Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VIRPY

(getauft am 29.11.2020)

 

Am 29.11.2020 um 00 UTC, also 01 Uhr MEZ, befand sich im Schlepptau des Islandtiefs UNDINE ein weiteres Tief östlich von Neufundland, welches über eine Warmfront mit der Kaltfront von Tief UNDINE verbunden war. Aus der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den 30.11.2020 12 UTC ging hervor, dass eben diese bisher noch namenlose Zyklone genauso wie das Tief UNDINE in den kommenden Tagen Einfluss auf das Wettergeschehen Europas haben würde. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen dafür diesen Wirbel auf den Namen VIRPY zu taufen.

 

Am Folgetag, dem Tag nach der Taufe, wurde der Tiefdruckwirbel VIRPY um 01 Uhr MEZ mit einem verstärkten Kerndruck von knapp 990 hPa erstmals namentlich mit zum Vortag nahezu unveränderter Lage östlich von Neufundland auf der Bodenanalysekarte erwähnt. Im Kern der Zyklone trafen Kalt- und Warmfront aufeinander, wodurch eine Okklusionsfront entstand. Dies ist eine Mischfront, die durch das Einholen der Warmfront durch die Kaltfront entsteht und oft Regenschauer und Gewitter mit sich bringt. Die Okklusion verlief vom Kern der Zyklone aus ein kurzes Stück nach Westen und endete noch über dem Atlantischen Ozean. Vom Okklusionspunkt aus, also dem Punkt an dem Kalt- und Warmfront in Bodenniveau aufeinandertreffen, verlief die Kaltfront in südwestlicher Richtung. Die Warmfront ging Richtung Osten in die Kaltfront des zwischen Island und Norwegen liegenden Tiefdruckgebiets UNDINE über. Im Tagesverlauf zog das Tief weiter nach Osten, wodurch Island allmählich in einen Bereich starker Luftdruckgegensätze geriet und somit von zunehmend starkem Wind betroffen war. Um 23 Uhr MEZ wurden in Þyrill im Südwesten der Insel Spitzenböen mit einer Geschwindigkeit von 191 km/h gemessen.

Bis zum 01.12.2020 um 01 Uhr MEZ verlagerte sich Tiefdruckwirbel VIRPY bis östlich der Südspitze Grönlands. Vom Kern der Zyklone, dessen Luftdruck fast 980 hPa betrug, verlief die Okklusion nach Osten bis zum Okklusionspunkt westlich von Island, von wo die Kaltfront sich südwestlich über den Atlantik erstreckte, und die Warmfront in südöstlicher Richtung im Bereich der Britischen Inseln in die Kaltfront des Tiefdruckkomplexes UDINE überging. Der Einfluss der Zyklone beschränkte sich an dem Tag noch fast ausschließlich auf Island. Dort wurden wie am Abend zuvor teils Orkanböen der Windstärke 12 auf der Beaufort-Skala gemeldet. Auf der Passhöhe Hellisskarð auf dem 1002 m hoch gelegenen Tafelvulkan Högnhöfði erreichten Böen in der Stunde zwischen 12 und 13 Uhr MEZ Geschwindigkeiten von bis zu 306 km/h, ab 118 km/h spricht man bereits von Orkanstärke. Dazu gab es gebietsweise starke Niederschläge, 12-stündige Maximalwerte wurden in Hveravellir mit knapp 65 mm bis 19 Uhr MEZ gemessen.

Am 02.12.2020 um 01 Uhr MEZ befand sich Tief VIRPY mit einem nochmals verstärkten Kerndruck von circa 975 hPa nordöstlich von Island. Die Okklusionsfront erstreckte sich über Island bis zum Kern der Zyklone, und im Bogen weiter in südöstlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt vor der Küste Norwegens. Von dort aus verlief die Kaltfront südwestlich über den Norden Schottlands und Irlands weiter in den Atlantik. Die Warmfront erstreckte sich östlich der Kaltfront nahezu parallel zu dieser, durchquerte Großbritannien mittig und ging westlich des Ärmelkanals in die Kaltfront eines über Italien liegenden Tiefdruckgebiets über. Im Bereich der Okklusion über Island kam es zu vereinzelt starken Regenschauern, maximale 12-stündige Niederschlagswerte erreichte Lónakvísl mit 52 mm bis 19 Uhr MEZ. Der Wind hatte sich im Bereich des Inselstaats im Vergleich zum vorherigen Tag zwar etwas abgeschwächt, erreichte aber an manchen Stationen weiterhin Böen der Windstärke 12.  Beispielsweise in Akrafjall im Südwesten Islands, dort wurden um 21 Uhr MEZ Spitzengeschwindigkeiten von 169 km/h gemeldet. Die Fronten überquerten im Tagesverlauf die Britischen Inseln und sorgten dort für großflächigen, aber schwachen Regen. Die belgische Gemeinschaft Koksijde nahe der französischen Grenze meldete bis 19 Uhr MEZ größere 12-stündige Niederschlagsmengen von 47 mm, ansonsten fiel der Niederschlag entlang der Fronten von Tiefdruckwirbel VIRPY auf dem europäischen Festland nur schwach aus.

 

Bis zum 03.12.2020 um 01 Uhr MEZ bildeten sich lokal weitere Tiefdruckkerne, sodass der nun aus drei Kernen bestehende Tiefdruckkomplex mit VIRPY I, II und III auf der Berliner Wetterkarte bezeichnet wurde. Nördlich des Kerns VIRPY I, welcher sich mit einem Kerndruck von knapp 990 hPa nördlich von Schottland befand, lag Tiefdruckkern VIRPY II mit einem Kerndruck von circa 985 östlich von Island. Eine Okklusionsfront zog sich von dort aus in nordöstlicher Richtung durch das Tiefdruckzentrum VIRPY III südlich von Spitzbergen und weiter  in südlicher Richtung parallel zur Küste Norwegens, über die Nordsee und durch Belgien bis zum Okklusionspunkt im Westen Frankreichs, von wo die Kaltfront weiter nach Westen über den Atlantik verlief, und die Warmfront in südlicher Richtung die Biskaya durchquerte. Im Bereich der Okklusion kam es entlang der Küstenregionen Norwegens am frühen Morgen zu mäßig bis starkem Niederschlag. Die Wetterstation Eik Hove meldete bis 7 Uhr MEZ 12-stündige Niederschlagshöhen von  56 mm. In Bergregionen Norwegens wurden außerdem Sturmböen der Windstärke 10 gemessen. Auf der Rückseite des Tiefdruckwirbels befand sich Island wieder im Bereich eines starken Luftdruckgradienten, wodurch der Wind wieder an Stärke gewann. In Hamarsfjörður an der Südostküste wurden Windböen mit Spitzenwerten bis 224 km/h um 07 Uhr MEZ morgens gemeldet. In Laufbali im Süden der Insel gab es Niederschlagsmaxima von 64 mm innerhalb von 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ. Auch im Westen Deutschlands sorgte die Okklusionsfront zeitweilig für Niederschläge, die in höheren Lagen in Schnee übergingen. So konnte die Schneehöhe auf dem Großen Feldberg im Taunus innerhalb 24 Stunden von 4 auf 13 cm ansteigen. Im Zusammenspiel mit dem nachfolgenden Tief WENKE brachten deren und die Ausläufer von Tief VIRPY dem Südwesten von Rheinland-Pfalz, dem Saarland sowie ganz Luxemburg hohe zweistellige Niederschlagssummen. So kamen 24-stündig bis zum Morgen des 04.12.2020 in Hersdorf-Weissenseifen knapp 27 mm und im Nordwesten Luxemburgs in der kleinen Stadt Eschdorf sogar 32,6 mm zusammen.

Bis zum 04.12.2020 um 01 Uhr MEZ lösten sich zwei der drei Tiefdruckkerne von VIRPY komplett auf, und die verbleibende Zyklone befand sich mit einem Kerndruck von knapp 995 hPa östlich von Spitzbergen. Ihre Kaltfront verlief vom Kern aus südwestlich und endete nördlich von Skandinavien. Die Warmfront erstreckte sich nach Südosten über der Sewerny-Insel bis in den Norden Russlands. Das Tief hatte keinen Einfluss mehr auf das Wettergeschehen Mitteleuropas. Bis zum Folgetag verlagerte sich Tief VIRPY über den nördlichen Kartenausschnitt der Berliner Wetterkarte hinaus und wurde folglich namentlich nicht weiter erwähnt.