, lokal auch deutlich mehr. So fielen bis 06 Uhr UTC am 4. Mai im gleichen Zeitraum in der slowakischen Stadt Poprad, am Fuße der Hohen Tatra gelegen, 35 mm. Auf dem höchsten Berg Ungarns, dem Kékes, wurden sogar knapp 41 mm gemeldet, wohingegen in Jósvafő, einer ungarischen Gemeinde etwa 200 km nordöstlich von Budapest, die höchste Niederschlagssumme von 67 mm registriert werden konnte.

Im Laufe des 4. Mai etablierte sich das Tief VICTOR mit seinem Kern über den westlichen Alpen. Dabei war das Tief nur sehr schwach ausgeprägt und besaß einen Luftdruck im Zentrum von ca. 1017 hPa. Nördlich vom Tiefdruckkern abgehend verlief eine Okklusionsfront Richtung Osten bis zum Okklusionspunkt östlich von Budapest, wo sich eine nach Süden verlaufende Kaltfront und eine bis zum Schwarzen Meer reichende Warmfront abspalteten. Als Okklusionspunkt bezeichnet man in der Meteorologie den Punkt, an dem die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr ziehende Warmfront eingeholt und die warme Luft vom Boden angehoben hat. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfronten in sich vereint. Im Tagesverlauf des 4. Mai zog das Frontensystem rasch in Richtung Norden und war somit nicht mehr dem Tief VICTOR, welches demzufolge ab diesem Zeitpunkt nur noch aus dem Tiefdruckkern über dem südlichen Deutschland bestand, zugehörig. Dort befand sich im zentralen Bereich des Höhenwirbels eine hochreichend labil geschichtete Luftmasse, die etliche Schauer und Gewitter mit Starkregen über Süddeutschland auslöste. Dadurch, dass sich die Zellen nur sehr langsam verlagerten, kamen enorme Niederschlagsmengen zustande. Ein Schwerpunkt der Schauertätigkeit lag dabei im Gebiet zwischen Würzburg und Frankfurt am Main. Bis 18 Uhr UTC wurden an der Station Altertheim bei Würzburg innerhalb von 6 Stunden knapp 45 mm gemessen. Die Folge waren Überflutungen und Erdrutsche. Auch die DWD-Zentrale in Offenbach berichtete von Überflutungen, dort fielen im gleichen Zeitraum an der Messstation 23 mm. Während die Nordhälfte Deutschlands dichte Bewölkung und fast keine Sonne aufwies, konnte die Temperatur bei kurzen Aufheiterungen gebietsweise in Niederbayern bis nahe 20°C ansteigen. So z.B. in Straubing, wo die Sonne bei einer Höchsttemperatur von 19°C 5 Stunden lang schien. In der Nacht zum 5. Mai ließen die meisten Schauer langsam nach, brachten aber dennoch nahe Salzburg noch einmal bis zu 17 mm Regen. Unter dichten Wolken blieb es bei 7 bis 9°C relativ mild.

Um 00 Uhr UTC des 5. Mai wurde der Tiefdruckkern von Tief VICTOR weiterhin frontenlos über Zentralösterreich mit einem leicht gesunkenen Luftdruck von ca. 1014 hPa lokalisiert. Durch die Zugrichtung des Kerns in Richtung Südosteuropa wurde in diesen Regionen auch die Hauptschauer- und Gewitteraktivität festgestellt. In Graz wurden noch bis zum Abend 12-stündige Werte von 15 mm gemeldet, die höchsten Niederschlagssummen wurden jedoch in Ungarn gemessen, wo im südlich an der Donau gelegenen Ort Baja im gleichen Zeitraum bei einer Höchsttemperatur von 17°C 34 mm Regen fielen. Bis zum nächsten Tag zerfiel das Höhentief in mehrere kleine Tiefkerne, wobei das Hauptzentrum nach Bulgarien zog. Korrespondierend zum Höhentief verlagerte sich auch das Bodentief VICTOR in Richtung Balkan und brachte bis zum frühen Morgen um 06 Uhr UTC des 6. Mai besonders über Rumänien hohe Niederschlagssummen. So sorgten dort am Tag zuvor kräftige Schauer und Gewitter im südwestlichen Raum für zweistellige Regenmengen und wenige Sonnenstunden von etwa 1 bis 6 Stunden. In der kleinen Stadt Curtea de Argeș am Tal der Südkarpaten wurden daher 12-stündige Niederschlagswerte von 31 mm gemeldet. Davon fielen alleine in der Stunde von 02 auf 03 Uhr UTC 10 mm. Übertreffen konnte das nur noch die rumänische Stadt Giurgiu an der Grenze zu Bulgarien mit 12-stündigen Mengen von 45 mm und 1-stündig 16 mm.

Am Morgen des 6. Mai erreichte der Kern von Tief VICTOR mit unverändertem Luftdruck die rumänischen Karpaten und verband sich mit der dort befindlichen Okklusionsfront. Im rumänisch-bulgarisch-serbischen Gebiet brachte das bereits abgeschwächte Tief 6-stündige Höchstniederschlagswerte von 2 bis 4 mm bis zum Mittag. Danach schwächte es sich weiter ab und löste sich schließlich über Rumänien auf. Somit konnte das Tief VICTOR das letzte Mal am 6. Mai in dem Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte abgebildet werden.

 


Geschrieben am 06.08.2017 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 04.05.2017

Pate: Victor Bandi