Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VINCENT

(getauft am 24.07.2019)

 

Auf der Vorderseite eines ausgedehnten Troges, einem Vorstoß kalter Luft nach Süden, der in einer Höhe von 500 hPa von Grönland in Richtung der Azoren Reichte, entwickelte sich über der Biskaya ein flaches Bodentief. Dieses wurde anhand der Prognosekarte vom 24.07. für 12 Uhr UTC des darauffolgenden Tages mit seinem Zentrum bei Le Mans in Frankreich vorhergesagt und auf den Namen VINCENT getauft.

Das Zentrum dieses sich ausprägenden Tiefs befand sich um 00 Uhr UTC des 25.07. mit einem Kerndruck von knapp 1010 hPa jedoch noch ohne eigenständiges Frontensystem zunächst unweit von Bordeaux und verlagerte sich im Tagesverlauf über Westfrankreich hinweg in Richtung Paris. Einsetzende Hebungsprozesse ließen die über Frankreich vorherrschenden tropischen bis subtropischen Luftmassen in kühlere Luftschichten aufsteigen, wodurch sich besonders in der zweiten Tageshälfte erste, mitunter kräftige Schauer und Gewitter ausbilden konnten. So fielen beispielsweise innerhalb von 12 Stunden bis 06 Uhr UTC des folgenden Tages in Nevers 8,8 mm und in Rouen 11,0 mm, die dort zudem von orkanartigen Böen bis 104,5 km/h begleitet wurden. Auch aus der Schweiz wurden intensive Niederschläge gemeldet, die sich entlang einer zum 26.07. ausprägenden Konvergenzlinie hatten bilden können. Als Konvergenzlinie wird dabei ein linienhaft angeordneter Bereich beschrieben, in dem die bodennahen, in diesem Fall feuchtwarmen Luftmassen horizontal zusammenströmen und so zum Aufsteigen in kältere Schichten gezwungen werden. Entlang dieser entwickeln sich in der Folge häufig kräftige Schauer und Gewitter. Diese führten bei Oron 10,2 mm, in Interlaken 20,9 mm und in Brienz 28,9 mm mit sich. In Frutigen waren laut Stationsmeldung 60,1 mm in nur einer Stunde gefallen. Während Süd- und Ostfrankreich hauptsächlich durch Tief VINCENT beeinflusst waren, wurden für den Nordwesten des Landes zusätzlich die rasch auf das Tief folgenden Ausläufer eines Wirbels bei Irland wetterbestimmend. Innerhalb von 12 Stunden waren durch jene beispielsweise in Cazaux bei Bordeaux 25,4 mm und am Flughafen von La Rochelle 10,3 mm gemessen worden.

Gegen 00 Uhr UTC des 26.07. befand sich das Zentrum des an Intensität gewinnenden Gewittertiefs VINCENT mit einem Druck von knapp unter 1010 hPa östlich von Paris. Östlich seines Kerns erstreckte sich eine Konvergenzlinie von Brüssel über das Zentralmassiv bis nach Toulouse. Westlich des Kerns folgte der Konvergenzlinie zusätzlich die Kaltfront eines unbenannten Tiefs mit Zentrum vor Irland, welche sich in einem Bogen von England über Zentralfrankreich und Spanien bis weit auf den Atlantik hinaus erstreckte und sich dem Tief VINCENT folgend ebenfalls langsam nach Osten verlagerte. Nach einem verbreitet freundlichen Tagesbeginn bildete sich entlang der Konvergenzlinie erneut dichte Quellbewölkung aus, die von den Beneluxstaaten über Frankreich und Südwestdeutschland bis in die Schweiz zu ergiebigen Schauern und teils kräftigen Gewitter führten. Im Zusammenspiel mit jenen Niederschlägen entlang der Ausläufer des Tiefs bei Irland waren innerhalb von 24 Stunden am Pariser Flughafen Charles De Gaulle 23,0 mm, am Flughafen Bale-Mulhouse 33,9 mm und in Vichy 43,6 mm gefallen. Auf deutscher Seite brachten die von Westen aufziehenden Niederschläge im selben Zeitraum 9,2 mm in Rheinstetten, 18,2 mm bei Stuttgart und 32,4 mm in Mühlendorf. Teils noch intensiver waren die Niederschläge entlang der Westalpen, vor allem aber in einigen Regionen der Schweiz ausgeprägt: So wurden in Sitten 37,4 mm, im Château-d'Oex 42,5 mm und an der Station auf dem Chasseral 65,6 mm gemessen. Ähnlich hohe Niederschlagsmengen waren auch im deutschen Hechingen bei Reutlingen gemessen worden. Dort waren bis zu 61,1 mm gefallen während aus dem Schweizer Kanton Graubünden gar bis zu 74,5 mm gemeldet wurden. Aufgrund der kräftigen Schauer über den Westalpen ging die 19. Etappe der diesjährigen Tour De France in die Geschichte ein. Ein heftiger Hagelschauer auf dem Col de l'Iseran, dem höchsten Gebirgspass der Alpen, sowie eine darauffolgende Schlammlawine hatten Teile der Strecke binnen Minuten unpassierbar werden lassen, sodass die Etappe vorzeitig für beendet erklärt werden musste.

Zum 27.07. war das Zentrum des Tiefs VINCENT von Frankreich nach Deutschland gezogen und lag gegen 00 Uhr UTC mit einem auf unter 1005 hPa gefallenen Druck nahe Nürnberg. Eine Konvergenzlinie erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt von Amsterdam nach München und weiter über die Ostalpen hinweg bis nach Pécs, in den Süden Ungarns. Ihr folgte ähnlich wie am Vortag das Frontensystem des ins Seegebiet zwischen Island und Schottland ziehenden unbenannten Wirbels. Tief VINCENT hatte sich auf seiner zuvor östlichen Zugbahn stark verlangsamt und begann nur zögerlich nach Norden abzudrehen, sodass es am 27.07. in seiner Lage nahezu stationär über Bayern verblieb. Die sich entlang der Konvergenzlinie abermals entwickelnden Schauer und Gewitter verlagerten sich somit ebenfalls nur sehr langsam wodurch die Niederschläge in einigen Regionen besonders ergiebig ausfielen. So wurden innerhalb von 24 Stunden in Waibstadt 28,5 mm, bei Noervenich 36,1 mm und in Meßstetten 52,5 mm gemessen. In Niederstetten brachten Gewitter in weniger als 12 Stunden 84,0 mm mit sich. Am Flughafen von Maastricht waren im selben Zeitraum 20,6 mm, im belgischen Beauvechain 38,0 mm und sowohl in Brüssel als auch im niederländischen Vlissingen je 43,0 mm gefallen. Durch die starken und nahezu stationären Niederschläge in den Ardennen musste das 24-Stunden Rennen von Spa-Francorchamps in den Morgenstunden für längere Zeit unterbrochen werden. Fahrer sprachen von Bedingungen, die sie so noch nie erlebt hatten. Auch über der Schweiz und Österreich konnten sich im Einflussbereich des Tiefs VINCENT erneut starke Schauer und Gewitter bilden. Für weite Regionen Frankreichs und dem südlichen Alpenraum wurde dagegen ein neuer Tiefdruckwirbel wetterbestimmend. Dieser hatte sich in der Nacht über den Balearen ausprägen können und verlagerte sich, aufgrund des warmen Mittelmeeres, rasch an Stärke gewinnend, im Laufe des Tages in Richtung Korsika. Vierundzwanzigstündig waren dabei im Zusammenspiel beider Tiefs in Luzern 55,1 mm, am Flughafen von Graz 62,1 mm und auf dem Präbichl 78,5 registriert worden. Demgegenüber konnten im mittelitalienischen Arezzo bis zu 123,0 mm gemessen werden.

Aufgrund der kaum vorhandenen Höhenströmung war das Tiefdruckgebiet VINCENT und mit ihm seine Niederschläge in den vergangenen 24 Stunden nahezu stationär verblieben und lag am 28.07. mit seinem Zentrum weiterhin unweit von Nürnberg über Bayern. Sein Kerndruck war bis 00 Uhr UTC auf unter 1000 hPa gefallen. Eine Konvergenzlinie zog sich vom Zentrum in nordöstlicher Richtung über Prag bis nach Warschau. Die kräftigen Niederschläge hielten in vielen Regionen an, begannen sich jedoch im Tagesverlauf mit dem Tief allmählich nach Norden abzuziehen. Die Niederschläge beeinflussten auch den Großen Preis von Deutschland der Formel 1 im baden-württembergischen Hockenheim. Innerhalb kurzer Zeit waren rund um die Rennstrecke 5 bis 10 mm gefallen, was dazu führte, dass am Ende eines als chaotisch beschriebenen Rennens nur 13 der 20 Wagen die Ziellinie erreichten. In Nürburg-Barweiler waren dagegen in 24 Stunden 40,5 mm, in der Innenstadt von München 49,2 mm und in Bad Kissingen 54,1 mm gefallen. Am Fuße der Schwäbischen Alb wurden aus Bad Urach zwölfstündig bis zu 95,6 mm gemeldet. Im gesamten Alpenraum kam es weiterhin zu erheblichen Niederschlägen. Die Nordseite der Alpen wurde nach wie vor durch das kräftige Gewittertief VINCENT beeinflusst. Die teils kräftigen Schauer und Gewitter im Einflussbereich des Tief VINCENT brachten dabei innerhalb von 24 Stunden in St. Gallen 68,9 mm, auf dem Säntis 93,2 mm und in Altenrhein 104,9 mm, in Bregenz waren es im selben Zeitraum 83,0 mm und auf dem Lofer 95,0 mm. In der Innenstadt von Salzburg wurden 108 mm, und am etwas außerhalb gelegenem Flughafen der Stadt sogar bis zu 162,9 mm gemessen. Knapp 40 Kilometer südwestlich von Rom, bei Focene, konnte in der Nacht gar ein Tornado beobachtet werden. Östlich der Adria wurden im selben Zeitraum in Ljubljana 40,5 mm, im kroatischen Rijeka 69,7 und im ebenfalls kroatischen Rab 79,4 mm registriert.

Gegen 00 Uhr UTC des 29.07. hatte der Kern des Gewittertiefs VINCENT Berlin erreicht. Östlich seines Zentrums, dessen Druck auf etwa 1005 hPa angestiegen war, erstreckte sich eine Konvergenzlinie von Guben über Łódź bis nach Ternopil in die westliche Ukraine. Die Niederschläge im direkten Umfeld des Tiefs VINCENT hatten allgemein an Intensität verloren. In weiten Regionen Süd- und Westdeutschlands sowie in Sachsen blieb es trocken und auch in Bayern hatten sich die Schauer und Gewitter in den Vormittagsstunden weitestgehend aufgelöst. Die Niederschläge konzentrierten sich im wesentlichen auf den Norden und Osten des Landes, konnten dort jedoch weiterhin recht ergiebig ausfallen. 24-stündig waren in Bremerhaven 9,0 mm, in Schwerin 18,7 mm und in Laage 27,0 mm gefallen. Wie unterschiedlich Regenmengen während eines Gewitters ausfallen können, zeigte sich unter anderem am Beispiel Berlin: Während in Berlin-Tegel innerhalb weniger Stunden 28,0 mm gefallen waren, wurden an der nur 7 Kilometer entfernten Station in Berlin-Dahlem lediglich 1,1 mm gemessen. Am anderen Ende der Stadt, in Berlin-Schönefeld, blieb es von vereinzelten Tropfen abgesehen gänzlich niederschlagsfrei. Tief VINCENT zog unter voranschreitender Abschwächung im Tagesverlauf nach Polen ab. Sich abermals entlang der Konvergenzlinie entwickelnde Gewitter führten in Krakau 15,6 mm, in Kiew 18,8 mm und in Koszalin 23,3 mm mit sich. Die Messstation auf dem Kasprowy Wierch im westlichen Tatra Gebirge meldete Regenmengen von bis zu 59,1 mm. Auch über Bayern konnten sich nochmals lokale Schauer mit Regenmengen über 10 mm innerhalb wenigen Stunden ausbilden: In Waldmünchen wurden innerhalb von 12 Stunden 12,4 mm, in Wunsiedel 13,7 mm und in Zwiesel, nahe der tschechischen Grenze, 13,8 mm registriert. Dagegen blieb für die Ostalpen und die Adria zunächst noch das sich zunehmend auflösende unbenannte Tief wetterbestimmend, welches sich am Vortag von Korsika über Italien nach Kroatien verlagert hatte. In Italien und der Schweiz als auch über großen Teilen Frankreichs blieb es nach Abzug der beiden Tiefdruckwirbel weitestgehend trocken. Durch das sich von Westen nähernde Hoch ZILLA stellte sich nachfolgend ein deutlich ruhigerer Witterungsabschnitt ein. Entlang der Adria ließen die Niederschläge ebenfalls rasch nach. Letzte Schauer und Gewitter des sich auflösenden Mittelmeerwirbels brachten in 24 Stunden in Belgrad 9,8 mm und im kroatischen Split 26,3 mm mit sich.

Ohne analysierbares Frontensystem oder einer zugehörigen Konvergenzlinie lag das Zentrum des sich in Auflösung befindlichen Wirbels VINCENT am 30.07. um 00 Uhr UTC mit einem Kerndruck von etwas unter 1010 hPa über Polen, westlich von Warschau. Das Gewittertief schwächte sich bereits in den Morgenstunden soweit ab, dass es nachfolgend nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Auch nach Abzug und anschließender Auflösung des ehemaligen Gewittertiefs VINCENT blieb es in Deutschland wechselhaft. Weite Teile des Landes wurden durch die Ausläufer eines unbenannten Tiefs mit Kern über Schottland beeinflusst, bald gefolgt durch das sich von Westen nähernde Tief WOLFGANG. Letzte, dem Tief VINCENT direkt zuzuordnende Niederschläge konzentrierten sich dagegen auf Ostpolen, Weißrussland und auf die westliche Ukraine und führten innerhalb von 24 Stunden auf dem Kasprowy Wierch 16,6 mm, in Brest 19,0 mm und bei Riwne 31,0 mm mit sich. Im ukrainischen Sarny fielen während eines Gewitters binnen 6 Stunden nochmals 56,0 mm.