Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
VIRGINIE
(getauft
am 14.02.2016)
Am den 14. Februar 2016 ereignete sich über
dem Ostatlantik ein markanter Vorstoß höhenkalter Luft in Richtung Iberische
Halbinsel bzw. Nordafrika. Dabei traf die subpolare Kaltluft mit Temperaturen
von teils unter -30°C in rund 5,5 km Höhe auf verhältnismäßig warme und feuchte
Subtropikluft des westlichen Mittelmeerraums, wodurch
eine Zyklogenese, sprich die Entwicklung eines neuen
Tiefdruckgebiets, ausgelöst wurde. Das neu entstandene Tief sollte sich in den
folgenden Tagen nordostwärts Richtung Norditalien und
später auch nach Deutschland verlagern. Folglich wurde es noch am 14. Februar
in der Prognose für den Folgetag auf den Namen VIRGINIE getauft.
Erstmals analysiert werden konnte das Tief
VIRGINIE in den Frühstunden des 15. Februars über dem westlichen Mittelmeer
zwischen Balearen und Sardinien mit einem Luftdruck von rund 995 hPa. Dabei
hatten sich bereits die für ein Tief typischen Strukturen mit Warm- und
Kaltfront herausgebildet. Während sich die Warmfront vom Zentrum aus nordostwärts Richtung Norditalien erstreckte, um über dem
Westbalkan in die Ausläufer des Tiefs ULRIKA überzugehen, verlief die Kaltfront
in einem weiten Bogen südwestwärts bis über
Nordafrika. Diese Kaltfront stellte gleichzeitig die Grenze der zur von Norden
einfließenden Meereskaltluft subpolaren Ursprungs dar. Bereits am Vortag hatte
es im Zusammenhang mit dem Vorstoß höhenkalter Luft von der Iberischen
Halbinsel bis ins nördliche Marokko und Tunesien zahlreiche Schauer, teils mit
Hagel oder Graupel, gegeben, die örtlich von Blitz und Donner begleitet waren.
Diese konvektiven Niederschläge setzen sich auch am 15. Februar fort, wobei der
Schwerpunkt in einem Streifen von Marokko und Algerien, über Sardinien, Korsika
und Mittelitalien hinweg bis zum Westbalkan lag. Dort fielen tagsüber
verbreitet zweistellige Niederschlagsmengen, z.B. im marokkanischen Meknes 18
l/m² in 12 Stunden, in Algier waren es 15 l/m² und auf Korsika in Bastia gar 30 l/m². Aus Italien wurden größere Regenmengen
gemeldet, aus Florenz 12 l/m² bzw. Rimini mit 18 l/m². In der sich
anschließenden Nacht lag der Schwerpunkt des schauerartigen Regens über dem
nördlichen Italien sowie den nördlichen Balkanstaaten, wobei weitere 18 l/m² in
Florenz oder 21 l/m² im kroatischen Gospic fielen.
Aber auch über Nordafrika kam es erneuten zu hohen Regenmengen. In Algier
wurden zwischen 18 und 06 Uhr UTC des Folgetages, also zwischen 19 und 07 Uhr
MEZ, 11 l/m² gemessen, östlich davon in Bejaia
brachten nächtliche Gewitterschauer sogar 45 l/m².
Währenddessen verlagerte sich das Tief
VIRGINIE bis zum Tagesende mit dem Kern über Korsika und Sardinien, wo es am
16. Februar um 00 Uhr UTC mit einem Kerndruck von knapp unter 1010 hPa
analysiert wurde. Dabei konnte sich eine Okklusionsfront ausbilden, wobei die
Kaltfront die langsamer ziehende Warmfront einholte. Die so entstandene
Okklusion erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt vom Zentrum aus über Norditalien
bis zur Adria, gefolgt von der Kaltfront, die über das westliche Mittelmeer bis
Nordafrika reichte. Derweil hatte sich zwischen Sizilien und Tunesien ein
zweiter Kern gebildet, der den Namen VIRGINIE II erhielt. Im Umfeld dieses
Tiefdruckkomplexes setzten sich die schauerartigen Niederschläge weiter fort.
Diese konzentrierten sie sich auf das Gebiet zwischen Alpen, westlichem
Mittelmeer und Atlasgebirge und damit auf den Übergangsbereich zwischen der von
Nordwesten heranströmenden Kaltluft subpolaren Ursprungs und feuchtwarmer
Mittelmeerluft. Die Intensität der Niederschläge lag ähnlich dem Vortag meist
zwischen 5 bis 15 l/m² in 12 Stunden. Beispielsweise regnete es in Piacenza und Bologna weitere 13 l/m², im kroatischen Gospic waren es 14 l/m² und in Cagliari auf Sardinien 8
l/m². Deutlich höhere Niederschlagsmengen gab es weiterhin an der
nordafrikanischen Küste, wo Gewitterschauer z.B. in Bejaia
bei Algier weitere 47 l/m² brachten und in der Hafenstadt Oran 21 l/m².
Gleichzeitig vereinigten sich beide
Tiefdruckkerne bis zum Tagesende wieder zu einer Zyklone. Somit zeigte die
Bodendruckkarte vom 17. Februar das Tief VIRGINIE als flaches Mittelmeertief,
gegenüber dem Vortag in Lage und Position nahezu unverändert. Das Zentrum
befand sich allerdings über der Toskana, wo um 00 Uhr UTC der niedrigste Druck
mit 1014,9 hPa in Grosseto gemessen wurde. Bereits in der Nacht zum 17. Februar
hatten die Niederschlagsfelder von Italien aus langsam nordwärts Richtung
östlichen Alpenraum übergegriffen. Dabei war der Regen zunehmend in Schneeregen
und Schnee übergegangen, wobei die Schneefallgrenze im Laufe der Nacht bis auf
300 bis 400 m absank. In Summe fielen bis zum Morgen über Nordostitalien,
Österreich und Slowenien meist um die 10 l/m² in 12 Stunden, in einigen
Staulagen der Ostalpen auch bis zu 30 l/m², wie auf der 711 m hohen Station in Kötschach. Tagsüber griffen die Niederschläge rasch weiter
nordwärts auf Bayern, Tschechien und die Osthälfte Deutschlands über.
Gleichzeitig verlagerte sich der Kern des Tiefs von Norditalien über die Alpen
in Richtung Bayern und bis zum Abend nach Ostdeutschland. Da über Mitteleuropa,
speziell über Deutschland verhältnismäßig kühle Subpolarluft zu finden war,
fielen die meist nur leichten Niederschläge durchweg als Schnee. Hierbei konnte
sich bis zum Abend zeit- und gebietsweise bis ins Flachland eine dünne
Schneedecke ausbilden, vor allem zwischen dem Berliner Raum, der Lausitz und
dem Erzgebirge, wo Messungen um 18 Uhr UTC z.B. in Lindenberg 5 cm, in Cottbus
3 cm und in Görlitz 4 cm ergaben. Dagegen ließen die Niederschläge über der
Apenninischen Halbinsel und im angrenzendem Mittelmeerraum allgemein nach, mit
jedoch einer Ausnahme. In der Region rund um die nördliche Adria und den
Ostalpen hielten die Regen- und Schneefälle mit nahezu gleichbleibender
Intensität von 5 bis 10 l/m² in 12 Stunden an. In Zavizan
an der adriatischen-kroatischen Küste fielen sogar 29 l/m².
In den Frühstunden des 18. Februar befand
sich das Tief VIRGINIE mit einem Kerndruck von knapp unter 1015 hPa über
Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings war der Wirbel kein eigenständiges Tief
mehr, sondern hatte sich an einen Tiefdruckkomplexes über dem Nordmeer und
Nordwesteuropa angeschlossen. Nichtsdestotrotz reichten vom Kern aus Ausläufer
nach wie vor bis nach Süd- und Südosteuropa. Etwa verlief eine nur schwach
ausgeprägte Warmfront von Polen entlang der Karpaten bis zum Schwarzen Meer.
Auf der Vorderseite des Tiefs wurde von Südosteuropa subtropische Warmluft
herangeführt. Die leicht verwellte Kaltfront dagegen, die teils auch
Warmfrontcharakter besaß, erstreckte sich von Polen aus in südliche Richtungen
über Ungarn, Kroatien und die Adria bis nach Italien, um dort in die Ausläufer
eines neuen Tiefs über Libyen überzugehen. Die Schneefälle der Nacht zogen langsam und
unter Abschwächung aus Ostdeutschland und Westpolen über die Ostsee in Richtung
Südschweden ab, insgesamt fielen nicht mehr als 2 bis 3 l/m² in 12 Stunden. Das
genügte jedoch, um bis zum Morgen um 06 Uhr UTC über der Osthälfte Deutschlands
verbreitet eine dünne Schneedecke entstehen zu lassen. Selbst im Raum Hamburg
mit 2 bis 5 cm und in Hannover mit 1 bis 2 cm wurde es vorübergehend weiß und
entlang von Oder und Neiße konnten sogar Schneehöhen von bis zu 7 cm gemessen
werden.
Tagsüber kam es zu einer erneuten Belebung
der Niederschläge entlang der wellenden Front über dem östlichen Mittel- und
Südeuropa. Dieser Prozess wurde verstärkt, da sich gleichzeitig der Wirbel über
Libyen unter Verstärkung über das zentrale Mittelmeer in Richtung Ägäis
verlagerte und so ein Schwall feuchtwarmer Mittelmeerluft Richtung östliche
Mitteleuropa gelenkt wurde. Insofern ist es nicht leicht einzuschätzen wie weit
der Einfluss von Tief VIRGINIE am 18. Februar tatsächlich noch reichte.
Festzuhalten bleibt, dass es im Umfeld des langsam nordwärts ziehenden
Tiefdruckkerns auch an diesem Tage noch zu leichten, selten mäßigen
Niederschlägen in Polen, dem Baltikum und Schweden kam. Dabei gingen die Niederschläge
bis ins südliche Schweden und über dem Baltikum zumindest zwischenzeitlich in
Regen über, viel mehr als 5 l/m² wurden aber bis zum Abend nicht registriert.
In Visby in Südschweden waren es etwa 4 l/m², in Helsinki 2 l/m² und in Vilnius
1 l/m², gebietsweise blieb es auch trocken. In der sich anschließenden Nacht
schneite es dann zwischen Lappland, Finnland und dem Baltikum zeitweilig bei
bis zu 5 l/m² in 6 Stunden kräftiger. So erhöhte sich die dort vorhandene
Schneedecke bis zum darauf folgenden Morgen vor allem in Estland und Finnland
um stellenweise einige Zentimeter, etwa im estnischen Jogeva
von 6 auf 13 cm.
Währenddessen konnte das Tief VIRGINIE am
19. Februar um 00 UTC letztmalig über Lappland analysiert werden. Allerdings
war die Zyklone schon nahezu vollständig aus dem Bodendruckfeld verschwunden.
Dagegen zeigten sich weiterhin, auch im Satellitenbild, die frontalen
Strukturen einer Okklusionsfront, die von der Kola-Halbinsel über Finnland, dem
Baltikum und Polen bis zum Karpatenbecken reichten. Entlang dieser
Luftmassengrenze kam es auch über den 19. Februars hinaus noch zu leichten,
teils auch mäßigen Niederschlägen. Diese wurden zusätzlich durch ein kleines
Randtief belebt, welches auf einer weiter östlicheren Zugbahn wie Tief VIRGINIE
von Italien aus nordwärts zog.
Geschrieben
am 16.05. von Gregor Pittke
Berliner
Wetterkarte: 16.02.2016
Pate:
Virginie Giron