Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet WILHELM
(getauft am 22.10.2019)
Westlich
des vor der Iberischen Halbinsel und Großbritannien liegenden Hochdruckgebiet MAJLA
wurde etwa ab Mitte Oktober 2019 mit einer südlichen Strömung vergleichsweise
warme Luft zwischen dem 40. und 60. Breitengrad über dem Nordatlantik
herangeführt. Da diese Luft wärmer als die Luft in höheren Luftschichten war,
fand eine großräumige Aufwärtsbewegung statt, die in einem Luftdruckabfall in
niedrigeren Luftschichten resultierte, wodurch ein Tiefdruckgebiet entstanden
ist.
Bis
zum 22.10.2019 intensivierte sich das Gebiet geringen Luftdrucks, sodass der
nun analysierbare Tiefdruckkern auf den Namen WILHELM getauft wurde. Zu diesem
Zeitpunkt hatte die Zyklone, als Teil einer langgestreckten Tiefdruckrinne,
einen recht hohen Kerndruck von knapp 1000 hPa. Die Warmfront in östlicher
Richtung bildete die Fortsetzung eines bereits okkludierten und vor der
norwegischen Küste liegenden Tiefdrucksystems. Orthogonal dazu lag nach Süden
gerichtet die Kaltfront.
Bis
zum 23.10.2019 um 00 Uhr UTC zog das Tief WILHELM entlang des 60. Breitengrads
nach Osten und lag zwischen Island und Großbritannien. Der Kerndruck des
Wirbels fiel zu diesem Zeitpunkt auf etwa 995 hPa, dabei bestand das
dazugehörige Frontensystem bereits aus einer Okklusion. Bei einer Okklusion
spricht man von einem Prozess in einer dynamischen Zyklone, bei dem die
vorangegangene Warmfront von der nachfolgenden Kaltfront eingeholt und bereits thermisch
angehoben wurde. Sowohl das Hochdruckgebiet NICOLA über dem Nordwesten des
Schwarzen Meeres als auch das sich von MAJLA abgespaltene Teilhoch
MAJLA II über dem Ärmelkanal führten in Mitteleuropa zwischenzeitlich zu einer
Blockierung und damit horizontalen Stauchung des Tiefdruckgebietes WILHELM.
Infolgedessen
verlagerte sich das Tiefzentrum bis zum 24.10.2019 kaum, jedoch fiel der
Luftdruck weiter auf etwa 990 hPa. Die Warmfront der Zyklone WILHELM erstreckte
sich zu diesem Zeitpunkt über Skandinavien hinweg bis nach Russland, während
sich die Okklusionsfront nach Süden, über die britischen Inseln bis knapp
westlich der Iberischen Halbinsel ausrichtete. In dem Warmluftsektor, also in dem
Bereich hinter der Warmfront und vor der langsam einfließenden Kaltluft von
Westen wurde mit einer südlichen Strömung warme Luft vom Mittelmeer nach
Mitteleuropa geführt, sodass für Ende Oktober noch einmal unüblich warme Temperaturen
erreicht werden konnten. Generell wurde es auf der Nordseite größerer
Erhebungen im Osten Deutschlands am schönsten und mit leichten Föhneffekten
auch am wärmsten. Der Höchstwert von 23,7°C wurde jedoch an der Station in Garmisch-Partenkirchen
in 720 m Höhe mit Föhnunterstützung durch die Alpen gemessen.
Bis
zum 25.10.2019 um 00 UTC, hatten sich sowohl der Okklusionspunkt, die Gabelungsstelle
zwischen Warm- und Kaltfront, als auch das Zentrum von Tief WILHELM weiter nach
Norden, nördlich des 60. Breitengrades, verlagert. Dabei konnte sich der
Kerndruck weiter definieren und fiel auf etwa 985 hPa. Die Warmfront erstreckte
sich nun über die Nordhälfte Skandinaviens bis knapp über Russland, während
sich die Kaltfront in einem engen Bogen über die Fjorde der Westküste Norwegens
bis über das zentrale Großbritannien zog. In Südostschweden wurden hierbei an
der Station Oskarshamn für die Jahreszeit sehr milde 16,3°C
erreicht.
Am
Samstag, dem 26.10.2019, kam schließlich ordentlich Bewegung in das Wettergeschehen.
Aufgrund der recht intensiven südwestlichen Strömung, beginnend mit dem
ehemaligen Tropischen Sturm PABLO über dem Atlantischen Ozean, sowie den
hereinziehenden Tiefdruckgebieten YAROSLAV und XANDER teilte sich das Tief
WILHELM in zwei Teiltiefs. Während sich der nur von einer kleinskaligen
Okklusionsfront begleitete Tiefkern WILHELM I mit
einem Kerndruck von 985 hPa über dem Nordmeer stationär verhalten hatte, verlagerte
sich das Tiefdrucksystem WILHELM II, ebenfalls mit einem Kerndruck von 985 hPa,
weiter östlich bis über den Bottnischen Meerbusen. Indes okkludierte das
Frontensystem von Wilhelm II leicht. Die Warmfront über dem nordwestlichen
Russland wies eine kaum noch relevante Zugrichtung auf, während die Kaltfront ostwärts
entlang der Hochdruckbrücke zwischen den Hochdruckgebieten NICOLA und MAJLA schliff
und in Zusammenarbeit mit Tief XANDER sowie Tief YAROSLAV in Mittel- und Nordeuropa
für eine teils kräftige südwestliche Anströmrichtung sorgte. Der Wind wehte
hierbei in einem exponierten Streifen von Westfrankreich, entlang des
Ärmelkanals über Dänemark bis zur Ostsee häufig stark (39-49 km/h) und teils mit
stürmischen Böen (62-74 km/h).
Auch
bis zum 27.10.2019 verblieb die Teilzyklone WILHELM I weiter über der
nördlichen Nordsee mit einem Luftdruck von 995 hPa. Das sich abgespaltene Teiltief WILHELM II verlagerte sich hingegen weiter nach
Osten über Nordrussland an den Rand der Bodenwetterkarte und konnte sich auf
seinem Weg noch auf einen Kerndruck von ca. 980 hPa intensivieren.
Bis
zum 28.10.2019 verschob sich der Tiefdruckwirbel WILHELM II weiter ostwärts aus
dem Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte heraus. Tief WILHELM I
verlagerte sich währenddessen zum Teil nach Südosten und lag mit seinem Zentrum
über der Südspitze Skandinaviens sowie der südwestlichen Ostsee, dabei nahm der
Kerndruck Werte zwischen 1005 und 1010 hPa an und bildete damit lediglich noch ein
Randtief vom Tiefdruckgebiet YAROSLAV. In der Nordhälfte Deutschlands sorgte es
für eine nordwestliche bis westliche Strömung und niedrigere Temperaturen als
zuvor.
In
der Analyse der Bodenwetterkarte vom 29.10.2019 lag das Tiefzentrum weiter
östlich über Russland, wobei sein Kerndruck auf 1010 hPa angestiegen war.
Bis
Mittwoch, den 30.10.2019, verlagerte sich die Teilzyklone WILHELM, aufgrund der
Verlagerung des Hochdruckgebietes OLDENBURGIA weiter ostwärts und konnte sich
noch einmal auf einen Kerndruck von etwa 1005 hPa intensivieren. Dabei bildete
sich noch einmal eine Kaltfront entlang des 50. Breitengrades, hinter der mit
einer nördlichen Strömung großflächig kalte Luft in die gesamte Ukraine advehiert wurde, sodass sich 24-stündige
Temperaturveränderungen in der Höchsttemperatur im Vergleich zum Vortag von -3
bis teils -10°C ergaben.
Die
Analyse der Bodenwetterkarte vom 31.10.2019 zeigte das Tiefdruckgebiet WILHELM
noch mit einem Kerndruck zwischen 1000 und 1005 hPa etwa über dem Uralgebirge,
bevor es im Tagesverlauf vollständig ostwärts vom Hochdruckgebiet OLDENBURGIA verdrängt
wurde und nicht mehr in der Bodenwetterkarte verzeichnet werden konnte.