Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet WALTRAUD

(getauft am 30.12.2010)

 

Am 30. Dezember 2010 entwickelte sich an einer Luftmassengrenze über dem Nordatlantik vor der südgrönländischen Küste ein Wellentief, das auf den Namen WALTRAUD getauft wurde. Entlang der westlichen Höhenströmung, die im Niveau von 500 hPa, also etwa 5,5 km Höhe, deutlich ausgeprägt war, wanderte das Tief WALTRAUD bis zum nächsten Tag nach Osten. Es war nun mit seinem deutlich ausgeprägten Kern, in dem der Luftdruck bei ungefähr 1000 hPa lag, zwischen der zu Norwegen gehörenden Insel Jan Mayen und Island angelangt und hatte eine gut erkennbare Wirbelstruktur angenommen. Während die Warmfront vom Tiefdruckzentrum ausgehend bis zu den zu Schottland gehörenden Shetland-Inseln reichte, erstreckte sich die ebenfalls vom Zentrum des Wirbels WALTRAUD ausgehende Kaltfront nach Westen bis nach Grönland. Zum Beobachtungstermin um 6 Uhr UTC meldete die Wetterstation der isländischen Hauptstadt Reykjavik, die sich im sogenannten Warmsektor zwischen Warm- und Kaltfront befand, Sprühregen. Zuvor wurde dort in der Nacht eine Tiefsttemperatur von 6°C erreicht. Damit war es nach dem Warmfrontdurchgang um 3° wärmer, im Vergleich zur am 30. Dezember gemessenen Höchsttemperatur von 3°C.

Da sich von Westen im Tagesverlauf des 31. Dezember die Kaltfront näherte, konnte am Silvestertag in Reykjavik nur eine Höchsttemperatur von 5°C verzeichnet werden. Das Tiefdruckgebiet WALTRAUD folgte zum                 1. Januar 2011 in seiner Zugrichtung nach Südosten einem in der Höhe ausgeprägten Tiefdruckgebiet und war morgens bereits über Mittelschweden angelangt. Gleichzeitig hatte sich der Wirbel WALTRAUD verstärkt und besaß nun einen Kerndruck von unter 985 hPa im Bereich von Stockholm. In den norwegischen Städten Bergen und Trondheim kamen bis 6 Uhr UTC innerhalb von 24 Stunden 11 bzw. 10 Liter Niederschlag pro Quadratmeter zusammen. Auf der Rückseite des Tiefs WALTRAUD war es dort dank der sogenannten postfrontalen Subsidenz, also einem Absinken der Luft hinter der Kaltfront, jeweils nur leicht bewölkt. Bis zum Mittag zog der Wirbel WALTRAUD mit seinem Kern und dem sogenannten Okklusionspunkt, wo die Kaltfront die Warmfront einholt, unter weiterer Verstärkung bis ins zentrale Baltikum. Der Kerndruck lag zwischenzeitlich bei ca. 978 hPa. Das Tiefdruckgebiet WALTRAUD brachte dort verbreitet Schneefälle, zum Beispiel in Tallinn, Riga und Vilnius. In Deutschland, das im Einflussbereich des Warmsektors lag, setzte besonders im Norden und in der Mitte gebietsweise Tauwetter ein. In Norddeutschland stieg die Temperatur bis auf über 3°C, in Berlin-Dahlem beispielsweise auf 3,4°C. Ebenso machte sich das Tiefdruckgebiet WALTRAUD mit starkem Wind bemerkbar, so mittags registrierte die Station Berlin-Dahlem eine Böe von 18,6 Metern pro Sekunde, was Windstärke 8 entspricht. Kap Arkona auf Rügen meldete sogar eine Böe der Stärke 9, also Sturmstärke.

Am Morgen des 2. Januar 2011 befand sich der Kern des Tiefdruckgebietes WALTRAUD mit einem ungefähren Luftdruck von 990 hPa über dem östlichen Baltikum und in Nordosteuropa kam es verbreitet zu weiteren Schneefällen. Am nächsten Tag war der Wirbel WALTRAUD weiter nach Nordosten gezogen und befand sich mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von etwa 1000 hPa herrschte, über der Oblast Archangelsk. Auf der Rückseite des Tiefs WALTRAUD konnte sehr kalte Luft aus Norden in die zuvor überquerten Gebiete vordringen. So sank die Temperatur beispielsweise im estnischen Tallinn auf -12°C und im russischen St. Petersburg auf -16°C.

Bis zum 4. Januar brachte das Tiefdruckgebiet WALTRAUD mit ihrem Zug zur Barentssee weitere Schneefälle über den Norden des europäischen Russlands und erschien an diesem Tag zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte.


Geschrieben am 13.01.2011 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 01.01.2011

Pate: Waltraud Rehberg