Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VITA

(getauft am 07.12.2016)

 

Am 06.12.2017 befand sich von Grönland bis weit über den zentralen Nordatlantik ein Tiefkomplex, an dessen südwestlichen Rand aus einer welligen Deformation ein Tiefdruckwirbel entstand, der am 07.12. in der Prognose für den Folgetag auf den Namen VITA getauft wurde. Die Entstehung fand an der Grenze von polaren zu subtropischen Luftmassen und deren großen Temperaturgradienten statt. Bereits am 07.12. lag das zu diesem Zeitpunkt noch unbenannte Tiefdruckgebiet um 01 Uhr MEZ auf Länge West-Grönlands rund 1200 km südöstlich von Neufundland. Zu diesem Zeitpunkt besaß die Zyklone einen Kerndruck knapp unter 1000 hPa. Außerdem hatte VITA bereits eine kurze, sich in südliche Richtung erstreckende, Warmfront und eine Kaltfront nach Südwesten ausgebildet.

Bis zum 08.12. hatte sich das Tief VITA rasch entwickelt und nach Nordosten verlagert. An diesem Tag konnte es bereits in der mittleren Troposphäre in ca. 5500 m Höhe in Form eines kleinräumigen Höhenwirbels analysiert werden. Im Zentrum im Bodenniveau sank der Luftdruck unter 985 hPa und das zugehörige Frontsystem begann gleichzeitig zu okkludieren, es bildete sich also eine Okklusionsfront aus. Eine Okklusionsfront entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront eines Tiefs ihre Warmfront einholt und diese sich anschließend vereinigen. Den Ort, an welchem sie zusammenlaufen, nennt man Okklusionspunkt.

Im Tagesverlauf verlagerte sich das Tiefdruckgebiet VITA weiter in Richtung Norden. Der Kern des Tiefdruckgebiets VITA befand sich am 09.12.2016 um 01 Uhr MEZ ungefähr 900 km westlich von Irland, und besaß einen Luftdruck von ca. 970 hPa. Die neu entstandene Okklusion verlief vom Kern ausgehend spiralförmig um diesen herum und teilte sich nordwestlich von Irland auf. Die Kaltfront erstreckte sich nach Süden bzw. Südwesten über den östlichen Nordatlantik, wohingegen die Warmfront nun über die Britischen Inseln führte, wo sie über dem Ärmelkanal in die Kaltfront eines neuen Wellentiefs überging, dessen Kern über der Nordseeküste von Dänemark lag. Tagsüber sorgte die südwestliche Strömung auf der Vorderseite des Tiefs VITA für trübes, aber recht mildes Wetter. In ganz Westeuropa erreichten die Höchsttemperaturwerte 10°C, sogar in Göteborg wurden 10°C und in Oslo 6°C registriert. In der Nacht sank die Temperatur nur auf 4 bis 7°C. Im Bereich des Tiefs VITA wurden in Großbritannien zwischen 07 Uhr MEZ und 19 Uhr MEZ meist Niederschlagsummen von 4 bis 10 mm registriert. Lediglich an der Station Capel Curig fielen in diesem Zeitraum 35 mm. Auf der Vorderseite von Tief VITA wurden jedoch maritime subtropische Luftmassen über den Britischen Inseln herangeführt, wodurch in Irland und Großbritannien für diese Jahreszeit ungewöhnlich hohe Temperaturwerte mit Maxima zwischen 11°C und 15°C gemessen wurden.

Auf der Analysekarte um 01 Uhr MEZ des 10.12. wurde das sich noch am Vortag über Dänemark befindliche neue Wellentief auf den Namen VITA II getauft und das ursprüngliche Tief VITA bekam den Namen VITA I. Das Zentrum des Wirbels VITA I befand sich etwa 300 km südlich von Island. Der Kerndruck des Tiefs schwächte sich dabei um 10 hPa ab und das Frontsystem war nun vollständig okkludiert. Die Okklusionsfront des Tiefs VITA I verlief zunächst spiralförmig um den Kern und anschließend über Island sowie das Nordmeer bis über die nordöstliche Nordsee, wo sie in eine Okklusion des Tiefs VITA II überging. Vom Kern dieses Zentrums führte eine Warmokklusion in einem engen Bogen bis über Malmö, wo sie sich in eine über Dänemark und England reichende Kaltfront und in eine Warmfront aufspaltete. Die Warmfront zog sich in einem weiten Bogen von Südschweden bis Österreich. Eine Warmokklusion bezeichnet eine Okklusionsfront, bei welcher die Luftmassen vor der Front kälter sind, als die Luft hinter ihr, wodurch sie dem Charakter einer Warmfront ähnelt. Die Warmokklusion brachte in Südskandinavien bis zum Morgen meist 3 bis 8 mm Niederschlag. Nahe dem Okklusionspunkt über der Ostseeküste traten intensiviere Niederschläge auf, wie in Malmö mit etwa 15 mm. Am südlichen Rand des Systems VITA flossen weitgehend mildere Luftmassen nach West- und Nordeuropa ein, wodurch die Temperaturen erneut auf Werte um 10°C anstiegen.

Bis zum Abend schwächte sich die Zyklone VITA I weiter ab und verlagerte sich wenige Hundert Kilometer nach Osten. Über dem Skandinavischen Gebirge hatte sich an ihrer Okklusionsfront ein kleines Wellentief gebildet und sorgte für etwa 5 mm weiteren Niederschlag, welcher in einem Streifen von Bergen bis Stockholm auftrat. An der norwegischen Küste wurde sogar im Stau des Skandinavischen Gebirges doppelt so viel registriert, wie in Fyskabygd mit 8 mm oder in Fossmark mit 10 mm jeweils in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ. Inzwischen zog das Tief VITA II auch weiter gen Osten und mit diesem auch das Niederschlagsgebiet des zugehörigen Frontsystems. Die höchsten 12-stündigen Niederschlagssummen wurden um 19 Uhr MEZ unter der Zugbahn des Okklusionspunktes registriert. Dabei wurden in Tschernjachowsk 10 mm, in Warschau 7 mm und in Brest 5 mm gemessen. In der Westukraine und in Nordrumänien fielen schauerartige Niederschläge an der Kaltfront des Tiefs VITA II, welche um 01 Uhr MEZ am 11.12. über den ukrainischen Karpaten einen kurzen Bogen beschrieb und den Anschluss an eine Warmfront eines neuen Wellentiefs mit Schwerpunkt über der Niederlande fand. Von dort führte die Kaltfront weiter nach Südwesten. Dieses Frontsystem war vor allem über Deutschland wetteraktiv. Nördlich der deutschen Mittelgebirge wurde in der Nacht zwischen 19 Uhr MEZ am 10.12. und 07 Uhr MEZ des Folgetages verbreitet 10 bis 17 mm Niederschlag gemessen. Etwa in Bremen kamen 17 mm, in Hamburg 15 mm, in Hannover 12 mm und in Berlin-Dahlem noch 9 mm zusammen. Die Böen erreichten maximale Windgeschwindigkeiten von 50 bis 70 km/h, im Bereich von Dresden 70 bis 80 km/h und auf dem Brocken 112 km/h, was Sturmstärke bzw. orkanartigen Böen entspricht. Durch die Strömung der milden Luftmassen vom Atlantik her sank die Temperatur, mit Ausnahme vom Alpenvorland, nicht unter 5°C.

Im Tagesverlauf des 11.12. verlagerte sich die Niederschlagszone des Wellentiefs nach Osten und sorgte meist für Regen. Die gemeldeten 12-stündigen Niederschlagssummen bis zum Abend waren in Berlin-Dahlem 8 mm, in Poznan 12 mm und in Warschau 13 mm. Das milde Wetter verblieb in Westeuropa und breitete sich bis Weißrussland und zur Ukraine aus. Im weiteren Verlauf schwächte sich das Tief VITA I soweit ab, dass es sich bis zum Folgetag auflöste. Das Tief VITA II hatte sich zuvor am Okklusionspunkt abgelöst, verstärkte sich anschließend durch die Vereinigung mit einem unbenannten Wirbel über den Niederlanden und zog mit seinem Kern in östliche Richtung bis zur Hauptstadt der Ukraine.

Auf der Analysekarte 01 Uhr MEZ des 12.12. wurde das Tief VITA wieder mit nur einem Kern gekennzeichnet. Der Wirbel besaß noch eine Kaltokklusion in westliche Richtung, die bis nach Dänemark verlief. Die Kaltokklusion ähnelt mehr dem Charakter einer Kaltfront. Diese Okklusion überquerte ganz Mittel- und Osteuropa, wobei sich eine deutliche Abkühlung einstellte und verbreitet Niederschlag auftrat. Dabei fielen bis zum Morgen meist 2 bis 8 mm Regen, in Berlin wurden 5 bis 10 mm als Niederschlagmenge registriert. Im Raum Kiew sorgte die Warmfront und die Okklusion des Tiefs VITA ebenfalls für Mengen bis 10 mm. Schnee kam nur in Ostpolen sowie östlich davon vor, in der Nordostukraine fiel etwa 2 bis 10 cm Neuschnee. Die Temperaturen sanken nach dem Durchzug der Kaltokklusion ab. Während vor der Front noch im Allgemeinen 7 bis 8°C gemessen wurden, kühlte sich die Luft nach der Front bis auf -2°C und -3°C ab. Innerhalb von Deutschland konnte in der Nacht ein großer Kontrast in den Temperaturwerten beobachtet werden. In Berlin, was in dem Bereich lag, den die Kaltokklusion des Tiefs VITA erreicht hatte, betrug der Tiefswert -3°C, wohingegen etwas weiter westlich in Magdeburg +3°C und in Hannover +5°C gemessen werden konnten.

Bis zum Folgetag verlagerte sich das Tief VITA weiter nach Osten bis außerhalb des Analysebereichs der Berliner Wetterkarte und konnte somit nicht mehr namentlich auf dieser verzeichnet werden.

 


Geschrieben am 17.02.2017 von Roland Góth

Berliner Wetterkarte: 10.12.2016

Pate: Vita Müller-Schubert