Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet WALLI
(getauft am 23.04.2020)
Am 23. April 2020 wurde von den
Meteorologen der Berliner Wetterkarte in der Prognosekarte für den Folgetag ein
Tiefdruckgebiet über Karelien auf den Namen WALLI getauft. Es sollte sich am
südwestlichen Rand eines umfangreichen, unbenannten Tiefdruckgebietes bilden,
das sich nördlich des russischen Festlandes mit Kern im Süden der Doppelinsel
Nowaja Semlja befand.
Am 24. April wurde das Tief WALLI
erwartungsgemäß über dem finnisch-russischen Grenzgebiet analysiert, wobei der
Kerndruck bei unter 1005 hPa lag. Zum einen ging von dort eine Warmfront aus,
die in südlicher bis südöstlicher Richtung über den europäischen Teil Russlands
führte und ungefähr 150 km südwestlich der Hauptstadt Moskau in eine Kaltfront
überging, die zu einem unbenannten Tiefdruckgebiet mit Kern knapp westlich des
zentralen Urals gehörte. Zum zweiten verlief vom Kern des Wirbels WALLI eine
Kaltfront in südwestlicher bis westlicher Richtung über Finnland, die Ostsee,
Schweden und Norwegen bis zum südlichen Europäischen Nordmeer ungefähr 200 km
nördlich bis nordöstlich der zu Schottland gehörenden Inselgruppe der
Shetland-Inseln. Eine dritte Front ging vom Zentrum des Tiefdruckgebietes WALLI
als Okklusionsfront, also als Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften,
ab und reichte in nordwestlicher Richtung über Finnland, Schweden und Norwegen
bis zum Seegebiet zwischen den Inseln und Inselgruppen Jan Mayen, Spitzbergen
und Nordostgrönland. Bis zum Abend kamen im nordwestrussischen Lodeinoje Pole
in der Oblast Leningrad 12 -stündig 4 l/m² an Niederschlag zusammen,
größtenteils in Form von Schneeschauern. In den folgenden zwölf Stunden bis zum
Morgen des 25. April fiel dort 1 l/m², während im gleichen Zeitraum im weiter
südwestlich gelegenen Wjasma in der Oblast Smolensk 6 l/m² zusammenkamen, dies
allerdings in Form von Regenschauern.
Mittlerweile hatte sich WALLI als
Tiefdruckzone nach Südosten verlagert und bestand nun aus zwei
Tiefdruckgebieten, die bei der Bezeichnung nicht näher untergliedert wurden.
Einerseits war dies ein Tief etwa 400 km nördlich von Moskau mit unter 995 hPa.
Von dort ging eine Kaltfront aus, die sich bogenförmig über den Westen Russlands,
Estland und die Ostsee bis an die schwedische Küste ungefähr 250 km nördlich
der Hauptstadt Stockholm erstreckte. Andererseits war ein weiteres Tief südlich
des erstgenannten Tiefdruckgebietes und etwa 200 km südwestlich von Moskau zu
finden, in dem der Kerndruck unter 1000 hPa lag. Von dort führte eine Warmfront
in östlicher Richtung über den südlichen Ural hinaus nach Westasien, wo sie bis
außerhalb des von der Berliner Wetterkarte abgedeckten Bereichs reichte.
Außerdem ging vom letztgenannten Tiefdruckkern eine Kaltfront in südwestlicher
Richtung ab und erstreckte sich über Westrussland, Weißrussland, Polen,
Tschechien und Süddeutschland, um weiter mehr nach Westen über Frankreich und
den Ärmelkanal bis zur südwestlichen englischen Halbinsel Cornwall zu führen. Bis
zum Nachmittag fielen 12-stündig in Wjasma 8 l/m² und in den nächsten zwölf
Stunden bis zum Morgen des 26. April in Nischni Nowgorod 12 l/m², wobei es in
den Regionen im Bereich der Tiefdruckkerne und weiter südlich in relativ milder
Luft bei teils zweistelliger Tiefsttemperatur eher regnete, während der
Niederschlag weiter nördlich bei Frost zumindest zeitweise als Schnee fiel. In
Deutschland herrschte im Vorfeld der Kaltfront am 24. April im Bereich
subtropischer Luftmassen mildes Frühlingswetter bei 20°C im Raum Hannover bis
27°C am Oberrhein vor. Mit Durchgang der Kaltfront zum 25. April ging auch ein
markanter Luftmassenwechsel einher. Wo in Berlin tags zuvor noch Höchstwerte
von 23°C gemessen wurden, gab es am 25. April nur noch Maximalwerte von rund
16°C. Aufgrund der Nähe zu Hoch ODILO über dem Osten Englands blieben die
Niederschläge beim Kaltfrontdurchgang in weiten Teilen Deutschlands aus.
Das Tiefdruckgebiet WALLI befand sich
zum Folgetag nun mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa über der Ukraine etwa
im Bereich der Hauptstadt Kiew. Von dort führte eine Warmfront in nordöstliche
Richtung bis ungefähr 400 km südöstlich von Moskau, um in eine Kaltfront
überzugehen, die zu einem unbenannten Tief westlich des zentralen Urals
gehörte. Außerdem ging vom Zentrum der Zyklone WALLI eine Kaltfront aus, die in
südwestliche Richtung bis zur ukrainischen und rumänischen Schwarzmeerküste reichte
und weiter nach Westen abbog, um große Teile des Balkans zu überqueren und nahe
der serbischen Hauptstadt Belgrad in die Warmfront des norditalienischen Tiefs
ODILO überzugehen. In Kaniw in der Ukraine südöstlich von Kiew fielen allein in
sechs Stunden bis zum Nachmittag in Form von Regenschauern 25 l/m². Im
russischen Rjaschk in der Oblast Rjasan kamen 12-stündig bis zum frühen Abend
sogar 21 l/m² zusammen, wobei der Niederschlag ebenfalls in flüssiger Form
auftrat. Markant war der Unterschied bei der Höchsttemperatur in Russland. Aus
Rtischtschewo in der Oblast Saratow wurde frühlingshaft milde Luft bei 21°C
gemeldet, während die Temperatur in Temnikow etwa 300 km weiter nördlich in der
Republik gerade einmal auf 9°C stieg. Noch kälter war es mit 5°C im weiter
südlich als Temnikow gelegenen Pavelec in der Oblast Rjasan, ungefähr auf
halbem Weg zwischen Moskau und Woronesch. In Obojan in der Oblast Kursk nahe
der ukrainischen Grenze gab es 12-stündig bis zum Morgen des Folgetages 18 l/m²
an Niederschlag.
Nun, am 27. April, lag das Tief WALLI
mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von unter 1000 hPa gemessen wurde,
etwa im Raum Woronesch. In nordöstlicher Richtung erstreckte sich von dort
ausgehend eine Warmfront bis vor den zentralen Ural in der Gegend der Stadt
Perm, um in eine Kaltfront überzugehen, die zu einem unbenannten
Tiefdruckgebiet nahe der Nordmeerküste knapp östlich des Urals und damit der
europäisch-asiatischen Grenze gehörte. Vom Kern des Wirbels WALLI zog sich
außerdem eine Kaltfront zunächst nach Süden über den Osten des Asowschen Meeres
bis zum westlichen Kaukasus an der Schwarzmeerküste, um nach Westen abzubiegen
und teils knapp nördlich der türkischen Nordküste das Schwarze Meer zu
überqueren und weiter in einem Bogen über den Balkan bis ins östliche Slowenien
zu verlaufen. In Jelez in der ebenfalls südwestrussischen Oblast Lipezk kamen
in zwölf Stunden bis zum frühen Abend 12 l/m² an Niederschlag zusammen. In
Nasran, im zu Russland gehörenden Inguschetien, fielen bis zum Morgen des
Folgetages 12-stündig 17 l/m² Niederschlag, und in Nischni Nowgorod waren es im
gleichen Zeitraum 13 l/m², jeweils als Regen.
Am 28. April befand sich das
Tiefdruckgebiet WALLI mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa östlich von
Moskau. Eine Warmfront führte vom Zentrum des Wirbels WALLI nach Nordosten über
den Ural nach Westsibirien bis über den nördlichen Rand des von der Berliner
Wetterkarte abgedeckten Bereiches hinaus. Außerdem ging vom Kern des Tiefs
WALLI eine Kaltfront aus, die nach Südosten bis über den östlichen Rand des
Bereiches hinausging, der von der Berliner Wetterkarte erfasst wird. Dazu kam
eine Okklusionsfront, die vom Zentrum der Zyklone WALLI nach Süden bis nordwestlich
von Wolgograd reichte. Die höchste Niederschlagsmenge, die bis zum frühen Abend
12-stündig gemeldet wurde, lag bei 10 l/m² in Kotelnitsch in der Oblast Kirow.
In der gleichen Oblast gab es in der Stadt Kirow in den folgenden zwölf Stunden
16 l/m² Niederschlag.
Am Folgetag lag das Tief WALLI mit einem
sich nochmals verstärktem Kerndruck von unter 995 hPa nordwestlich von Perm.
Von dort führte eine Okklusionsfront bis zum Okklusionspunkt knapp östlich des
zentralen Urals, wo eine nach Osten bis Nordosten verlaufende Warmfront und
eine weiter südlich nach Osten bis Südosten reichende Kaltfront wie bei einem
Reißverschluss zusammenliefen. Beide zuletzt genannten Fronten reichten über
den Rand des von der Berliner Wetterkarte erfassten Gebiets nördlich sowie
östlich hinaus. Außerdem verlief vom Kern des Tiefdruckgebietes WALLI nach
Süden bis Osten ausgehend eine weitere Okklusionsfront über den südlichen Ural
bis nach Westsibirien, um ebenfalls den östlichen Rand des von der Berliner
Wetterkarte erfassten Bereiches zu überschreiten. Bis zum frühen Abend fielen
in Poschechnoje in der Oblast Jaroslawl 18 l/m². In den folgenden zwölf Stunden
lagen die höchsten Niederschlagsmengen bei jeweils 11 l/m² in Lukonajow in der
Oblast Nischni Nowgorod und in Porezkoje in der autonomen Republik
Tschuwaschien.
Am 30. April und am 1. Mai, dem Tag, an
dem das Tiefdruckgebiet WALLI zum letzten Mal als eigenständiges Druckgebilde
auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen war, lag dieses im äußersten Nordosten
des Gebietes, das von der Berliner Wetterkarte erfasst wird, nämlich über
Westsibirien. Damit waren einige, teils schauerartige Niederschläge in fester
und flüssiger Form verbunden, die hier und da von Gewittern begleitet waren und
örtlich 10 l/m² innerhalb von zwölf Stunden oder etwas darüber brachten. Mit
weiterer Ost-/Nordostverlagerung verließ nun Tief WALLI den Analysebereich der
Berliner Wetterkarte, dessen Zugbahn folgend trat allerdings schon der nächste
Wirbel namens XENIA in die Fußspuren der Zyklone.