Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet WILFRIED
(getauft
am 28.02.2017)
Am 28.02.2017 wurde anhand einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC,
d.h. 13 Uhr MEZ, des folgenden Tages die Entstehung eines Tiefdruckwirbels
entlang einer von West nach Nordost über den Atlantik ziehenden und sich
wellenförmig deformierenden Front eines Tiefs bei Grönland vorhergesagt,
welcher auf den Namen WILFRIED getauft wurde.
Am Tag seiner Entstehung befand sich Tief WILFRIED um 00 Uhr UTC
mit einem Kerndruck von unter 995 hPa über dem Atlantik und somit noch etwa 500
Kilometer westlich von der zuvor für 12 Uhr prognostizierten Lage nahe Cork,
Südirland. Vom Zentrum des Tiefdruckwirbels, das in etwa auf der gedachten
Schnittlinie von London mit Akureyri in Island lag,
erstreckte sich eine Warmfront in südöstlicher Richtung nach Spanien, die
nördlich von Madrid in die Kaltfront des über Norditalien liegenden Tiefs
VOLKMAR überging. Auch zog sich eine Kaltfront nach Südwesten über den
Atlantik. Der Kern des Wirbels WILFRIED war in nordnordwestliche Richtung durch
eine Okklusionsfront mit dem Zentrum eines weiteren, ebenfalls aus der sich
wellenförmig deformierenden Kaltfront des Grönlandtiefs hervorgegangenen
Wirbels verbunden. Als Okklusionsfront wird eine Mischfront verstanden, die aus
dem Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und Eigenschaften beider
in sich vereint. Durch einsetzende Hebungsprozesse entwickelte sich entlang der
Ausläufer des Tiefdruckwirbels WILFRIED ein ausgeprägtes Niederschlagsband,
welches sich im Tagesverlauf über die Britischen Inseln und die Niederlande
nach Deutschland und zur Schweiz verlagerte. Binnen 24 Stunden fielen bis 06
Uhr UTC des Folgetages in Dublin 5 mm, im irischen Claremorris
14 mm und im walisischen Capel Curig
33 mm teils schauerartig verstärkten Regens. Über Frankreich wurden im gleichen
Zeitraum am Pariser Flughafen Le Bourget 14,3 mm, in Langres 22 mm und bei Bourg-St-Maurice,
an den Westalpen gelegen, bis zu 27 mm registriert. Über Süddeutschland und in
der Schweiz fielen die Niederschläge aufgrund von Staueffekten sowie
Hebungsprozessen beim Aufgleiten in kältere Luftschichten entlang der Westalpen
ebenfalls sehr ergiebig aus. Zwischen 18 und 06 Uhr UTC wurden in Blatten 19 mm, auf dem La Dôle 25
mm und in Liebstadt 26 mm gemessen. Die Messstation auf dem Feldberg meldete 28
mm und jene in Freudenstadt bis zu 35 mm Niederschlag, der in höheren Lagen
teils in Schnee überging. Der überwiegend west- bis südwestliche Wind erreichte
zudem am späten Nachmittag und in der Nacht zum 02.03. an besonders exponierten
Lagen über Mitteleuropa in Böen Orkanstärke. So wurden auf dem Brocken
Spitzenböen bis 129,7 km/h, auf dem Jungfraujoch bis 135,3 km/h und auf dem
Säntis bis 144,5 km/h erreicht.
Bis zum 02.03. war das Sturmtief WILFRIED über Südirland hinweg
nach Nordirland gezogen und befand sich um 00 Uhr UTC mit seinem Zentrum und
einen Kerndruck von weiterhin knapp 995 hPa unweit von Belfast. Teile der
Warmfront waren in den vergangenen 24 Stunden von der ihr
nachfolgenden Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich eine zweite
Okklusionsfront ausgebildet hatte. Diese erstreckte sich vom Kern in
südöstlicher Richtung bis zu ihrem Okklusionspunkt, die Stelle an der Warm- und
Kaltfront ineinander übergehen, bei Köln. Von Köln ausgehend reichte die Warmfront
weiter bis nach München, während sich die Kaltfront über Zentralfrankreich in Richtung
Bordeaux zog. Während sie westlich von Bordeaux bis zu den Azoren den Charakter
einer Warmfront annahm, zog sie sich anschließend weiter über den Atlantik nach
Westen. In nordwestlicher Richtung war der Kern des Tiefs WILFRIED erneut durch
eine Okklusion mit dem Zentrum eines weiteren, unbenannten Tiefs mit Zentrum
südlich von Island verbunden. In den folgenden 24 Stunden zog Zyklone WILFRIED
über England und Dänemark nach Osten ab, wodurch sich das Niederschlagsband von
Mitteleuropa über Deutschland und Polen in Richtung des Baltikums verlagerte.
Ehe die Niederschläge nach Osten abzogen, fielen bis 18 Uhr UTC durch zumeist
leichten Regen oder Sprühregen in Berlin 12-stündig 4,9 mm, in Bremen 9,7 mm
und auf dem Brocken durch anhaltenden und teils gewittrig durchsetzten
Schneefall 17,6 mm. Die Anemometer auf dem Brocken
meldeten zudem Orkanböen bis 140,5 km/h. In Gorzów
wurde bis 06 Uhr UTC eine 24-stündige Niederschlagssumme von 9,2 mm, in Lebork 12,5 mm und in der Hauptstadt Litauens Vilnius 11 mm
gemessen. Aus der Region um Warschau wurden leichte Gewitter gemeldet, die bis
zu 6,8 mm Niederschlag brachten.
Bis 00 Uhr UTC am 03.03. zog das Zentrum des Tiefdruckwirbels WILFRIED
nach Lettland und wurde mit einem auf 1000 hPa gestiegenen Kerndruck wenige
Kilometer östlich von Riga analysiert. Da die Warmfront von der Kaltfront
vollständig eingeholt worden war, resultierte daraus eine Okklusionsfront, die sich
vom Kern in einem Bogen über Weißrussland nach Kiew erstreckte und ab Kiew
Kaltfrontcharakter annehmend weiter bis nach Ostungarn verlief. Das
Niederschlagsfeld hatte gegenüber dem Vortag stark an Intensität verloren und
konzentrierte sich im Wesentlichen noch auf den Kernbereich des Wirbels
WILFRIED, welcher im Tagesverlauf unter einsetzender Auflösung in Richtung des
nördlichen Uralgebirges abzog. Größere Niederschlagsmengen wurden bis auf
lokale Ausnahmen nicht mehr gemeldet. Im weißrussischen Polotzk
fielen im Zeitraum von 06 bis 18 Uhr UTC 4 mm, in Novgorod
5 mm und in Staraja Russa sowie
auch in Tikhvin je 7 mm Niederschlag, der über
Russland überwiegend in leichten Schneefall überging.
Auf der Zugbahn über Westrussland hinweg schwächte sich Tief WILFRIED
zusehends ab, sodass dieses am 04.03.2017 nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr
namentlich auf jener verzeichnet werden konnte.
Geschrieben am 20.04.2017 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte: 02.03.2017
Pate: Wilfried Zikesch