Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
WILFRIED
(getauft am 08.03.2011)
Am 8. März 2011 wurde ein Tiefdruckgebiet, das sich
über der zu Kanada gehörenden Insel Neufundland gebildet hatte, auf den Namen
WILFRIED getauft. Es entstand in Folge großer Temperaturunterschiede in der
mittleren Atmosphäre, was die Karte des 500 hPa-Niveaus zeigt, die dem Abbild
der Verhältnisse in etwa 5,5 Kilometern Höhe entspricht. Während es südlich von
Neufundland über dem Nordatlantik eine Temperatur um -16°C gab, erreichte die Temperatur
über der Davisstraße, der Meerenge zwischen Grönland und der kanadischen
Baffininsel, einen Wert von -44°C. Vom Osten Kanadas ausgehend besaß die Luft
in der mittleren Atmosphäre eine straffe Strömung nach Osten. Diese Strömung
wurde durch ein Hochdruckgebiet über dem zentralen Nordatlantik und ein Tief
zwischen Grönland und Island gesteuert, es entstand auf engem Raum ein großer
Druckunterschied, der einen sogenannten „Düseneffekt“ hervorrief. Mit dieser
Westströmung in der Höhe bewegte sich auch das Tief WILFRIED am Boden weiter. Am
nächsten Tag befand sich der Kern der Zyklone einige hundert Kilometer südlich
von Grönland, wo ein Luftdruck von ungefähr 1005 hPa gemessen wurde. Innerhalb
von 24 Stunden entwickelte sich das Tiefdruckgebiet WILFRIED zum Sturmtief.
Mittlerweile betrug der Kerndruck westlich der zu Schottland gehörenden
Hebriden unter 985 hPa. In Nordwesteuropa gab es an einigen Stationen
Sturmböen, und auch an der deutschen Nordseeküste wurde in Böen die Stärke 9
erreicht, was Sturm entspricht. Auf den Britischen Inseln kamen innerhalb von
24 Stunden bis zum Morgen des 11. März teils 5 bis 10 Liter Niederschlag pro
Quadratmeter zusammen, und auch in Norddeutschland waren es ähnliche Werte, zum
Beispiel 6 Liter pro Quadratmeter in Kiel. Zu diesem Zeitpunkt war der Kern des
Wirbels WILFRIED mit einem Druck von ungefähr 980 hPa über Mittelschweden angelangt.
Das Tief war mittlerweile okkludiert, das heißt, die Kaltfront hatte die davor
laufende Warmfront zum Teil schon wie bei einem Reißverschluss eingeholt. An
der Wetterstation Berlin-Dahlem trat am Nachmittag mit 16,3 Metern pro Sekunde
die stärkste Böe auf, dies entspricht der Stärke 7. Am 12. März, das
Tiefdruckgebiet WILFRIED befand sich mit seinem Kern über Lappland, bildeten
sich entlang der Okklusionsfront, die vom Kern des Tiefs nach Süden bis ins
Dreiländereck Rußland, Ukraine und Weißrußland verlief, ausgedehnte
Niederschlagsgebiete. Meist fiel der Niederschlag als Schnee, und in der
darauffolgenden Nacht sank die Temperatur in den mäßigen Frostbereich, zum
Beispiel auf -6°C in Moskau und auf -7°C im nordrussischen Murmansk. Am 13.
März war das Tiefdruckgebiet WILFRIED mit seinem Kern über der Barentssee zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Lebensgeschichte geschrieben am 26.04.2011 von Heiko
Wiese
Ausgewählte Berliner Wetterkarte: 10.03.2011
Pate: Dr. Wilfried Pfitzer