Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet WALTRAUD

(getauft am 18.02.2014)

 

Im Laufe der zweiten Februardekade zog ein Tiefdruckgebiet über den Nordatlantik nach Osten und wurde am 18.02.2014 in der Prognose für den Folgetag auf den Namen WALTRAUD getauft. Laut dieser Vorhersage sollte der Kerndruck am 19.02. um 13 Uhr MEZ knapp unter 960 hPa betragen. Da sich die Zyklone WALTRAUD jedoch schneller als zunächst angenommen entwickelte, wurde sie bereits auf der Analysekarte von 01 Uhr MEZ des 18.02. namentlich verzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Zentrum des Tiefs mit einem Druck von etwa 980 hPa ca. 500 km südlich von Grönland. Vom Kern gingen zwei Okklusionsfronten aus, wobei eine von diesen nach Südwesten wies und nach rund 300 km über dem westlichen Nordatlantik endete. Die zweite Okklusion führte in einem Bogen nach Südosten bis über den zentralen Nordatlantik, wo sich auf Breite von Paris ihr Okklusionspunkt befand. Eine Okklusion bildet sich, wenn die Warmfront sich mit der sie einholenden Kaltfront verbindet und dadurch ein Frontentyp entsteht, welcher Eigenschaften beider Fronten aufweist. Dabei stellt der Okklusionspunkt den Ort dar, an welchem sich Warm- und Kaltfront vereinigen. Von diesem erstreckte sich nun einerseits eine Warmfront nach Süden, die sich südlich der Azoren mit der Kaltfront eines nordwestlich von Spanien gelegenen unbenannten Tiefs verband und andererseits eine teils verwellte Kaltfront nach Südwesten, welche bis weit über den Westatlantik reichte.

Bis zum 19.02. verlagerte sich das Tiefdruckgebiet WALTRAUD weiter nach Osten, wobei sich der Kern aufspaltete. Dadurch konnten um 01 Uhr MEZ dieses Tages zwei Zentren südöstlich der Südspitze Grönlands analysiert werden. Der Kerndruck betrug dabei beim Tief WALTRAUD I ca. 980 hPa und bei der von ihr etwas weiter südöstlich gelegenen Zyklone WALTRAUD II knapp 975 hPa. Die Ausläufer dieses Tiefdrucksystems erreichten währenddessen die Britischen Inseln und riefen bis zum Morgen geringe Niederschlagsmengen hervor. Im weiteren Tagesverlauf kamen hierbei bis 19 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden maximal jeweils 5 l/m² im westirischen Mace Head und auf Sherkin Island im Süden Irlands durch zumeist schauerartig verstärkten Regen und Sprühregen zusammen.

In der Nacht zum folgenden Tag vereinigten sich die beiden Kerne und bildeten nun wieder das Tief WALTRAUD, welches sich in den vergangenen 24 Stunden zu einem Sturmtief entwickelt hatte und etwas weiter nach Nordosten gezogen war. Um 01 Uhr MEZ befand es sich rund 500 km südwestlich von Island über dem Nordatlantik. Südlich des Kerns, der einen im Gegensatz zum Vortag verstärkten Druck von ca. 960 hPa aufwies, verlief eine Höhenokklusion nach Westen bis zur Südspitze Grönlands. Eine Höhenfront ist dabei eine Luftmassengrenze, deren Eigenschaften nur in der Höhe und nicht im Bodenniveau analysiert werden können. Außerdem führte eine weitere Okklusion vom selben Ausgangspunkt in einem Bogen um das Tiefzentrum herum, danach südlich an Island vorbei bis zu ihrem Okklusionspunkt über der westschottischen Insel Lewis and Harris. Von diesem erstreckten sich eine über Nordirland verwellte Kaltfront nach Südwesten bis weit über den zentralen Nordatlantik und eine nach Südosten weisende Warmfront, welche über die Irische See, Wales, Südengland und die Bretagne verlief und über der Biskaya endete. In den vergangenen 12 Stunden intensivierte sich derweil das Niederschlagsgebiet über den Britischen Inseln, wodurch in Schottland und Irland verbreitet über 10 l/m², teils auch über 20 l/m² Niederschlag fielen. So beispielsweise im irischen Belmullet, wo bis 07 Uhr MEZ 12-stündig 24 l/m² gemessen wurden. In Mace Head kamen im selben Zeitraum nochmals 23 l/m² und im westschottischen Port Ellen 20 l/m² durch zum Teil schauerartig verstärkten Regen zusammen. In Südengland wurden dagegen zumeist nur 1 bis 5 l/m² registriert. Auch der Wind nahm über den Britischen Inseln zu und erreichte vielerorts Orkanstärke. Maximal wurden hierbei 131 km/h im nordenglischen Great Dun Fell und 126 km/h im schottischen Cairnwell gemessen.

Das Tiefdruckgebiet WALTRAUD verlagerte sich in der Nacht zum 21.02. nach Südosten und spaltete sich dabei abermals in zwei Tiefdruckkerne auf. Das Tief WALTRAUD I befand sich mit seinem Zentrum und einem Kerndruck von knapp unter 970 hPa auf Breite von Aberdeen etwa 700 km südlich von Island über dem Nordostatlantik. Von dessen Kern gingen eine mehrere Hundert Kilometer lange bogenförmige Okklusionsfront nach Nordwesten und eine weitere kurze Okklusion nach Südosten aus. Das Tief WALTRAUD II mit einem Kerndruck von ca. 960 hPa lag dagegen westlich der Färöer. Auch vom Kern dieser Zyklone verlief eine Okklusion nach Südosten entlang der Südwestküste Norwegens, über die Helgoländer Bucht und Westdeutschland bis sie über dem Süden der französischen Alpen Kaltfrontcharakter annahm und über die Pyrenäen und Spanien führte, bevor sie über dem Zentralatlantik südwestlich der Azoren endete. Beim Durchzug der Okklusion des Wirbels WALTRAUD II überquerte ein schmales Regengebiet Deutschland, an dem sich im Anschluss einzelne und örtlich auch zum Teil gewittrige Schauer entwickelten, welche aber nur selten Niederschlagsmengen von mehr als 5 l/m² hervorriefen. Die größten Regenmengen wurden bis 07 Uhr MEZ innerhalb von 24 Stunden in List auf Sylt mit 6,9 l/m², in Bad Marienberg mit 7,4 l/m², in Leck mit 7,5 l/m² und auf dem Feldberg im Schwarzwald mit 8,4 l/m² gemessen, wobei hier der Niederschlag als Schnee fiel. In den darauffolgenden 24 Stunden bis zum nächsten Morgen fielen dann nochmals deutschlandweit überwiegend 1 bis 5 l/m² Regen oder Schnee. Auch außerhalb Deutschlands wurden nennenswerte Niederschlagswerte im Einflussbereich des Tiefdrucksystems WALTRAUD registriert. So fielen teils schauerartig verstärkt bis 07 Uhr MEZ am 21.02. in Brest und Shannon jeweils 9 l/m², in La Coruña 14 l/m², in Stornoway 15 l/m² und in Thorshavn auf den Färöer 21 l/m². Über den Britischen Inseln wehte der Wind auch an diesem Tag mit Geschwindigkeiten im Bereich der Orkanstärke, wodurch Spitzenböen von 141 km/h in Bealach Na im Norden Schottlands erreicht wurden.

Die beiden Tiefdruckzentren verbanden sich bis zum 22.02. wieder, wodurch das nun wieder aus einem Kern bestehende Tief WALTRAUD um 01 Uhr MEZ dieses Tages über den Färöer lag. Der Kerndruck betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 970 hPa. Südlich des Zentrums verlief eine Okklusion in einem Bogen um jenes herum und erstreckte sich im weiteren Verlauf über Zentralskandinavien, die Ostsee, Litauen, Polen und Österreich bis über das Ligurisches Meer, wo es in das Frontensystem des Tiefs VIOLETTA überging. Beim Durchgang der Okklusion wurden dabei in 24 Stunden 11 l/m² in Uppsala und Ljubljana, 9 l/m² in Haparanda und 8 l/m² in Budapest durch Regen oder Schneefall bis 07 Uhr MEZ gemessen. Auch im Bereich des Tiefzentrums sowie südlich von diesem fielen weiterhin Niederschläge in Form von Schneeregen oder Regen, welche auch als Schauer auftraten. So registrierten die Stationen Stornoway und Glasgow 24-stündige Niederschlagsmengen von 8 l/m², in Shannon waren es 6 l/m² und in Thorshavn 5 l/m². Der Wind nahm hingegen über den Britischen Inseln nur wenig ab und erreichte in Böen weiterhin Orkanstärke, wie in Great Dun Fell mit maximal 128 km/h oder in Bealach Na mit 133 km/h.

Bis zum 23.02. verstärkte sich der Einfluss des vom Atlantik heranziehenden Tiefs XENIA über dem Westen und Nordwesten Europas, wodurch sich die Zyklone WALTRAUD nach Nordosten verlagerte und über das Europäische Nordmeer zog. Um 01 Uhr MEZ befand es sich mit einem abgeschwächten Kerndruck von knapp unter 985 hPa rund 300 km südlich von Spitzbergen. Vom Kern des Tiefs wies eine Kaltfront in einem Bogen nach Südwesten, bis sie mittig über dem Seegebiet zwischen Island und Norwegen in die Warmfront des Tiefs XENIA überging. Des Weiteren konnte vom Kern des Wirbels WALTRAUD ausgehend eine Okklusion analysiert werden, welche zunächst nach Norden zeigte, dann in einem Bogen südlich an Spitzbergen vorbeiführte und nach Verlauf über die Halbinsel Kola ihren Okklusionspunkt über dem Weißen Meer hatte, wo sie sich in eine Warm- sowie eine Höhenkaltfront aufspaltete. Die Warmfront überquerte Archangelsk und Nishnij Nowgorod, bis sie sich über Wolgograd mit einer Kaltfront eines anderen Tiefdruckgebiets verband. Die Höhenkaltfront führte nach Süden bis östlich von Sankt Petersburg und danach weiter in südwestlicher Richtung bis Minsk, wo sie in die Warmfront des Wirbels VIOLETTA überging. Die Niederschlagsintensitäten entlang des Frontensystems des Tiefs WALTRAUD hatten sich abgeschwächt, wodurch nur noch geringe Regen- oder Schneemengen gemessen werden konnten. Innerhalb von 24 Stunden fielen bis 07 Uhr MEZ in Moskau und Sankt Petersburg 3 l/m² und in Helsinki 2 l/m². Durch den gegensätzlichen Drehsinn von Hoch- und Tiefdruckgebieten wurden, aufgrund des Zusammenspiels der Tiefdruckgebiete WALTRAUD und XENIA mit Zentrum südlich von Island sowie dem Hoch FRIEDHELM über den Alpen, nun neben den Britischen Inseln auch in Skandinavien Windböen mit Orkanstärke gemeldet. Vor allem in Norwegen war dies der Fall, wodurch Spitzenböen von 140 km/h in Mannen und 155 km/h in Juvvasshoe gemessen werden konnten.

Das Tief WALTRAUD blieb bis zum 24.02. in seiner Lage nahezu stationär und wies nun einen Kerndruck von ca. 980 hPa auf. Der Zyklone konnte eine vom Zentrum des Tiefs ausgehende Okklusion zugeordnet werden, die in einem Bogen nach Südosten über die Doppelinsel Nowaja Semlja bis zum Südural verlief und westlich von Workuta sowie nahe Jekaterinburg Warmfrontcharakter annahm.

Im weiteren Tagesverlauf wurde das Tiefdruckgebiet WALTRAUD in die Zirkulation des Wirbels XENIA aufgenommen, wodurch es am 24.02. nach einer Lebensdauer von 7 Tagen letztmalig auf der Berliner Wetterkarte namentlich erschien.

 

 

Geschrieben von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 20.02.2014

Pate: Robert Maier