Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet VOLKER

(getauft am 13.08.2011)

 

Über dem mittleren Nordatlantik entstand im Laufe des 12.8.2011, an einer Luftmassengrenze, die in West-Ost-Richtung verlief und maritime Tropikluft im Süden von maritimer Subpolarluft im Norden trennte, ein Wellentief.  Dieses Tiefdruckgebiet wurde am Morgen des 13.8. auf den Namen VOLKER getauft.

Auf der Inselgruppe der Azoren, etwa 1000 Kilometer südlich des Tiefdruckzentrums, wurden um 2 Uhr MESZ 23°C gemessen, wohingegen die Temperatur im Seegebiet vor der irischen Westküste, und damit nördlich des Tiefdruckkerns gelegen, nur 14 bis 15°C betrug. Bis zum Morgen des 14.8. hatte sich die Zyklone VOLKER mit einer westnordwestlichen Höhenströmung bis etwa    1000 Kilometer vor die portugiesische Westküste verlagert. Vom Tiefdruckzentrum ging in östlicher Richtung eine kurze Warmfront aus, während sich nach Westen eine längere Kaltfront bis zu den Azoren erstreckte. Dort gab es morgens örtlich leichte Niederschläge, deren Mengen allerdings kaum messbar waren. Im Tagesverlauf verlagerte sich der Wirbel VOLKER unter Verstärkung schnell nach Nordosten und überquerte West- und Mitteleuropa, wo es mit Durchzug der Kaltfront gebietsweise zu kräftigen Niederschlägen kam. Im schleswig-holsteinischen Kiel kamen bis 20 Uhr Ortszeit innerhalb von 12 Stunden 35 l/m² Regen zusammen, im gleichen Zeitraum waren es im niedersächsischen Oldenburg 38 l/m² und in Steinau bei Cuxhaven 44 l/m². Vor der Kaltfront erreichte die Temperatur, wie zum Beispiel im bayerischen Regensburg mit 30°C, örtlich hochsommerliche Werte. In der Mitte und im Süden Deutschlands gab es neben ergiebigen Niederschlägen auch Gewitter und örtlich schwere Sturmböen. Bis 8 Uhr MESZ des 15.8. kamen 12-stündige Regenmengen von 43 l/m² in Balderschwang im Allgäu und 50 l/m² in Aschau-Stein im Chiemgau zusammen. Im fränkischen Roth betrug die maximal gemessene Windgeschwindigkeit 101 km/h, dies entspricht dem oberen Bereich der als schwerer Sturm klassifizierten Windstärke 10.

Am 15.8. lag der Kern des Tiefdruckgebietes VOLKER, in dem ein Luftdruck von etwas unter 1005 hPa gemessen wurde, über Dänemark. Von dort verlief eine Warmfront bis in die Gegend von Warschau, etwas weiter westlich folgte die Kaltfront, die über Süddeutschland, Zentralfrankreich und die Biskaya bis vor die Westküste Portugals reichte. Diese südlich des Tiefdruckzentrums kurz hintereinander verlaufenden Fronten brachten vor allem im Süden Deutschlands in höheren Lagen größere Regenmengen, wie in Kempten im Allgäu, wo 19 l/m² fielen, oder auf dem Großen Arber im Bayerischen Wald, wo eine Niederschlagssumme von 34 l/m² registriert wurde. Dagegen waren die Werte weiter nördlich meist nur im einstelligen Bereich, wobei in Soltau in der Lüneburger Heide mit 9 l/m² noch vergleichsweise viel Regen zusammenkam. Nördlich an das Tiefdruckzentrum schloss sich eine Okklusionsfront an, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, die sich bis vor die südnorwegische Küste erstreckte und dort in das Frontensystem des Islandtiefs UWE überging. Diese Okklusionsfront brachte im Tagesverlauf an der norwegischen Küste teils kräftigen Regen und führte in Trondheim zu einer 24-stündigen Niederschlagsmenge von 59 l/m² bis zum Morgen des Folgetages.

Am 16.8. lag der Kern des Tiefdruckgebietes VOLKER über Südskandinavien, von wo aus sich die Kaltfront über die Ostsee, das Baltikum und Ungarn bis nach Norditalien erstreckte. Nördlich an das Tiefdruckzentrum schloß sich eine Okklusionsfront bis vor die mittelnorwegische Küste an, wo wiederum der Übergang zu einem Teiltief des Wirbels UWE bestand. Im Einflussbereich der Okklusion, besonders in Norwegen, wurde die stärkste Wetteraktivität beobachtet,  so dass bis zum Morgen des 17.8. in Trondheim 10 l/m² und in Oslo 13 l/m² innerhalb von 24 Stunden zusammenkamen. In dieser Zeit zog der Kern des Tiefdruckgebietes VOLKER Richtung Nordosten und lag mit einem Kerndruck von ca. 1010 hPa um 2 Uhr MESZ über Mittelschweden. Von dort gingen mehrere Fronten aus. Einerseits nach Nordskandinavien, wo der Übergang zu Ausläufern des Tiefs UWE gegeben war, und andererseits nach Südosten, wo eine Kaltfront über dem westlichen Russland für Schauer und Gewitter sorgte. Im russischen Sankt Petersburg betrug die 24-stündige Regensumme bis zum Morgen des Folgetages 8 l/m². Weiter nördlich, im zentralfinnischen Jyväskylä, waren es 23 l/m². Zu dieser Zeit befand sich der Kern des Tiefdruckgebietes VOLKER, in dem ein Luftdruck von etwas unter 1010 hPa herrschte, vor der norwegischen Küste nahe des Polarkreises. Von dort aus verlief eine Warmfront einige Hundert Kilometer über das Europäische Nordmeer in Richtung Spitzbergen. Außerdem ging vom Tiefdruckkern eine Okklusion aus, die bis zum nördlichen Bottnischen Meerbusen reichte und ab dort in ein weiteres Tiefdrucksystem über Karelien überging. Allgemein war es im äußersten Nordosten Europas regnerisch, und wiederum lag Jyväskylä bei den Niederschlagsmengen vorn, denn dort fielen bis zum Morgen des 19.8. innerhalb von 24 Stunden 16 l/m² Regen. An diesem Tag war das Tiefdruckgebiet VOLKER mit seinem Kern zwischen der Inselgruppe Spitzbergen und der Ostküste von Grönland zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.

 


Lebensgeschichte geschrieben am 03.10.2011 von Heiko Wiese

Ausgewählte Berliner Wetterkarte: 15.08.2011

Pate: Dr. Volker Schroer