Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet WALTRAUD

(getauft am 12.12.2016)

 

Im Verlauf des 10. Dezembers führte die Entstehung einer Welle an einer langgestreckten Kaltfront eines bis dato noch unbenannten Sturmtiefwirbels nordöstlich von Neufundland zu einem eigenständigen Tiefdruckgebiet. Zum Mitternachtstermin des 11. Dezembers ist zu erkennen, dass das unbenannte Tief, wie auch schon am Entstehungstag, über eine Okklusionsfront mit dem Sturmtief, welches sich zu diesem Zeitpunkt über der Labradorsee südlich der Grönlandspitze Christianssund befand, verbunden war. Eine Okklusion wird auch als Mischfront bezeichnet, wobei die schneller ziehende Kaltfront die vorgelagerte Warmfront eingeholt und die warme Luft vom Boden angehoben hat. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfronten in sich vereint. Die okkludierte Front wies teilweise Kaltluftcharakter auf und verlief vom Tiefdruckkern nach Südosten abgehend bogenförmig etwa 2200 km über den Nordostatlantik, bis sie zentral über dem Atlantik in den Kern des dort analysierten Tiefdruckgebietes überlief. Bereits am Abend des 10. Dezembers bildete sich um das neu entstandene Tief eine geschlossene Isobare, also eine Linie gleichen Luftdrucks, aus, was dazu führte, dass sich das Tief nun als Randtief bezeichnen darf. Ein Randtief stellt ein kleinräumiges Tiefdruckgebiet dar, das sich innerhalb eines umfangreichen Tiefs, dem sogenannten steuernden Tief, gebildet hat und nachfolgend von ihm gelenkt wird. Randtiefs bewegen sich auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn um das Haupttief herum. Das Haupttief ist in diesem Fall das Sturmtief nahe der Grönlandküste. Einerseits wird das Randtief von einer Isobare der Hauptzyklone umschlossen, andererseits ist es durch zumindest eine eigene geschlossene Isobare, also durch eine eigenständige Zirkulation, gekennzeichnet. Ist diese Zirkulation deutlich ausgeprägt, trennt sich das Randtief von der steuernden Zyklone. Zudem bringen Randtiefs häufig kräftige Regen- oder Schneefälle, mitunter auch Sturm oder Gewitter. Beim Durchzug einer solchen Zyklone ist daher immer mit Starkwind zu rechnen. Innerhalb kurzer Zeit können sie sich zu Sturm- oder Orkantiefs entwickeln. Unterstützend für diesen Vorgang ist ein zusätzlicher Antrieb aus der Höhenströmung in etwa 5,5 km

Im weiteren Verlauf zog das bis dato noch unbenannte Randtief, sich dabei mit der Höhenströmung verstärkend, Richtung Nordosten, so dass der Kern am Folgetag um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, etwa 300 km südlich von Island mit einem Kerndruck von ca. 995 hPa lokalisiert werden konnte. Da dieses Tief in den folgenden Tagen den Wettercharakter der nordeuropäischen Länder sowie Teile Mitteleuropas beeinflussen würde, wurde es am 12. Dezember in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf den Namen WALTRAUD getauft. Zu diesem Zeitpunkt verlief die Warmfront nordöstlich vom Kern abgehend bis wenige Kilometer über der Nordostspitze Islands, wo sie in die schon bereits vorher erwähnte Okklusionsfront des Grönlandtiefs überging. Die langgezogene Kaltfront verlief vom Kern bogenförmig bis weit über den Nordatlantik. Im Tagesverlauf prägte sich die Zirkulation des Tiefs WALTRAUD deutlicher aus. Aus diesem Grund trennte sich das Randtief von der steuernden Zyklone. Dabei überquerte Tief WALTRAUD die Osthälfte Islands und sorgte für zweistellige Niederschlagssummen. So wurden innerhalb von 12 Stunden bis zum 18 Uhr UTC-Termin des Tauftages am Leuchtturm in Dalatangi an der Ostküste Islands, welcher auch als Wetterstation dient, 13 mm registriert. Noch größere Niederschlagssummen konnten allerdings im Norden in Olafsfjordur mit 16 mm und in Siglufjordur mit sogar 31 mm im gleichen Zeitraum festgestellt werden. In den restlichen Landesteilen Islands fielen zwischen 1 und 7 mm. Bei Höchsttemperaturen im einstelligen Plusbereich fielen diese Niederschläge in flüssiger Form als Regen. Ebenso über die Nordwesthälfte Irlands sowie Schottlands zog das Frontensystem von Tief WALTRAUD, brachte in diesen Gebieten jedoch keine nennenswerten Niederschlagssummen.

Bis zum 00 Uhr UTC-Termin des 13. Dezembers verlagerte sich der Kern von Tief WALTRAUD mit einem verstärkten Kerndruck von ca. 980 hPa zwischen die Ostküste Grönlands und die Insel Jan Mayen. Jan Mayen liegt an der Grenze zwischen der Grönlandsee und dem Europäischen Nordmeer und wurde nach dem niederländischen Walfang-Kapitän Jan Jacobs May van Schellinkhout benannt. Um 11 Uhr UTC konnte man dort am Rande des Tiefdruckkernes Spitzenböen in Höhe von 104 km/h messen. Ab dieser Windstärke spricht der Meteorologe bereits von orkanartigen Böen. Vom Kern abgehend verlief eine Okklusionsfront bogenförmig ostwärts bis sie sich über dem Nordmeer im Okklusionspunkt in eine Warmfront nach Süden bis über die Grenze Zentralnorwegens und Schwedens erstreckend und in eine Kaltfront aufteilte, die über Edinburgh in eine Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes über Südwestirland überging. Auffällig klein war der Bereich des Warmluftsektors zwischen der Kalt- und der Warmfront, so dass die Kaltfront im Laufe des 13. Dezembers die Warmfront rasch einholte und sich somit eine Okklusionsfront ausbildete. Diese befand sich jedoch zunehmend in Auflösung und brachte daher in Zentralschweden und -norwegen nur noch geringe Tagesniederschlagssummen von 1 bis 6 mm innerhalb von 12 Stunden bis 18 Uhr UTC. Etwas höhere Mengen konnten im Küstenbereich lokalisiert werden. So fielen in Frosta bei Trondheim 11 mm und in Reipa 15 mm. Im Landesinneren, bei Temperaturmaxima von -6 bis 1°C, wurden die Niederschläge in Form von Schnee und in Küstennähe, bei Tageshöchstwerten im positiven Bereich, überwiegend als Regen vermerkt. Die Fronten von Tief WALTRAUD hatten sogar noch bis in den deutschen Raum Einfluss. So hielten sich im westlichen und mittleren Deutschland im Bereich der maritim erwärmten Subpolarluft an der Vorderseite des Tiefs größere Wolkenfelder, so dass dort die Tiefstwerte, gemessen um 06 Uhr UTC, nicht unter den Gefrierpunkt zurückgingen. So wurden beispielsweise rund um das Ruhrgebiet bei einer dichten Wolkendecke Tiefsttemperaturen von 4 bis 6°C gemessen, während es in München bei -3°C eine klare Nacht gab. Die Niederschläge erfassten zum größten Teil Westdeutschland, brachten jedoch mit 3 bis 7 mm innerhalb von 6 Stunden bis 18 Uhr UTC rund um Koblenz nur geringe Summen. Tief WALTRAUD zog im weiteren Verlauf rasch zum Nordpolarmeer ab und vom nördlichen Nordatlantik folgte bereits die nächste Zyklone namens XENIA.

Bis zum darauffolgenden Tag schwächte sich der Kern des Tiefdruckwirbels WALTRAUD ab. So positionierte er sich um 00 Uhr UTC des 14. Dezembers über der Grönlandsee mit einem Kerndruck von 995 hPa. Die zugehörige Okklusionsfront war nur noch schwach ausgeprägt und reichte vom Kern in Richtung Süden bis zur Südküste Finnlands, wo sie in ein anderes unbenanntes Tief überging, das sich am Vorabend dort gebildet hatte. Allerdings löste sich die Okklusionsfront am Tagesbeginn rasch von dem Tief ab und zog weiter nordostwärts. Dabei überquerte die Okklusionsfront von Tief WALTRAUD die nördlichen Territorien Norwegens, Schwedens und Finnlands, führte allerdings nur zu sehr geringen Niederschlagsmengen innerhalb von 12 Stunden bis 18 Uhr UTC von unter 1 mm. Lediglich die Küstenstädte Sortland und Tromsö vermerkten bei Höchstwerten von 4 bis 6°C Regensummen von 9 und 11 mm. Je weiter man ins Landesinnere gelang, umso tiefer sanken die Temperaturmaxima. So kamen an der finnischen Wetterstation Kittilä Pokka im gleichen Zeitraum weitere 2 mm Niederschlag in Form von Schnee zu der bereits vorhandenen Schneedecke von ca. 36 cm zusammen.

Zum Nachttermin des 15. Dezembers befand sich der Kern von Tief WALTRAUD bereits über dem Arktischen Ozean nördlich von Spitzbergen am Rand des Analysebereichs der Berliner Wetterkarte und besaß einen Luftdruck von etwa 1000 hPa. Die nur noch sehr schwache Okklusionsfront brachte vom Nordkap bis Spitzbergen kaum nennenswerte Niederschlagsmengen von unter 1 mm. Rasch zog die Zyklone WALTRAUD weiter nach Norden und somit aus dem Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte. Dafür verantwortlich war die Großwetterlage in Mitteleuropa, die von Hoch WOLFGANG bestimmt wurde. Die vom Atlantik kommenden Tiefdruckgebiete wurden dementsprechend weitgehend von dem Hoch blockiert, so dass sie gezwungen wurden nach Nordeuropa auszuweichen. Somit konnte Tief WALTRAUD das letzte Mal am 15. Dezember als bereits sehr abgeschwächtes, sich zunehmend auflösendes, aber dennoch eigenständiges Tiefdruckgebilde auf der Berliner Wetterkarte lokalisiert werden.

 

 

Geschrieben am: 16.02.2017 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 13.12.2016

Pate: Waltraud Fetz