Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
VINCENT
(getauft
am 06.04.2021)
Aus der Prognose der Berliner
Wetterkarte vom 06.04.2021 für den 07.04.2021 ging hervor, dass ein über
Grönland liegendes Tiefdruckgebiet, welches in den Tagen zuvor über Nordamerika
entstand, das Wettergeschehen Europas in den kommenden Tagen beeinflussen
würde. Demnach entschieden sich die Meteorologen der Berliner Wetterkarte
dieses Tief auf den Namen VINCENT zu taufen.
Bis zum 07.04.2021 um 01 Uhr MEZ
verlagerte sich das Tiefdruckgebiet ostwärts und befand sich mit einem
Kerndruck von knapp 1020 hPa zwischen Grönland und Island. Eine
Okklusionsfront, also eine Mischfront, die durch das Einholen der Warmfront
durch die Kaltfront entsteht, und oft zur Entstehung von Regengebieten und
Gewittern beiträgt, zog sich vom Osten Grönlands südlich bis zum Kern des
Tiefs. Von dort aus verlief die Kaltfront südwestlich an der Südspitze
Grönlands vorbei, die Warmfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt aus, also
dem Ort an dem die beiden Fronten bodennah aufeinandertreffen, südöstlich über
den Atlantik bis an die Westküste Irlands, wobei sie wellenförmige
Deformationen aufwies. Im Tagesverlauf geriet Island zunehmend in den
Einflussbereich der Zyklone, welche einen Anstieg der Windgeschwindigkeiten
verursachte. Am Abend wurden im Nordwesten der Insel Windböen der Stärke 12 auf
der Beaufort-Skala, was Orkanstärke entspricht, gemessen. Dazu gab es
gebietsweise leichten Schneefall, Maximalwerte lieferte die Messstation auf dem
Berg Seton mit 8 mm innerhalb von 6 Stunden bis 01 Uhr MEZ des Folgetages.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich
Tiefdruckgebiet VINCENT bereits südöstlich von Island und hatte einen Kerndruck
von fast 1000 hPa. Seine Okklusionsfront verlief vom Westen der Insel bis zum Okklusionspunkt
im Kern des Wirbels, von wo aus sich die Kaltfront in südwest- bis westlicher
Richtung über weite Teile des Atlantiks erstreckte und die Warmfront in südlicher
Richtung Großbritannien überquerte und dort für meist leichten, vereinzelt
mäßigen Niederschlag sorgte. Bis 19 Uhr MEZ meldete die Station beim See Loch Glascarnoch in Schottland mit einer Niederschlagshöhe von
16 mm 12-stündige Höchstwerte. Die Ausläufer von Tief VINCENT erreichten am
Nachmittag auch Norwegen, wo bis 19 Uhr MEZ ein 12-stündiger Niederschlag von
bis zu 24 mm in Kvamskogen-Jonshogdi
östlich der Stadt Bergen aufgezeichnet wurde. Der Wind erreichte vor allem in
Gebirgsregionen in Böen Stärke 12, so wurden beispielsweise auf der
schottischen Bergkette Cairngorms um 13 Uhr MEZ
Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 159 km/h gemessen. In Kråkenes,
einer Küstenregion Norwegens, wurden immerhin noch Spitzenwerte von 119 km/h
verzeichnet.
Bis zum 09.04.2021 um 01 Uhr MEZ hatte
sich Tiefdruckwirbel VINCENT mit einem Kerndruck von knapp 985 bis zur
norwegischen Atlantikküste verlagert. Eine Okklusionsfront zog sich von
Schottland nordöstlich durch den Kern des Tiefs bis nach Trondheim, und weiter
südöstlich bis zum Okklusionspunkt nordöstlich von Oslo. Von dort aus verlief
die Kaltfront in einem großen Bogen in südwestliche Richtungen über die
Nordsee, durch England und dem Süden Irlands und mündete in den Atlantik. Die
Warmfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt nach Süden, überquerte Schweden
und reichte bis zur Ostsee. In Skandinavien und Finnland kam es zu teils
langanhaltendem, aber schwachem Schneefall und Regen, die Wetterstation Lohja Porla im Süden Finnlands
meldete 12-stündige Höchstwerte von 14 mm bis 19 Uhr MEZ, in der estländischen
Stadt Turi waren es sogar 18 mm. Der Wind erreichte
entlang der schwedischen Küste teils Windstärke 11, auf der Insel Utsira Fyr wurden Spitzenwerte
von bis zu 117 km/h registriert.
Am 10.04.2021 um 01 Uhr MEZ befand
sich Tief VINCENT mit einem zum Vortag nahezu unveränderten Bodendruck von
knapp 985 hPa im nördlichen Teil des Bottnischen Meerbusens. Die
Okklusionsfront erstreckte sich vom Kern aus zunächst nach Osten über Finnland,
und anschließend weiter in südlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt westlich
von St. Petersburg. Von dort aus zog sich die Warmfront südlich bis nach
Litauen, die Kaltfront verlief südwestlich durch Estland, Polen und Deutschland
und weiter nach Westen bis über den Atlantik südlich der Britischen Inseln. Diese
machte sich auch in Deutschland anhand starker Temperaturgegensätze bemerkbar.
Im Süden Deutschlands wurden Tageshöchsttemperaturen von bis zu 20°C in Riegel
erreicht, im kalten Luftsektor hinter der Kaltfront betrugen die Höchstwerte um
die 10°C, wie beispielsweise in Berlin-Tegel. Vor allem in der Nordwesthälfte
Deutschlands führte die Kaltfront zu zweistelligen Niederschlagssummen. Die
12-stündigen Regenmaxima betrugen 13 mm in Tönisvorst bis 19 Uhr MEZ, im Norden
Frankreichs wurden im Albert-Bray-Flughafen sogar 18 mm gemessen. Ein weiteres
Niederschlagsgebiet zog sich über die Westküste Norwegens, dort wurden bis zu
19 mm in Marstein verzeichnet.
Bis zum Folgetag, dem 11.04.2021 um
01 Uhr MEZ, hatte sich die Zyklone VINCENT unter deutlicher Abschwächung bis
zur Barentssee nordöstlich von der russischen Stadt Murmansk verlagert. Das
Tief befand sich am Rande eines stark ausgebildeten Tiefdruckwirbels östlich
von Spitzbergen und war in dessen Zirkulation eingeschlossen. Sein inzwischen
vollständig okkludiertes Frontensystem verlief in süd- bis südwestlicher
Richtung über Russland, und ging bei Minsk in Weißrussland in die Warmfront des
über Westdeutschland liegenden Tiefs WILKEN über. Tiefdruckgebiet VINCENT hatte
infolgedessen keinen Einfluss mehr auf das Wettergeschehen Mitteleuropas, wurde
dennoch noch einmal am nördlichsten Rand der Berliner Wetterkarte am Tag darauf
analysiert, bevor es dann endgültig am 13.04.2021 dem Analysebereich der
Berliner Wetterkarte entschwand.