Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet WERNER

(getauft am 11.12.2015)

 

Ende der ersten Dezemberdekade 2015 verlagerte sich unterhalb eines Kaltluftvorstoßes in 5,5 km Höhe, worin ein Höhenwirbel eingebettet war, im Bodenniveau ein Tiefdruckgebiet vom Nordosten Nordamerikas über den Nordatlantik in Richtung Europa. Dabei begann sich das zugehörige Frontensystem bereits zu okkludieren. Das bedeutet, dass die Warmfront von der schneller ziehenden Kaltfront am sogenannten Okklusionspunkt eingeholt und angehoben wird. Dadurch entsteht eine Mischfront mit Eigenschaften beider Frontensysteme, welche als Okklusion bezeichnet wird. Am 11.12.2015 um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief im Bereich zwischen dem zentraleuropäischen Hoch ZITA und einer namenlosen Antizyklone östlich Neufundlands über dem zentralen Nordatlantik. Vom Kern mit einem Druck von ca. 1000 hPa verlief die Okklusion etwa 1200 km nach Südwesten. Eine weitere, kürzere Okklusion zog sich nach Nordosten und spaltete sich nach 200 km in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Die Warmfront führte westlich der Azoren nach Süden, die Kaltfront folgte ihr wenig weiter westlich. Da dieses Tiefdruckgebiet in der Folge auch Einfluss auf Mitteleuropa nehmen sollte, wurde es noch an diesem Tag auf den Namen WERNER getauft. Unter dem Einfluss des Frontensystems konnten auf den Azoren jeweils innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ 26 l/m² auf Flores und bis 19 Uhr MEZ 30 l/m² am Flughafen in Horta auf Faial sowie 23 l/m² in Lajes auf Terceira gemessen werden.

Bis zum Folgetag teilte sich der Kern bei ostwärtiger Verlagerung des Tiefs WERNER auf. Dadurch bestand das System nun aus dem Tief WERNER I knapp nördlich der Azoren mit einem Druck von rund 1005 hPa und der Zyklone WERNER II westlich von Irland mit einem zentrumsnahen Druck von 1010 hPa. Die beiden Tiefzentren waren dabei durch eine Okklusion miteinander verbunden. Da der Wirbel WERNER II einen Teil des lang gestreckten Frontensystems eines Randtiefs des Skandinavientiefs VANECHKA übernehmen konnte, erstreckten sich von dessen Kern einerseits eine Warmfront nach Südosten bis Nordostfrankreich, wo sie den Anschluss an die Kaltfront des Randtiefs fand, und andererseits eine Kaltfront nach Südwesten bis weit über den Atlantik. In 24 Stunden wurden bis 07 Uhr MEZ im Norden Frankreichs und in Belgien 33 l/m² am Mont-Rigi, 20 l/m² in Elsenborn, 12,8 l/m² in Le Touquet und 12,1 l/m² in Cherbourg/Maupertus registriert. Auf den Azoren hielt der Regen weiter an, wodurch 12-stündig nochmals 15 l/m² in Ponta Delgada auf Sao Miguel und sogar 37 l/m² auf Santa Maria zusammen kamen. In den folgenden 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ zogen die Ausläufer des Systems WERNER weiter nach Nordosten und überquerten dabei große Teile Großbritanniens, der Benelux-Staaten und Deutschlands. Dabei fiel neben Regen auch Schnee, wobei der Schwerpunkt der Niederschläge in Wales lag. Dort konnten 12-stündig 50 l/m² in Bala, 52 l/m² am Lake Vyrnwy und 91 l/m² in Capel Curig verzeichnet werden. In Deutschland waren es bis auf den Süden trotz verbreitet beobachteter Niederschläge indes lediglich maximal 5 l/m² am Großen Arber und ansonsten zwischen wenigen Zehntel und 2 bis 3 l/m² Regen.

Bis 01 Uhr MEZ am 13.12. hatte sich das Tief WERNER II mit einem Kerndruck von ca. 1005 hPa über die Nordseeküste Deutschlands verlagert. Von diesem verlief die Warmfront nach Südosten über Sachsen, Tschechien und Ungarn, bevor sie über dem Norden Rumäniens in die Kaltfront eines anderen Tiefs nördlich von Moskau überging. Die Kaltfront des Wirbels WERNER II erstreckte sich hingegen nach Südwesten und verband sich nahe London mit der Warmfront des Tiefs WERNER I. Dieses befand sich zu diesem Zeitpunkt jeweils etwa 1000 km südwestlich von Irland sowie westlich der Nordwestspitze Spaniens. Vom Kern des Tiefs WERNER I mit einem Druck von rund 1000 hPa reichten außerdem eine Okklusion nach Südwesten und eine lang gestreckte Kaltfront nach Süden. Während im Süden Deutschlands bis 07 Uhr MEZ nur geringe Niederschlagsmengen beobachtet wurden bzw. es in den vorangegangenen 24 Stunden verbreitet gänzlich trocken blieb, summierte sich der Regen im Norden auf bis zu 22,2 l/m² in Itzehoe, 22,8 l/m² in Hohn und 23,5 l/m² in St.-Peter-Ording. Weitere Niederschlagsmengen im Einflussbereich des Wirbels WERNER II beliefen sich im selben Zeitraum auf 13,6 l/m² im polnischen Resko, 13,8 l/m² im tschechischen Pec pod Snezkou und 15,2 l/m² im dänischen Gedser Odde. Des Weiteren entwickelte sich im Bereich der Zyklone WERNER II ein kleinräumiges, aber ausgeprägtes Windfeld aus, welches in den hohen Lagen Deutschlands teils für orkanartige- sowie mitunter auch Orkanböen sorgte. So wurden beispielsweise auf dem Fichtelberg 111,7 km/h und auf dem Brocken 144,1 km/h verzeichnet.

Mit der raschen Ostverlagerung des Tiefs WERNER II nahmen im Laufe des Tages die Niederschläge in Mitteleuropa schnell wieder ab. Das Tief WERNER I zog derweil bis zum Folgetag nur wenig nach Nordosten, verstärkte sich jedoch auf knapp unter 985 hPa. Vom Zentrum ging dabei eine Okklusionsfront aus, die bogenförmig über die westliche Biskaya bis nach Nordwestspanien führte, wo sich ihr Okklusionspunkt befand. Die anschließende Warmfront verlief südwestlich bis über Madeira, die kurze Kaltfront folgte dieser knapp nach. Außerdem spaltete sich westlich von Irland eine weitere Warmfront ab, die sich über die Britischen Inseln, die Niederlande und Deutschland bis nach Südungarn erstreckte, wo sie die Verbindung zur Kaltfront des Wirbels WERNER II herstellte. Die Zyklone WERNER II befand sich südlich von Minsk und besaß ein Frontensystem bestehend aus einer kurzen Okklusion nach Süden, die sich in die nach Südwesten weisende Kaltfront und in eine nach Südosten über das Schwarze Meer reichende Warmfront aufspaltete. Bis auf einzelne zweistellige Niederschlagsmengen auf den Britischen Inseln verlagerte sich der Schwerpunkt der Niederschläge in den Bereich des Zentrums des Tiefs WERNER II über Weißrussland und die Ukraine. Dort konnten 24-stündig bis 07 Uhr MEZ jeweils 10 l/m² in Olevsk und Konotop, 12 l/m² in Sluck, 13 l/m² in Grodno und 17 l/m² in Baranovici gemessen werden, die auch mitunter in Form von Schnee fielen.

Beide Tiefdruckgebiete zogen bis zum 15.12. weiter nach Osten. Das Tief WERNER I befand sich um 01 Uhr MEZ knapp westlich von Irland mit ca. 995 hPa. Das zugehörige Frontensystem war nun vollständig okkludiert und wurde bis zum Folgetag zu einem großen Teil vom Tief XOLA übernommen. Auf den Britischen Inseln konnten bis 07 Uhr MEZ in 24 Stunden nochmals zweistellige Niederschlagsmengen verzeichnet werden, wie am Jersey Airport mit 12,8 l/m², auf Valentia Island mit 16 l/m² und in Cork mit 20 l/m². Der Wirbel WERNER II wurde währenddessen mit einem Kerndruck von etwa 1005 hPa nordwestlich von Wolgograd analysiert. Vom Zentrum erstreckte sich eine Okklusion nach Süden, die nahe der russisch-georgischen Grenze den Charakter einer Kaltfront annahm und bis über die nördliche Türkei führte. Die höchsten Niederschlagsmengen in Russland betrugen dabei 12 l/m² in Anna, 11 l/m² in Millerovo und je 10 l/m² in Kazanskaja, Valujki sowie Novoannenskij.

Durch den sich verstärkenden Einfluss des Tiefs XOLA auf Westeuropa schwächte sich die Zyklone WERNER I weiter ab und wurde schließlich bis zum Folgetag in die Rotation des Tiefs XOLA aufgenommen. Der Wirbel WERNER II verlagerte sich indes weiter nach Osten und verließ im Laufe des 16.12. den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte, wodurch das System WERNER nicht weiter auf jener analysiert sowie namentlich verzeichnet werden konnte.

 

 

Geschrieben am 10.03.2016 von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 13.12.2016

Pate: Dr. Werner Peter